Aus dem Tagebuch des Geweihten Baldus Sonnenlob
Phex 1032 BF
Elenvina
Unsere Nachforschungen hatten keine weiteren Hinweise zu dem
mysteriösen Begriff „Praemonstratoris
Lucis“ gefunden. Unser Sprachgelehrter schien mir von unserer
„Hilfe“ auch langsam genervt zu sein. Jedenfalls
beauftragte er uns ein Päckchen mit juristischen
Schriftstücken zu einer alten Bekannten namens Rhianna von
Nilitz in die Vogtei ihres Vaters bei Eisenwald bei Xorlosch zu bringen.
Sie hatte ihn nach einer langjährigen gelegentlichen
Brieffreundschaft um Beispielurteile und Gesetzestexte zu den Themen
der Verpflichtungen des Adels, der Adelsfolge und der Absetzung von
Adeligen gebeten. Er machte sich große Sorgen.
Eine Beschreibung konnte er uns leider nicht liefern, da er sie seit
ihrem 14. Lebensjahr und damit seit über 20 Jahren nicht mehr
gesehen hatte.
Als wir erfuhren, dass es dort auch einen Schrein des Heiligen Quanion
gab, war dies natürlich sofort als ein göttliches
Zeichen erkennbar. ER wollte, dass wir dort hin reisten.
Wir brachen daher am nächsten Morgen auf.
Unterwegs studierten wir, natürlich mit der vorherigen
Erlaubnis des Schriftgelehrten das Päckchen zu
öffnen, die Schriftstücke. Immerhin war der Brief
schon einige Tage alt und es konnte sein, dass die Lage bei unserer
Ankunft ein sofortiges Eingreifen erforderte. Unser Magier war daher
sehr energisch dafür eingetreten, dass wir bis dahin die
rechtliche Problematik verstehen sollten.
02. Peraine 1032 BF
Kurz vor unserem Ziel übernachteten wir in der
Fährstation von Trollfurz. Diese ist der oberirdische Teil der
Bergfreiheit. Unsere Nachfragen bei Einheimischen brachten kein
Ergebnis. Vermutlich schüchterten wir die einfachen
Bergbewohner mit unserer gut bewaffneten Gruppe aus Geweihten und
Magiern auch einfach ein.
02. Peraine 1032 BF
Ankunft in Trollfurz
Nach dem Übersetzen über den Großen Fluss
befanden wir uns auf einer erstaunlich schlecht ausgebauten steilen
Straße. Nach einem halben Tag erreichten wir die
Hügelkuppe.
Unten im Tal sahen wir nun ein verkommenes Nest, dass wohl Trollfurz
war. Auf der anderen Seite eine recht verfallen wirkende Feste, die
einst durch ihre Lage hoch im Felsmassiv schier uneinnehmbar gewesen
sein musste. Auch heute würde ich sie nur ungern angreifen.
Unten sahen wir im Dorf eine Versammlung. Alle zweihundert Bewohner
waren zu einer Gerichtsbarkeit versammelt. Wir eilten hinunter. Am
Rande der Menschenmenge mussten wir anhalten, hier war kein
Durchkommen.
Vor dem Gerichtsbaum standen der kleine dickliche und
langbärtige Vogt, der mich an die Karikatur eines Zwergen
erinnerte und eine ältere würdevolle Praios Geweihte.
Vor ihnen knieten am Boden zwei gefesselte Männer. Als wir in
Hörweite kamen, forderte der Vogt gerade eine Strafe von
Hundert Peitschenhieben. Ich und meine Gefährten zuckten
unwillkürlich zusammen. Das war gleichbedeutend mit einem
grausamen Tod! Was hatten diese Männer verbrochen!
Die Geweihte dachte kurz nach und verkündete als
endgültiges Urteil, dass das Strafmaß dem Vergehen
„Aufruhr und Angriff auf den Lehnsherren“
angemessen war. Die Hiebe sollten aber über 12
Praiosgefällige Tage gleichmäßig verteilt
werden. Immer noch eine strenge Strafe, aber der Tat auf den ersten
Blick angemessen und überlebbar.
Nun donnerte eine Stimme aus der Menge: „Unrecht aus dem Mund
einer Geweihten, ist immer noch Unrecht!“
Ich fand die Sprecherin auf einem Dach stehen. Eine Frau, Mitte
dreißig, mit langen dunklen Zöpfen.
In diesem Moment rollten aus mehreren Gassen große runde
Strohballen in die Menge. Bogenschützen auf den
Dächern feuerten Brandpfeile hinein. Sofort brach in der
dichten Menschenmenge Panik aus. Männer stürmten
hinter den Strohballen her in die Menge und versuchten sich zum Vogt
durchzuschlagen.
Tapfere Bürger stellten sich ihnen in den Weg. Beide Seiten
waren nur mit primitiven improvisierten Waffen bewaffnet, wobei die
Dreschflegel mir durchaus gefährlich wirkten.
Ich konnte natürlich nicht zulassen, dass dieser
Pöpel sich an der Geweihten oder dem Vogt vergriff. Ich
drängte mein Pferd vorsichtig in die Menge. Weit kam ich
jedoch nicht, denn etwas erschreckte das gut trainierte Tier und es
bäumte sich auf und warf mich ab. Neben mir fiel auch Emmeran,
was mich bei seinem schreckhaften Rappen nicht wunderte.
Ich kämpfte mich durch die Menge nach vorne. Schnell bemerkten
mich die Aufrührer und stellten sich mir in den Weg. Einem
Angreifer mit einem Dreschflegel riss ich seine Waffe aus der Hand.
Verblüfft konnte ich ihn mit einem drohenden ausholen in die
Flucht schlagen. Emmeran boxte einen weiteren zu Boden.
Vorne konnte ich sehen, wie sich die Dörfler, die eben noch
den Vogt verteidigt hatten, zurückzogen. Ebenso die Angreifer.
Vor ihm lagen in dem sich ausbreitenden freien Platz zwei Leichen. Von
den Gefangenen war nichts mehr zu sehen. Auch zwei seiner Leibgardisten
waren spurlos verschwunden.
Als Ordnung eingekehrt war, stellten wir uns vor. Der Vogt war sehr
schlecht gelaunt. Er beschwerte sich darüber, dass unsere
Begleiter nicht einmal einen Versuch unternommen hatten zu helfen.
Wir konnten ihn jedoch beruhigen, da unsere Magier ohne seine vorherige
Erlaubnis keine Magie hatten wirken dürfen und er
schließlich nicht erwarten konnte, dass sich Gelehrte in den
Nahkampf mit dem Pöbel begaben.
Seine Frage, was wir hier wollten, brachte uns ins Schwitzen. Keiner
wollte Lügen, aber niemand hielt es für eine gute
Idee ihm von dem Paket zu erzählen. Wir hatten alle den
dringenden Verdacht, dass die Anführerin der Rebellen unsere
„kleine Rhianna“ sein musste.
Ich fand eine gute Lösung: „Wir befinden uns auf der
Quanionsqueste nach dem Heiligen Licht. Nachdem wir erfahren haben,
dass sich hier ein Schrein des Heiligen Quanion befindet, wollten wir
ihn aufsuchen um dort um Erleuchtung und Hinweise zu beten.“
Dies entsprach vollkommen der Wahrheit und war auch für mich
persönlich der entscheidende Grund gewesen hierher zu pilgern.
Der Vogt führte uns zu der Feste hoch. Diese wurde sichtlich
so weit möglich instandgehalten, wobei die besagten
Möglichkeiten sehr begrenzt schienen. Die Mechanik des
Fallgitters war wohl kaputt, denn dieses war auf zwei Holzbalken
aufgebockt. Ein Anblick, der mir fast körperliche Schmerzen
verursachte.
Ich fragte mich, wie ein Dorf an einem Handelsweg und mit einer
Fährstation so verarmen konnte. Vermutlich war dies aber ein
weiteres Symptom der vielen Kriege der vergangenen Jahre.