Tagebuch des Praios Geweihten Baldus Sonnenlob
07. Phex 1032 BF
Unsere neue Reisebegleitung, die Medica Trawine Zähringer
stellte sich als höchst unterhaltsam heraus. Vor allem
für unseren jungen Ulfried, dem sie von der ersten Sekunde an
schöne Augen machte. Und was für Augen! Wie kleine
Sonnen in einem See… naja… nur eben
grün. Und Haare wie… schöne Haare eben.
Notiz: Sollte nicht versuchen poetisch zu sein. Zumindest nicht mit
Tinte. Vielleicht erst mit Kohlestift einen Entwurf schreiben.
Wo war ich… ach ja. Tankred war misstrauisch. Er nahm mich
unterwegs zur Seite und äußerte seine Theorie. Er
fand es höchst verdächtig, dass die Medica gegen
sechs bewaffnete Gegner genauso lange durchgehalten hatte, bis wir
auftauchten. Ohne dabei eine Verletzung davon zu tragen.
Sein zynischer Geist kann die lenkende Hand des Herren leider nicht
erkennen. Offensichtlich brachte uns der Herr eben zum rechten Moment
an diesen Ort. Es ist damit unser Schicksal und unsere Aufgabe diese
junge Dame zu begleiten.
Abends kamen wir zu einem Gasthof, genau einen Tagesmarsch vor Gareth.
Entsprechend gut ausgerüstet war man hier für
Reisende.
Der Gasthof hatte eine neumodische „Speisekarte“.
Mit einem Angebot von über zehn verschiedenen Speisen, anstatt
der üblichen ein oder zwei. Neben den üblichen
Gerichten gab es auch etwas, dass sich „Falscher
Hase“ nannte. Seine Ehrwürden, Luminifieri Goswyn
von Wetterau hielt dem Wirt eine Standpauke über den offenen
Verkauf gefälschten Fleisches. Dieser verhielt sich
höchst merkwürdig. Er gelobte zwar Besserung und
entschuldigte sich wortreich, grinste aber die ganze Zeit wie ein Fall
für die Noioniten. Sehr seltsam.
Unsere blutjunge Magierin Yolande fand trotz dieser dekadent
großen Auswahl nichts Passendes und bat darum, dass man ihr
einen Gemüseeintopf zubereiten sollte. Ganz ohne Fleisch. Aus
Neugier und Höflichkeit schloss ich mich dieser Bestellung an.
Der Wirt war zuerst etwas irritiert, ganz so als hätte noch
nie jemand in seinem Hause nach so etwas verlangt. Das Gericht war
durchaus essbar, bräuchte aber noch mehr Gewürze. Und
eine Menge gebratenen Speck.
Recht spät zogen wir uns zum Schlafen zurück. Trawine
verschwand dabei in Ulfrieds Zimmer. Unser Sonnenlegionär
beschwerte sich beim Frühstück darüber, dass
er im Zimmer daneben die Nacht über kaum ein Auge zu bekommen
hatte.
08. Phex 1032 BF
Wie gewünscht wurde ich vor Sonnenaufgang rechtzeitig geweckt.
Mit verquollenen Augen stolperte ich durch das finstere und
völlig unzureichend ausgeleuchtete Wirtshaus. Im Hof traf ich
auf Tankred, der wie immer schon weit vor mir aufgestanden war und eben
mit seinem Tanz der Mada fertig war. Mit einem unerträglich
ausgeschlafenen und völlig frischen Gesichtsausdruck
grüßte er mich. Dann wurde er ernst und informierte
mich, dass er am Abend davor einen Zauber auf Trawine gewirkt hatte,
der ihm zeigte, dass es sich bei ihr um eine Magiebegabte handelte.
Keine ausgebildete Magierin oder Hexe, aber entweder eine Scharlatanin
oder Magiedilletantin.
Ich wollte ihn schon scharf zurechtweisen, dass er einen Zauber ohne
Einverständnis des Zieles auf die Medica gewirkt hatte. Ein
klarer und eklatanter Verstoß gegen den Codex Albyricus.
Rechtzeitig erinnerte ich mich jedoch, dass Magister von Schneehag sich
bisher als äußerst gesetzestreuer und
rechtschaffener Magus verhalten hatte. Das passte nicht zusammen. Ich
fragte genauer nach und stellte fest, dass er den Odem Arcanum Cantus
benutzt hatte um seine Wahrnehmung der Magie zu stärken. Damit
hatte Magie auf sich selbst und nicht auf jemand anderen gewirkt. Ich
ermahnte ihn, sich zukünftig etwas präziser
auszudrücken, wenn er mir magische Phänomene
beschrieb. Die Vorstellung, dass selbst ein Weißmagier mit
dem ich Rücken an Rücken in den Schwarzen Landen
gekämpft hatte, den Versuchungen der Magie erliegen konnte,
beunruhigte mich. Selbst ein kleiner Verstoß konnte der erste
Schritt zum moralischen Niedergang werden. Heute ein unangemessener
Hellsichtszauber und Morgen stand vielleicht ein neuer Heptarch vor
mir. Und das erinnerte mich an die Vorlesungen die ich im Rahmen meines
Noviziats erhalten hatte. „Der Weg in die
Niederhöllen ist mit guten Absichten gepflastert“,
„Das rechte Ziel rechtfertigt niemals die falschen
Mittel“ oder „Das Opfer des Märtyrers im
Gegensatz zu den Gefahren des leichten Weges“.
Den restlichen Tag haderte ich mit mir, ob ich die Medica auf ihre
Fähigkeiten ansprechen sollte. Ich entschied mich letztendlich
dagegen. Der Makel Madas könnte ihr peinlich sein. Und
vielleicht wusste sie noch nichts davon und würde durch diese
Erkenntnis in unnötige persönliche Konflikte
gestürzt werden.
Unterwegs kam der Sonnenlegionär von seiner Vorhut
zurück und berichtete uns, dass uns ein ganzer Zug von
Signalgasten entgegenkam. Seine Gnaden Goswyn korrigierte ihn, dass es
sich um Flagellanten handelte. Eine häufige
Begriffsverwechslung.
Wenn ich doch den Glauben und die Willensstärke der
Selbstgeißler bewunderte, so war dies doch absolut kein Weg,
den ich mir für mich vorstellen konnte. Und irgendwie waren
diese Fanatiker einfach gruselig. Wir spendeten ihnen
großzügig und gingen dann unserer Wege.
Beim Abendessen in Hirschfurten genoss ich wieder den Anblick von
Ulfried, der seinen kleinen Becher Bier sichtlich genoss,
während er vor der Heilung durch Rahjas Wunder das edle
Getränk im Unverstand in sich hineingestürzt hatte.
Meister Ehrwald und der Custos Lumini von Wetterau zeigten uns nach dem
Essen die kleine symmetrische Blume, die sie mit sich herumtrugen.
Obwohl sie schon seit Wochen ohne Wasser und Erde auskommen mussten,
sahen sie aus wie frisch aus der Erde gepflückt. Meister
Ehrwald erklärte uns, dass die Quanione genannte Pflanze seit
dem Verschwinden des Ewigen Lichtes überall aufgetaucht war
und in der Nähe von Gläubigen lange Zeit frisch blieb.
Mein Vorschlag, diese Pflanzen alle zu sammeln um zu prüfen,
ob man daraus eine Schatzkarte oder gleich das ewige Licht extrahieren
konnte, wurde von ihm verworfen. So sehr ich meinen alten Bosparano
Lehrer schätzte, wenn er diesen abfälligen
Gesichtsausdruck zu oft verwendete, würde ich ihm eines Tages
eine in die Fresse… würde ich ihn eines Tages
darüber informieren müssen, dass mich das zutiefst
verletzte.
Trawine schleppte abends wieder Ulfried ab. Das letzte was ich von ihr
hörte, war ihr: „Nun mein Löwe, dann zeig
mal ob ihr Rondra Geweihten wirklich immer das Schwert in Bereitschaft
habt.“
Yolande rollte so stark mit den Augen, dass ich mir schon Sorgen
machte, sie könnte sich dabei verletzten.
09. Phex 1032 BF
Nach einer halben Tagesreise suchte uns bei der Mittagsrast in einem
Dorf ein Bauer namens Efferdan Garlischgröz auf. Er berichtete
uns, dass die Geweihte des Dorfes gerade auf Reisen war und daher
niemand sein frisch geborenes Kind segnen konnte. Er musste nicht
weiterreden. Alle Geweihten erhoben sich praktisch gleichzeitig um
anzubieten, sich darum zu kümmern.
Ulfried sammelte Spenden ein, mit denen wir den Wirt bezahlten ein
spontanes Fest auszurichten und einen Golddukaten spendeten wir dem
Säugling. Der Vater wusste gar nicht wie ihm geschah.
Yolande und Trawine untersuchten Mutter und Kind und kamen
übereinstimmend zu dem Schluss, dass hier alles in Ordnung
war. Gemeinsam mit den anderen Geweihten sprach ich den Geburtssegen.