Aus dem Tagebuch das Praios Geweihten Baldus Sonnenlob

16. Phex 1032 BF

Nachdem wir das Labor des Schwarzmagiers abgefackelt und die Türen hinter uns fest verrammelt hatten, verließen wir das dezimierte Dorf.

Die Reise führte uns durch die vom Bürgerkrieg verheerten Grenzlande.

Albernien versuchte hier seit Jahren sich von der praiosgegebenen Herrschaft der Kaiserin, hier vertreten durch den Nordmärker Jast Gorsam, zu lösen.

Wir machten Rast im besetzten Honingen.


17. Phex 1032 BF
Honingen

Wir bezogen Quartier im besten Gasthof der Stadt, dem Honingerhof.

Den überraschten Studiosus Erebus übergaben wir der Stadtwache, zusammen mit einem ausführlichen Bericht seiner Taten. Immerhin hatte sein unvorsichtiges Öffnen des Labors eines Schwarzmagiers indirekt zum Tot dutzender unschuldiger Bürger geführt. Nach Praios Recht und Gesetz hatte er sich damit dem mehrfachen Totschlag schuldig gemacht.

Beim Essen verschmähte Yolande wieder den Braten und erklärte, dass sie keinerlei Fleisch aß. Niemals. Auch keine Wurst. Vermutlich wieder eine dieser horasischen Diäten, die in den von Frauen favorisierten Wochenblättern immer wieder als Wundermittel angepriesen wurden. Meiner Ansicht nach hatte die junge Adeptin das keinesfalls nötig. Sie war bereits schlank und ungewöhnlich durchtrainiert. Als ob sie seit Jahren durchs Gebirge wandern würde, statt in einer Studierstube für ihre Prüfungen zu lernen. Vielleicht war ihr Haus recht weit von der Akademie entfernt? Ich würde sie irgendwann danach fragen müssen.

Nachts quartierten sich Ulfried und Travine in ein Doppelzimmer ein. Ich war froh, dass ich kein Travia Geweihter war. Sonst wäre ich vermutlich verpflichtet gewesen einzuschreiten, anstatt ihm nur grinsend nachzuwinken.

Meine Nachtruhe wurde jäh durch laute Schreie unterbrochen. Ich warf mich Hose und Hemd und packte im Vorbeirennen den bereitliegenden Sonnensturm, bevor ich aus der Tür trat. Damit kam ich deutlich hinter meinen halbnackten Gefährten in den Teil des Gasthofes, aus dem der Lärm stammte.

Hier hatte es wohl in früheren Zeiten eine Zwischendecke gegeben, die aus mir unerfindlichen Gründen zum Wohle eines doppelt Raumhohen Bereiches entfernt worden war. Anders war diese irrsinnige Raumhöhe nicht zu erklären. Wie sollte man das jemals warm bekommen im Winter?

Ulfried trat vor mir in den Raum, parierte einen hearnwirbelnden Dolch und duckte sich dann zur Seite um einem kleinen Fläschchen auszuweichen. Der Dolch wirbelte dicht vor mir vorbei. Ich tippte ihn vorsichtig mit dem Fuß an und er hinterließ eine leichte Schleimspur am Boden. Gift.
Den Sonnensturm schon in Drehung versetzend, trat ich in den Raum.

Mitten im Raum lag Lumin in einer Lache aus Blut und mit zahlreichen Löchern im Gewand.
Oben an der Treppe zum oberen Raum, stand der Großinquisitor. Nach einem kurzen Blick fand ich nur einen Gegner. Travine, die durch schwarze Magie an der Decke stand, wie auf festem Boden, war der einzige Gegner. Ich winkte dem Großinquisitor zu sich wieder in sein Zimmer zurück zu ziehen. Wir hatten die Lage offensichtlich auch so unter Kontrolle.


Eine Frau gegen zwei geweihte Krieger. Und mit jedem Moment kamen mehr von uns an.
Yolande kümmerte sich um den Gefallenen Lumin, so dass Ulfried und ich die Wurfgeschosse der Hexe auf uns lenkten.

Emmeran trat durch die Tür und sprach mit donnernder Stimme den Blendstrahl aus Alveran.
Mitten in der Liturgie bewarf sie ihn mit einem Beutel voller Staub. Seiner Reaktion nach, Juckpulver.

Was für Assassinen-Hexen werfen denn mit Juckpulver… und danach mit Stinkbomben?

Tankred trat herein und donnerte einen Spruch. Doch um Travines Hals leuchtete etwas auf und Blut spritzte aus Nase und Augen unseres Weißmagiers, statt aus der Hexe.

Ich rannte die Innentreppe hoch um von dort auf die Hexe zu springen.

Bevor ich oben war, stürzte sie sich auf Yolande. Ulfried gab ihr sein Schwert zu spüren. Dann sprach er die Heilige Liturgie des Ehrenhaften Zweikampfes. Sie sprang zurück an die Decke und bewarf alle außer ihn. War es so einfach dem Heiligen Befehl zu entgehen?

Der Kampf tobte wirr durch den Raum. Von Ehrenhaft oder Zweikampf konnte keine Rede sein. Hatte der Rondrianer versagt? Als ich von hinten mit dem Sonnensturm zum Schlag ansetzte, drängte mich jedoch ein deutlich heiliges Wirken zurück. Als sie erneut an die Decke sprang, bekam Ulfried sie an den Beinen zu fassen. Emmeran stürzte herbei und klammerte sich an ihn, um sein Gewicht hinzu zu fügen. Die Hexe ging zu Boden und wurde überwältigt.

Gefesselt und geknebelt untersuchte Tankred sie. Er fand nun, nach sehr genauer Analyse, einen Flecken dunkler Magie auf ihrem Herzen, der ihm bisher entgangen war. Sie war besessen!

Weitere Analyse zeigte ihm einen ihm von der Beschreibung her unbekannten körperlosen Dämon des Blakharaz. Wie hatte sich eine Besessene tagelang so dicht in der Nähe von Geweihten aufhalten können? Nicht nur dass, sie hatte sich zu einem sogar in sehr engen Kontakt begeben.

Unter Führung des ehrenwerten Laconda Da Vanya stimmten wir die Liturgie des Exorzismus an. Mit diesem mächtigen Hochgeweihten zusammen, brauchten wir natürlich deutlich weniger als die übliche achtstündige Zeremonie. Ein schwarzer Schatten brach aus ihrem Herzen und verschwand durch einen Riss in Deres Feste direkt hinab in die Niederhöllen.

Travine erinnerte sich nicht, wie es zu der Besessenheit gekommen war. Nur, dass sie ihren untreuen Ehemann verfolgen und hinrichten musste. Nur dazu war sie uns gefolgt. Die Geschichte gab überhaupt keinen Sinn. Sie hatte weit bessere Gelegenheiten gehabt zuzuschlagen.

Wir brachten sie zum Praios Tempel, wo sie in einer Büßerzelle vor einer erneuten Besessenheit geschützt war.

Wir hatten nun einiges zum Nachdenken. War dies ein direkter Angriff eines Schwarzmagiers gewesen? Wenn ja, dann hatte der Dämon seltsam ungenaue Anweisungen erhalten. Und sicher hatte es bessere Gelegenheiten gegeben den Geweihten anzugreifen, als ausgerechnet während einer Reise mit einigen kampfkräftigen Geweihten.

Weit weniger gefiel mir der Gedanke, dass die halbtrainierte Gabe einem unbeschworenen Dämon eine Hintertür verschafft hatte. Zeichen und Visionen warnten uns ja vor Dämonen, die ohne Beschwörung Dere heimsuchen konnten, jetzt, wo das Licht des HERRN verblasste.