Aus dem Bericht des Praios-Geweihten Baldus Sonnenlob
Seine Erlebnisse während der Heiligen Quanionsqueste.
22. Ingerimm 1032 BF
Wir verbrachten eine Stunde mit der Diskussion, ob wir selber den Vogt
mit seinem Verbrechen konfrontieren sollten oder das der Vorgesetzten
seines Herren Gilborn, der Markgräfin von Greifenfurt Irmella
von Wertlingen melden und ihm überlassen sollten.
Seine Hochwürden Praiodatus informierte uns, dass wir nur dann
ein Kirchengericht einberufen und uns zuständig
erklären konnten, wenn weltliche Gerichtbarkeit mehr als
zwölf göttergefällige Tage entfernt war. Bei
der Reaktionszeit, die der örtliche Ritter der Motte
Dohlentrutz der Markgräfin in Anbetracht der momentanen
Umstände zugestand, war dies hier der Fall. Die
Markgräfin, deren erster Ehemann das ehemalige Schwert der
Schwerter Dragosch Corrhenstein von Sichelhofen (direkter
Vorgänger der aktuellen Ayla Armalion von Schattengrund)
gewesen war, wurde wohl schon seit 1031 BF wegen zunehmender geistiger
Verwirrtheit auf dem Boronkloster Rabenhorst im Finsterkamm betreut.
Mich erstaunte es zu hören, dass sie wohl trotzdem in
Abstimmung mit einigen Vertretern in Greifenfurt an der Regierung
beteiligt war. Ich konnte ich mir lebhaft vorstellen, dass das die
Verwaltung und Rechtsprechung dort unheimlich
„beschleunigte“!
Meiner Ansicht nach wären wir eindeutig zuständig
gewesen, wenn das Kloster bereits überfallen worden
wäre. Denn nur dann wäre ein Verbrechen gegen die
Kirche begangen worden. Als ich diese Meinung jedoch
äußerte, informierte mich seine Hochwürden,
dass sehr wohl ein schändliches Verbrechen gegen Kirche,
Praios und das Gefüge der Reichsordnung begangen worden war.
Ich kam nicht darauf, was er meinte.
Der Vogt hatte das heilige Siegel des Praios Klosters fälschen
und in Form eines Brandeisens gegen die Orks verwenden lassen. Nach
Heiligem Recht war das ein Verbrechen, dass mit mindestens 12 mal 12
Peitschenhieben und Verstoßung aus dem Adel für die
gesamte Familie zu ächten war.
Unter diesem Gesichtspunkt beschlossen wir nun doch direkt zum Vogt zu
marschieren.
23. Ingerimm 1032 BF
Vögtliches Gut Erlental
Wir kamen in Erlental an und wurden ohne Probleme direkt zum Vogt
gebracht, der uns freundlich begrüßte. Seine
Hochwürden erwiderte seine Grußworte mit einem
lauten: „Ihr seid verhaftet. Ergreift ihn.“
Bruder Emmeran und ich packten den Vogt an den Armen. Den Bediensteten
fielen schier die Augen aus dem Kopf, aber keiner wagte es der
Autorität von drei Geweihten des Herren Praios zu
widersprechen. Dazu noch in Begleitung eines Geweihten der Leuin und
zweier Magier.
Der Vogt war völlig verwirrt. Seine Hochwürden
Praiodatus fragten ihn erst, ob er sich denken konnte, wofür
er verhaftet wurde. Der Vogt verneinte.
Seine Hochwürden drohten ihm nun mit Tod und Verlust seiner
Seele für den Fall, dass er reuelos sterben würde. Er
beschrieb in unmissverständlichen Tönen, die
schrecklichen Qualen die ihm drohten.
Tankred begann ihn zu verteidigen, da er offensichtlich völlig
überzeugt war, dass der Vogt die Wahrheit sagte und
tatsächlich unschuldig war. Offensichtlich fehlte ihm die
Expertise und göttliche Erleuchtung, die uns Geweihten
eindeutig zeigte, dass der Kerl log.
Jedes Mal, wenn einer meiner Gefährten dem Vogt einen Rat gab
(meist den zu gestehen, bevor er gefoltert werden musste),
verkündete seine Hochwürden, dass man zu Protokoll
nehmen möge, dass dem Angeklagten in advokativer Weise
Unterstützung zuteilwurde.
Der Vogt gestand widerwillig seine Unterstützung der
Räuber. Auf die Frage seiner Gründe, zögerte
er.
Tankred war schockiert.
Seine Hochwürden ließ mich die Instrumente
für die hochnotpeinliche Befragung präsentieren. Dazu
bat ich meine Gefährten ein Brandeisen vorzuheizen.
Endlich brach der Vogt zusammen und gestand alles. Er hatte die
Bevölkerung mit Hilfe der Räuber ausgepresst und
unterdrückt, mehr noch als ihm vom Stand her zustand. Als die
Praiosgeweihten im Kloster begannen, mit ihrem üblichen
aufrührerischen Reden Unruhe unter der Bevölkerung zu
verbreiten, fürchtete er, dass sein Vorgesetzter auftauchen
und für Ordnung sorgen könnte. Und dann
würde er sich sicher auch des Räuberproblems
annehmen. Er beschloss daher, das Kloster zu beseitigen.
Der Angeklagte verzichtete nach Belehrung über die
Rechtsfolgen auf die Möglichkeit der Revision durch den Boten
des Lichts.
Nach reiflicher Überlegung verurteilte seine
Hochwürden den Vogt zu Geißelung, einer Pilgerreise
zum nahen Kloster Arras de Mott und dort lebenslanger Einkerkerung in
Gebet und Buße, bis zum Tode oder der Begnadigung durch einen
Hochgeweihten.
Ich leitete ihn später noch zu einem Gebet der
Schuldanerkennung an.
25. Ingerimm 1032 BF
Arras de Mott
Singend marschierten wir in das Kloster ein. Wir informierten die
besorgten Geweihten, dass der Angriff der Orks verhindert wurde.
Preiset Praios schützende Hand!
Ein einfacher Geweihter führte uns zu Illuminata Lechmin
Lucina von Hartsteen. Als wir über den Hof des vielfach
leidgeprüften Klosters schritten, bemerkte ich viele
neugierige Blicke, von denen mehr als nur einer auch verärgert
oder gar besorgt wirkte. Für mich war das eindeutig der
Beweis, dass man hier Sorgen mit unserer Ankunft verband. Damit war
nach althergebrachtem Recht die Schuld praktisch erwiesen. Wer sich
selbst schuldig findet, den wird der Richtspruch des Herrn doppelt
treffen. Denn er hat nicht nur gegen das Recht, sondern auch gegen das
eigene von Praios gegebene Gewissen gehandelt.
Die Illuminata war mit Ende Zwanzig deutlich jünger als ich
erwartet hatte. Blond, lebhaft und durchaus charismatisch.
Es folgte ein höfliches, aber von scharfen Untertönen
durchsetztes Streitgespräch zwischen Lechmin und Praiodatus
zum Thema wem das Kloster nun gehörte. Seine
Hochwürden war der Ansicht, dass der Hüter Orden
seinen Anspruch nie aufgegeben hatte, auch wenn die Geweihten damals
das Kloster verlassen hatten. Lechmin dagegen sah diesen Auszug als
Aufgabe des Besitzanspruches, den sie seinerzeit im Rahmen Ihres Amtes
als Illuminata von Greifenfurt danach rechtmäßig
übernommen hatte und sah nun offenbar immer noch sich und ihre
Bande von Aufrührern als die rechtmäßigen
Besitzer des Klosters.
Ich stellte im Verlauf des Gespräches fest, dass Lechmin nie
der Titel einer Klostervorsteherin oder Ordensmeisterin verliehen
worden war, wie ich bisher immer vermutet hatte. Ebenfalls wunderte ich
mich, dass Sie immer noch als Illuminata angesprochen wurde. War das
denn nicht der Titel den der Vorsteher einer Lichtei (in Ihrem Fall
Greifenfurt) trug? Aber das war sie doch gar nicht mehr? Konnte sie
denn gleichzeitig Illuminata und doch nicht Illuminata sein? Ich nahm
mir vor seine Hochwürden Praiodatus danach zu fragen. Zur
kurzfristigen Lösung eines vorrangigen Problems, erschien mir
ein Bier aber dringlicher zu sein.
Später gingen wir in die Mensa und begannen ein
Gespräch mit den anwesenden Geweihten, um ein Gefühl
für das Ausmaß ihrer Häresie zu bekommen.
Einige der Argumente fand sogar ich verführerisch
überzeugend. Erst nach längerem Nachdenken wurde mir
klar, dass sie immer die klarsten Beispiele für das
menschliche Versagen von gierigen Adeligen herausholten. Auch wenn
Praios Recht göttlich inspiriert ist, kann doch kein Gesetz
die menschlichen Fehler gänzlich ausmerzen. Die freie
Selbstbestimmung, welche die Götter allen denkenden Wesen
zugestehen, ermöglicht immer auch Unrecht, Fehler und
Irrtümer. Doch die von Praios gegebene Ordnung würde
stets dafür sorgen, dass früher oder später
jedes Fehlverhalten durch SEINEN Willen bestraft wurde. Wohin es
führte, wenn sich das Volk selbst aufschwang
„Gerechtigkeit“ durchzusetzen, hatten wir in der
Vogtei Nillsitz auf Burg Trollpforz eindringlich gesehen. Allerdings
schien es den Häretikern nicht nur die Frage Recht und
Gerechtigkeit zu gehen, sondern sie brachten auch die Frage der
Wahrheit auf den Tisch. Insbesondere wagten es einige besonders
Verstockte sogar, der heiligen Mutter Kirche Lüge und
Vertuschung vorzuwerfen und brachten dafür die vermeintlichen
„Verbrechen“ der Lichtboten während der
Priesterkaiserzeit auf den Tisch, darunter auch die Massaker an der
Rondrakirche, die zu Beginn ihrer Herrschaft bedauerlicherweise
geschehen waren. Diese Anmaßung brachte sogar den sonst so
beherrschten Bruder Praiodatus kurzzeitig in - dem Herrn
gefälligen – heiligen Zorn. Allerdings wandte zu
meiner völligen Verblüffung Ulfried dagegen ein, dass
er einige der Argumente durchaus nachvollziehen konnte. Und noch viel
schlimmer: Bruder Emmeran schien sich für einige der Punkte
der Bekenner auch erwärmen zu können!
Darüber war ich nun wirklich entsetzt. Ich nahm mir vor, ihn
mir einmal ordentlich zur Brust zu nehmen.
26. Ingerimm 1032 BF
Zur dunkelsten und vom Licht des Herrn am weitesten entfernten Stunde
der Nacht, wurde ich von einem unheimlichen Gefühl der
Bedrohung aus meinem wohlverdienten Schlaf gerissen. Verwirrt sah ich
mich in dem einzeln stehenden Nebengebäude, in dem wir alle
untergebracht waren, um. Fades Sternenlicht fiel durch die hohen
Fenster, so dass nur schummrige Umrisse zu sehen waren. Ein
Gefühl der Kälte zog durch den Raum und auch meine
Gefährten erwachten. Raureif überzog vor unseren
ungläubigen Blicken die Wand.
Dann erschien mit einem Aufreißen der Sphären und
dem Geruch nach Schwefel ein Dämon mitten im Raum. Eine
geflügelte Kugel, ähnlich des niederen Gotongi, nur
dass es statt eines riesigen Auges einen großen Mund
besaß. Ich zog den Sonnensturm und begann ihn langsam zu
schwingen. Bevor ich zum Angriff übergehen konnte, erklang
jedoch die Stimme des Dämons. Er sprach Bruder Emmeran direkt
an und seine Worte ließen mich inne halten, wollte ich doch
die ganze Botschaft hören, die der Dämon hier im
Originalton seines Beschwörers überbrachte:
„Hallo mein lieber Emmeran,
na wie geht es Dir kleiner Bruder? Du wirst Dir sicherlich vorstellen
können wie – überrascht – ich
war, als einer meiner „Handlungsreisenden“ mir die
Verblendeten beschrieb, die das gesegnete Werk behinderten, zu dessen
Behufe ich sie nach Gratenfels geschickt hatte. Schließlich
vermeinte ich Dich doch gut verwahrt in einem finsteren feuchten Kerker
in Yol-Ghurmak. Zumindest aber hätte ich stattdessen doch
erwartet, dass Du als bleicher Alrik im Gefolge eines namenlosen
Nekromanten durch die Lande ziehst – wie unsere lieben Eltern
– nebenbei bemerkt.
Aber was muss ich zwischen den Schmerzensschreien meiner Versager
erfahren? Nicht nur, dass Du miese Kröte noch lebst, nein Du
weinerliche Niete hast Dich wie unsere Fotze von Hurenmutter in die
Arme des größten Schwächlings geworfen, den
Du finden konntest! Ein Pfaffe der fahlen Funzel? Ernsthaft?
Amazeroth wirf Hirn vom Himmel!! Habe ich Dir denn gar nichts
beigebracht? Aber Du warst ja schon
immer ein jämmerlicher Versager. Warte nur, bis ich Dich zu
fassen kriege, dann wirst Du sehen, was Dir deine Fehler einbringen
werden. Leiden wirst Du… leiden…. um Gnade wirst
Du flehen, während Du deine Innereien aus dem Leib
hustet…. Und brennen wirst Du, brennen….
Brennen…. BRENNEN…
(unverständliches Gelächter)
Hüstel… nun, wo war ich… Also kleiner
Bruder, fast wäre ich verärgert gewesen, dass Du und
Dein Geschmeiß euch in die Reinigung des
Götzenpfuhls in Gratenfels einmischen wolltet. Aber
schließlich wart ihr ja nicht erfolgreich. Wie hätte
es auch anders sein sollen?! Das Werk des Rächers der
wabernden Lohe können weder Du, noch der Rest eures
schwächlichen Haufens von Kirche aufhalten. Aber versuch es
ruhig, es wird mir ein Vergnügen sein, Deine Hoffnungen in
kleine Fetzen zu reißen. Wir werden uns auf jeden Fall
wiedersehen, kleiner Bruder, bevor ich die Herrschaft des Sehenden
Sohns in der Dritten Sphäre aufrichte.
Hochachtungsvoll
Tykrador von Yol-Ghurmak
Ergebener Diener des Gubernators von Kholak-Kai und Oberhaupt der Manus
Vindicate
Post Scriptum: Wie hat Dir eigentlich meine Verschönerung der
Mutter Oberin des Hütersaustalls auf dem Greifenpass gefallen?
Schlussendlich hat auch die gute Ackerknecht die Wahrheit der Dinge
erkannt und um ihr wertloses Leben gebettelt. Um Gnade, die Diener des
dunklen Herrn? Kannst Du Dir sowas vorstellen? Ich musste fast lachen
als mir meine Agenten davon berichteten. Nun, auf jeden Fall konnten
sie nirgends in ihr eine Spur eurer fahlen Funzel entdecken, egal wie
viele Teile sie ihr aus dem Leib gezogen haben. Aber nun gut, ich werde
weitersuchen, es hat ja noch genügend von euch. Bis zum
nächsten Mal und jetzt viel Spaß!“
Dann verschwand der Dämon mit einem weiteren
Aufreißen der Sphären. Als Abschied wirkte er jedoch
noch einen Zauber, den unsere Magier schnell als Pandämonium
identifizierten. Schwarze bluttriefende Hände und gierige
Mäuler wuchsen aus Wänden und Boden und griffen und
geiferten nach uns. Henkerstricke aus dämonischen
Gedärmen wuchsen aus der Decke und versuchten uns zu
ergreifen. Unter der geballten geweihten Macht unserer Waffen verging
der Zauber jedoch schnell.
Emmeran stand da wie vom Blitz gerührt. Als er sich von seiner
Überraschung erholt hatte, berichtete er uns von seiner Jugend
in den Schwarzen Landen und seinem grausamen Bruder Tykrador, der sich
damals noch Hesindian genannt hatte. Emmeran hatte gewusst, dass dieser
das magische Talent hatte, aber seit dessen Studium bei einem dubiosen
Privatgelehrten, und seinem eigenen Studium an der Kriegerakademie in
Baliho, hatte er ihn nur noch selten gesehen, bis er im Zuge des Jahres
des Feuers dem Feind in die Hände gefallen war. Das letzte Mal
war Emmeran seinen Bruder in Yol-Ghurmak (dem ehemaligen Ysilia)
begegnet, als dieser sich dem Dämonenkaiser angeschlossen und
ihn mehr als nur einmal schwer gefoltert hatte. Seitdem Emmeran auf der
fliegenden Festung eingekerkert worden und schließlich
über Gareth abgestürzt war, hatte er seinen
verräterischen Bruder nicht mehr gesehen. Spätestens
als er sich dem Götterfürsten zugewandte, war sein
Bruder vermeintlich nur noch Teil seiner Vergangenheit gewesen.
Und nun war dieser Tykrador auch noch der Anführer der Manus
Vindicate, der“ Hand der Rache“. Dies waren die
Kultisten, zu deren Untaten uns Praios lenkende Hand in den letzten
Wochen und Monaten immer wieder geführt hatte. Ich hatte das
ungute Gefühl, dass wir – ganz wie dieser Tykrador
es angekündigt hatte – von diesem nicht das letzte
Mal gehört hatten. ABER SOLLTE ER DOCH KOMMEN!