Auszug aus dem Bericht des Geweihten Baldus Sonnenlob, nach
freundlicher und unaufgeforderter Ergänzung und teilweiser
Korrektur von Namen, Titeln und Anreden durch seine Gnaden Praiodatus,
vom Orden der Hüter.
02. Ingerimm 1032 BF, das fünfte Jahr nach dem Verschwinden
des Ewigen Lichts
Hüter Kloster bei Gratenfels
Seine Gnaden Emmeran untersuchte mit uns zusammen die seltsamen
Bernsteinstücke, die wir gefunden hatten. Erfüllt vom
Funken der Erkenntnis, hatte ich feststellen können, dass
darauf Sternzeichen abgebildet waren, jedoch keine die einer der
Anwesenden erkennen konnte. Die Zeichen änderten sich jedoch,
wenn man die Anordnung der Steine veränderte, so dass dies
wenig bedeuten mag. Emmeran rief nun die Macht des Herrn Praios durch
seinen Diener Urischar auf sich herab um Ordnung im Chaos dieser Steine
zu erkennen.
Der Herr, schenkte ihm die Erkenntnis, dass es im Ganzen 28
Bernsteinstücke sein würden. Das klang mir sehr nach
dem Anfang einer Aventurienweiten Schnitzeljagd.
Bei der Gelegenheit muss ich eines Anmerken, es amüsiert mich
immer wieder, dass sowohl Maga Yolande als auch Magus Tankred stets
zusammenzucken, wenn jemand eine Formulierung wie „in SEINEM
Namen“ oder „der HERR“ benutzt.
Also ob damit irgendjemand anderes als der Herr Praios gemeint sein
könnte.
Wir besprachen die bisherigen Ereignisse und informierten seine Gnaden
Praiodatus über die bisherigen Ereignisse seit unserem
Aufbruch. Er hält es für äußerst
bedeutsam, dass unsere Reise von Anfang an von den Mächten des
Widersachers des Herrn unterwandert und behindert wurde. Ulfried wurde
erneut recht schweigsam, als sein Verhältnis mit Travine
erwähnt wurde.
Wir diskutierten dann noch, was wir mit den Bersteinteilen tun sollten.
Unsere Magier und auch Ulfried waren der Meinung, dass wir sie auf
keinen Fall irgendjemandem zur Aufbewahrung übergeben sollten,
da das in allen bekannten legendären Questen damit geendet
hatte, dass das verwahrte Artefakt gestohlen wurde.
Seine Gnaden Praiodatus stellte unmissverständlich klar, dass
es die Aufgabe des Orden des Heiligen Hüters war, derartige
Artefakte sicher zu verwahren. Bei einem karmalen Artefakt des Praios,
gab es schlicht keine Autorität, weltlich oder geistlich, die
dem Orden hier widersprechen kann. Bevor jemand widersprechen konnte,
brachte er alle mit einem strengen Blick zum Schweigen. Dann packte der
die Teile bis auf eines in einen Beutel und verstaute ihn mit einer
Kette um seinem Hals, unter seiner Kleidung und erklärte, dass
die Artefakte hiermit verwahrt waren und genau und innerhalb dieser
äußerst zuverlässigen,
göttergefälligen und vor allem Wehrhaften Gruppe am
besten und sichersten Aufbewahrt waren. Und unterhalb seines
Ordensoberhauptes würde ihm darin niemand widersprechen
können. Das letzte Teil übergab er Ulfried zur
Aufbewahrung, damit nicht alle Eier in einem Korb lagen.
Nachdem wir sicher waren vor Ort keine weiteren Erkenntnisse finden zu
können, brachen wir nach Gareth auf.
Die Reise stand unter Aves Segen und verlief ohne weitere Ereignisse.
06. Ingerimm 1032 BF
Gareth, Stadt des Lichts
Wir erreichten Gareth aus westlicher Richtung, wo sich auch die Stadt
des Lichtes befindet. Ein leichter Regen fiel über der Stadt.
Überall waren Aufbauarbeiten zu sehen, wo immer noch
Reparaturen und Bauarbeiten stattfanden. Schon direkt nach dem Angriff
der Fliegenden Festung hatten die Kirchenoberhäupter
einstimmig entschieden, dass der Aufbau der für die
Bevölkerung wichtigen Gebäude Vorrang vor Tempeln und
Prachtbauten haben sollte. So waren zwar die Trümmer der beim
Einschlag der fliegenden Festung geborstenen Kuppel aus dem Tempel der
Sonne entfernt worden, aber der wichtigste Tempel des Herrn stand immer
noch nach oben offen. Doch die schützende Hand des
Götterfürsten liegt über seinem Tempel.
Ehrfürchtig sahen wir zu, wie der Regen über dem
Heiligtum mitten in der Luft abprallte und zur Seite abfloss, als ob es
immer noch eine Kuppel geben würde. Nachdem wir dieses Wunder
angemessen gewürdigt hatten, teilte sich die Gruppe um
Quartier zu suchen. Wir Geweihten würden natürlich im
jeweiligen Tempelbezirk in Gästezimmern unterkommen, die
Magier an der Akademie zu Schwert und Schild, die sicher auch Yolande
aufnehmen würden.
Da wir erst Abends angekommen waren, verbrachte ich mit Emmeran einige
Zeit im stillen Gebet an dem Ort, an dem einst das Ewige Licht die
Gläubigen erleuchtete.
Ulfried begab sich zum Tempel der Rondra, wo er seelsorgerischen
Beistand erbat. Nach einem Gespräch mit der dortigen
Geweihten, wirkte er am nächsten Morgen nachdenklich und in
sich gekehrt, aber nicht mehr so depressiv und aggressiv.
07. Ingerimm 1032 BF
Gareth, Tempel des Lichts
Seine Gnaden Praiodatus befahl den erstbesten Novizen, den er sah,
herbei. Angstschlotternd und ungewiss, was er nun angestellt hatte,
trat dieser näher. Praiodatus befahl im schlicht und ohne jede
weitere Erklärung, einen einfachen Geweihten zu besorgen. Als
dieser kam und nach dem Begehr seiner Gnaden fragte, schickte er ihn
nach einem Erzgeweihten. Dieses Spiel trieb er über weitere
Hierarchieebenen, bis er eine Audienz beim Sekretarius des Wahrers der
Ordnung der Mittellande, Pagol Greifax von Gratenfels erbitten konnte.
Die Magier und der Rondrianer wirkten ob dieser für sie
ungewohnt bürokratischen Vorgehensweise irritiert. Praiodatus
bemerkte dies und erläuterte, dass dieses Ritual die Ordnung
innerhalb und außerhalb der Kirche repräsentierte.
Außerdem war es eine Frage der kirchlichen Etikette. Er
konnte weder einfach persönlich unangekündigt beim
Sekretarius hineinplatzen, noch einfach einen Hochgeweihten selber
suchen, noch einen Novizen mit einer so hochrangigen Aufgabe betreuen.
Der Sekretarius sagte zu, einen Termin zu vereinbaren und entfernte
sich mit einem dicken Kalender in der Hand. Ich nahm es als schlechtes
Omen, dass er unterwegs den Monat Rahja aufschlug. Kurz darauf kam er
nicht wenig erstaunt mit der Aufforderung zurück, ihm sofort
zum Wahrer der Ordnung zu folgen.
Auf dem Weg unterwies uns seine Gnaden Praiodatus noch in der korrekten
Etikette. Auf zwölf Schritt herangehen, dann Kniefall. Der
Einwand Tankreds, dass das Büro kaum zwölf Schritt
Raum bieten würde, widerlegte er lächelnd. Erstens
bot dieser Raum sehr wohl genug Platz vor dem Schreibtisch des Wahrers,
zweitens waren Schritte gemeint und nicht Schritt und drittens waren im
Notfall zwölf kleine Schritte zulässig.
Da Praiodatus zwar der höchstrangige Anwesende war, bei den
Ereignissen, die *seine Heiligkeit* Pagol Greifax von Gratenfels,
interessierten aber nicht dabei gewesen. Daher fand ich mich zusammen
mit Emeran im Zwang Bericht zu erstatten. Zuerst beruhigte ich ihn,
dass es seinem Bruder bei unserer Ankunft den Umständen
entsprechend gut ging. Maga Yolande ergänzte das mit einem
positiven Befund zu seiner physischen Gesundheit.
*seine Hiligkeit* war schockiert, dass das Oberhaupt der Inquisition
durch fremdartige Magie beeinflusst und physisch verjüngt
worden war. Wir konnten ihn beruhigen, dass Großinquisitor
Amando Laconda da Vanya sich sofort auf eigenen Wunsch strenger
Beobachtung und, auch wenn das nicht explizit erwähnt wurde,
wohl der Seelenprüfung unterworfen hatte. Nachdem wir in der
Traumwelt seinen ungebändigten Willen beobachten konnten,
waren wir sicher, dass er weiter zuverlässig und
vertrauenswürdig war.
Als der Bericht zu unserer Rückreise und dem Brandanschlag auf
den Tempel kam, war *seine Heiligkeit* schockiert. Er berichtete von
weiteren Angriffen auf die Kirche, keiner jedoch so gravierend.
Ich beeilte mich dann ihm zu versichern, dass es seinem Bruder
weiterhin gut ging, obwohl auch das Hüter Kloster in
Gratenfels geschändet und niedergebrannt wurde. Hier regte er
sich verständlicherweise äußerst stark auf.
Seine Gnaden Praiodatus hielt eine ergreifende Rede, dass man zwar
versuchen konnte die Tempel zu schänden, aber das Licht des
Glaubens würde nicht erlöschen, solange es in den
Herzen der Gläubigen brannte.
Anschließend rief er seinen Sekretarius. Wir waren entlassen.
Emmeran begab sich zur Bernsteingasse um die dortige Gilde der
Bernsteinschneider darum zu bitten, die Augen nach ähnlichen
Bernsteinstücken wie dem unseren offen zu halten.
Seine Gnaden Praiodatus hatte ähnliche Informationen von einer
Bekannten, der Hochgeweihten Sol Invictus bekommen. Von dieser hatte er
auch Informationen bekommen, dass es Bernsteinfunde im Hohen Norden
gab. Dazu wurden dort Abenteurer für eine Mission gesucht. Das
Ganze schien mir deutlich die Anzeichen einer göttlichen
Fügung zu haben. Leider würde uns das vermutlich nach
Glyndhaven führen. Weit oben im Süden. Mich
schauderte bei der Vorstellung. So weit oben soll es wochenlang dunkel
bleiben. Wochenlang! Dazu noch die Kälte, aber die haben wir
im Weidener Winter ja auch. Nichts was passende Kleidung nicht
erträglich macht. Aber diese dauernde Finsternis…
Und dann begann auch noch jemand den Seeweg vorzuschlagen. Seeweg! Auf
Schiffen! Über all dieses kalte, finstere Wasser!
Später bekam seine Gnaden Praiodatus dann noch den Auftrag in
Aras de Mott vorbeizuschauen um dort der gemeingefährlichen
Irren Lechmin von Hardestein den Befehl zu überbringen, sich
nach Gareth zu begeben. Hoffentlich hatte man nun eine sinnvollere
Verwendung für die hochrangige Geweihte gefunden. Die
Bekehrung Ungläubiger in Myranor oder den
eigenhändigen Bau eines Tempels auf Jilaskan. Damit war der
Seeweg fürs erste vom Tisch, denn von Aras de Mott war es
kürzer über Land. Ich dankte Praios für
diese Gnade mit einem ausgiebigen Gebet im Tempel.
Während ich und Emmeran uns auf den zentralen Tempelbereich
mit unseren Gebeten an Praios beschränkten, hatten Praiodatus
und die junge Maga Yolande zwei der unbekannteren Schreine aufgesucht,
um sehr persönliche Bittgebete an die ihrer Meinung nach
dafür passenden Heiligen zu stellen.
Praiodatus stellte eine teuer aussehende große und verzierte
Kerze vor der Statue von Priesterkaiser Aldec Praiofold II. auf, dessen
Schrein über die Jahrhunderte immer weiter in die hinterste
Ecke des Tempels gewandert war. Zwar war er als Heliodan (Heilig!) von
Praios auserwählt und bestätigt, aufgrund seiner
Taten jedoch in modernen Zeiten eher unpopulär. War er doch
verantwortlich für das Erntefestmassaker und den Aufstieg der
Priesterkaiser. Wofür genau seine Gnaden den Schöpfer
der Praiokratie um Fürsprache beim Herrn des Lichts bat,
enthüllte mir seine Gnaden nicht. Und ich war klug genug nicht
zu fragen.
Yolande stellte eine schlichte Kerze vor der Statue der einst in der
Khom von Praios entrückten Amelthona Praiadne II auf. Die Maga
wagte ich zu fragen, doch erhielt ich als Antwort nur ein
geheimnisvolles Lächeln und das Versprechen, mir das in etwas
über zwei Jahren ausführlich zu erklären.
Da ich mir an seiner Gnaden ein Beispiel nehmen wollte, ging ich
später ebenfalls noch in den Schrein der Priesterkaiser, um
dort eine bescheidene Kerze für Gurvan Praiobur I. zu
entzünden. Ich bat den Priesterkaiser um Hilfe, meine
angeborene Nachsicht und Güte durch ein angemessenes
Maß an notwendiger Härte zu ergänzen. Der
Verfasser des dritten Anhangs zur Inquisitorischen Halsgerichtsordnung,
der auch als „Echsenhammer“ bekannt wurde, erschien
mir dafür angemessen.
Praiodatus Bekannte, Sol Invictus, hatte ihn gebeten sie zum
Morgengebet in der Quanionskapelle zu begleiten. Praiodadus Vorwarnung
sie nicht anzustarren oder irgendwelche Bemerkungen zu machen, waren
nicht unnötig gewesen. Gab es zwar auch in Weiden
kräftig gebaute Frauen, so mussten diese sich doch nicht
seitwärts wenden, um durch Tempeltore zu schreiten. Hier
wäre der neue Titel einer Großgeweihten, oder gar
einer Breitgeweihten angemessen.
Sie hatte Praiodatus gebeten uns, seine Reisegefährten,
ebenfalls zum Gebet mitzubringen. Das erschien mir nicht
ungewöhnlich, da ein gemeinsames Gebet vor solch einer
Pilgerfahrt üblich war. Als dann jedoch immer mehr Erzgeweihte
und hochrangige Kirchenmitglieder erschienen, wurde mir das langsam
unheimlich. Vor allem nachdem ich höflich einen Erzgeweihten
nach vorne in die erste Reihe lassen wollte, dieser jedoch
höflich, aber bestimmt ablehnte. Wir fanden uns daher als
Reisegruppe in der ersten Reihe vor dem Altar wieder und hinter uns
lauter verdächtig freundlich lächelnde
Würdenträger. Beim Militär hätte
ich nun mit einem Militärgericht gerechnet, aber das
Lächeln von Offizieren sah anders aus. Mehr Schadenfreudig und
nicht so… Erwartungsvoll?
Sodann erschien unerwartet, zumindest für uns, niemand
geringerer als der Heliodan… ich meine natürlich
seine Heiligkeit Hilberian Praiogriff II. Nuntius Luminis Sanctus,
Excelissimus, Lichteslicht, Herr der Hälse und Hände,
himmlischer Prinz der Könige und Fürsten, Richter des
Wahren Sein, Künder der Heiligkeit, Wahrer der Weltenordnung,
Marschall der Sonnenlegionen, Herr der Lüste und Lande,
Meister der göttergefälligen Inquisitio!
Er schien nicht in seinem üblichen Ornat, sondern in einer
schlichten weißen Pilgerrobe. Neben ihm gingen zwei
Erzpriester, die auf Kissen die Inquisitien…
Requisiten… Insignien seiner Macht trugen. Die Tiara und die
neun Bommel… ähm... Sphärenkugeln.
Er schritt vor dem Altar und badete im ersten Licht der Morgensonne,
das durch ein Fenster in den unterirdischen Raum drang.
Ehrfürchtig zog er eine große Schriftrolle hervor
und brachte darauf das höchste Siegel der Praioskirche an. Mit
machtvoller Stimme, die seinem unscheinbaren Erscheinungsbild
Lügen strafte, hob er zu einer Predigt an. Er wies uns an in
die Welt zu ziehen um das erlöschende Licht neu zu
entzünden. Dann nahm er uns den Pilgerschwur ab und brachte
mit eigener Hand unsere Namen auf der Schriftrolle an. Eine neue
offizielle Pilgerfahrt im Namen des Herren Praios begann.
Herr des Lichts, komm zu uns in unserer Finsternis. Lasse Dein Licht
über uns leuchten und weise uns den Weg, denn die Nacht ist
Dunkel und voller Schrecken. Vor allem im hohen Süden.