Aus dem Tagebuch der Magierin Yolande Silbersaite

28. Ingerimm 1032 BF

Das gefundene Arkanum dicht an sich gepresst, diskutierte Tankred mit seiner Hochwürden Praiodatus und Baldus, welche Canti und Möglichkeiten aus diesem Werk ableiten ließen. Tankred sagte, dass sich die darin verzeichneten Dämonennamen hervorragend dafür eigneten, ihre Austreibungen zu lernen und sehr effektiv vornehmen zu können. Seine Hochwürden fragte hier sehr genau nach. Tankred musste zugestehen, dass auch die Beschwörung selbiger Wesenheiten sich aus dem Buch lernen ließe. Doch seine Hochwürden war zufrieden mit der Versicherung von uns beiden, dass dies auf gar keinen Fall in unserer Absicht läge. Er stellte uns im Namen des Hüterordens - dem das Buch seiner Meinung nach schlussendlich auch gehörte - kurzerhand einen Dispens für das Buch aus, siegelte ihn in Ermangelung von Wachs nur mit dem Abdruck seines Rings und übergab ihn dann Tankred.

Dann wurde ich etwas übereifrig: Ich versicherte seiner Hochwürden, auf keinen Fall meine Elementarkräfte einbüßen zu wollen, etwas, was bei Dämonenbeschwörung mit Sicherheit geschehen würde. Daher sei ich auf jeden Fall gegen die Verlockungen der Dämonologie gefeit. Seine Hochwürden guckte etwas verdutzt und fragte nach.

„Na, die Kräfte, die ich auch gegen die Spinnen eingesetzt habe, die natürliche Rüstung, die Ihr gesehen habt.“ Aufgrund seiner Reaktion fiel mir auf, dass er meine Humushaut noch gar nicht tatsächlich gesehen hatte. Nun ja, da er sie vermutlich im nächsten Kampf zu Gesicht bekäme und ich diesen bereits in der nächsten Höhle vermutete, zeigte ich ihm kurz, was ich meinte. Seine Hochwürden schreckte wie erwartet etwas zurück. „Habt Ihr das schon einmal untersuchen lassen?“

Meine Güte, das sind Elementarkräfte! Immer wittern die Diener des Herrn Praios hinter jeder ungewöhnlichen Magie sofort Dämonenwerk, so langsam nervt es! „Nein“, antwortete ich wahrheitsgemäß, „bisher nicht. Immerhin hat mir Fuldigor selbst die Kräfte gegeben.“ Nun sackte seiner Hochwürden die Kinnlade runter. „Ful-di-gor?“

Oh Mist, das stimmte nicht einmal! Ich beschloss, den Irrtum richtig zu stellen: „Halt, nein, ich erzähle Quatsch, das war nicht Fuldigor! Es waren die Elementarherren“ Die Kinnlade seiner Hochwürden verblieb auf bisheriger Höhe. „Die… Elementar… herren“ Ich nickte zustimmend. „Genau!“ Seine Hochwürden schüttelte den Kopf. „Ich muss noch unter Einfluss des Spinnengiftes stehen!“ An Baldus gewandt sagte er: „Schreibt diese Punkte für ein späteres Gespräch auf: Fuldigor und Elementarherren“ Wie der Quartiermeister der Akademie immer zu sagen pflegte, wenn er jemanden beim wieder reinschleichen erwischte: Das wird noch ein interessantes Gespräch geben!

Auf einmal wurde seine Gnaden Emmeran unruhig: „Ich spüre leichte Erschütterungen!“ – „Kommt es näher?“ – „Ja! Macht euch besser kampfbereit!“

Wir wechselten in die letzte Höhle. Inzwischen vibrierte der Boden deutlich stärker. Aus einem der Gänge, die wir noch nicht erforscht hatten, weil er deutlich zu eng dafür war, leuchtete es hell. Auch schlug uns von dort eine ungewohnte Hitze entgegen. Tankred fragte in die Runde, ob das vielleicht ein Drache sein könnte. Aber der würde sich nicht durch einen viel zu engen Gang quetschen wollen. Das läge doch deutlich unterhalb der Würde eines jeden Drachen!

Inzwischen vibrierte die ganze Höhle; kleinere Brocken lösten sich von der Decke. Ich zauberte auf mich einen leichten Armatrutz und aktivierte die Humushaut. Hatte ich nicht gesagt, der nächste Kampf wäre nicht fern? Nicht auszudenken, wenn unser Hochwürden jetzt plötzlich mit einem gellenden „DÄMONENWERK!“ von mir weichen würde!

Dann brach etwas durch die Wand und erweiterte so den Gang. Ein weißer Wurm, etwa einen Schritt im Durchmesser und vielleicht fünf Schritt in der Länge mit Tentakeln am Zähne starrenden Maul. Sofort fiel mir die Erzählung über den unheiligen Archohobai ein, den die Gezeichneten auf Maraskan besiegt hatten. Ich wirkte einen Occulus. Erstaunlich, das Vieh war entweder nicht magisch oder verwendete einen Verhehlungszauber! Ich informierte kurz die anderen: „Nicht magisch!“

Seine Gnaden von Sturmfels stellte sich nach links der Kreatur entgegen, dahinter Tankred. Baldus trat mit seinem dicken Schild in die Mitte, dahinter begab ich mich. Und seine Gnaden von Böcklingen stellte sich rechts neben ihn, dahinter stand seine Hochwürden. Unsere beiden praiotischen Kämpfer in der ersten Reihe hatten eine goldene Rüstung gewirkt.

Der nun folgende Kampf spielte sich in Windeseile ab: Während sich Baldus und seine Gnaden von Böcklingen darauf konzentrierten, nicht getroffen zu werden, schlug seine Gnaden von Sturmfels ohne Rücksicht auf seine Deckung mehrfach hart zu. Der Wurm brüllte auf vor Schmerzen, worauf auch Baldus und seine Gnaden Emmeran ihre Taktik änderten und es unserem Rondrianer gleichtaten. Nach wenigen Hieben war der Kampf vorbei, und die Überreste des Wurms glommen sanft aus.

Das Auftauchen des Wurms hatte mich neugierig gemacht: Verdaute er das Gestein und ließ fruchtbaren Humus zurück? Oder zerkleinerte er es nur zu feinem Kies? Neugierig trat ich an die aufgeschlitzten Gedärme des Wurms heran und betrachtete sie genauer. Ich erkannte den Aufbau als Ringaufbau, das heißt, wie auch bei Regenwürmern war der Körper in einzelne Ringe unterteilt, die voneinander getrennt weiterleben konnten. Auf einen Blick konnte ich den Darm und die Muskeln erkennen, mit denen er sich durch das Gestein bewegte. Doch wo kam diese Hitze her? Und wie konnte er dann Flüssigkeit im Leib behalten?

Neugierig schob ich einzelne Fleischlappen mit dem Stab beiseite, um einen besseren Blick auf seine Innereien zu bekommen. Doch bevor ich den Leib zur Beantwortung der Fragen genauer untersuchen konnte, hörte ich Baldus‘ Stimme: „Iiih, das sind doch nur seine Gedärme und Wurmscheiße! Das ist eklig, lass das doch!“

Banause, diese Praioten hatten keinen Sinn für wissenschaftliche Untersuchungen!

Zunächst folgten wir der Spur im Gestein, die der Wurm gelassen hatte. Doch sehr bald wurde klar, dass sie mit dem Höhlensystem nichts zu tun hatte, daher verließen wir diese recht enge Spur wieder und gingen zurück zur letzten Höhle. Dort befand sich ein See. Nach einem kurzen Geschmackstest – das Wasser schmeckte eher abgestanden – war klar, dass es sich um ein Gewässer ohne klassischen Zu- oder Abfluss handelte.

Tankred und seine Gnaden von Sturmfels wollten den See erkunden. Auf Bitte Tankreds hin zündete ich einen Flim-Flam unter Wasser, sodass die beiden sehen konnten, wohin sie wateten. Es stellte sich heraus, dass das Wasser kalt war, aber maximal hüfttief wurde. Schließlich wateten die beiden ins Dunkel in, wie sie später erzählten, eine weitere Höhle. Dort wurden sie von einem Rieseninsekt angegriffen, das vom Körperbau her einem drei Schritt großen Labidura riparia, also einem Sandohrwurm, entsprach. Bei dieser Größe wäre ich mir aber über eine tatsächliche Verwandtschaft nicht ganz so sicher.

Tankred ließ sich jedenfalls nach hinten fallen, damit seine Gnaden über seinen Körper springen konnte, den Schild voraus. Doch er blieb im Sprung hängen und knallte der Länge nach zwischen Tankred und den Ohrwurm auf den Bauch. Diese Schwachstelle nutze der Wurm sofort und biss zunächst in den Rücken des Rondrianers.

Davon hörten aber wir anderen, die wir am Rand des Sees stehen geblieben waren – Baldus, von Böcklingen, seine Hochwürden und ich – erstmal nichts. Dann hatte seine Gnaden von Böcklingen wohl den Kampflärm gehört und verschwand mit einem „Da ist was!“ in die Dunkelheit. Nun standen also nur noch drei am Ufer des Sees und wussten immer noch nicht was passierte. Männer….. typisch!

Im Nachhinein bin ich überrascht, dass Fuldigor und die Elementarherren dabei nicht nicht zur Sprache kamen.

Unterdessen hatte sich – wie wir später erfuhren - der riesige Ohrwurm in Tankred verbissen und schob ihn den Gang entlang aus seiner Höhle hinaus. An der Stelle hörten dann auch wir den Kampflärm und eilten in Richtung des Kampfes.

Tankred jagte unterdessen dem Wurm zwei Ignifaxius-Flammenlanzen direkt in den Schlund. Doch erst nach der zweiten ließ der von ihm ab und rannte zurück in seine Höhle – direkt auf seine Gnaden von Sturmfels zu. Der versuchte den Ansturm mit seinem Schild zu blocken, hatte der Kraft des Wurms – der wohl an die 500 Stein wog – aber nichts entgegen zu setzen und wurde daher zurück in die Höhle geschoben. Kurz, bevor der Wurm in der Höhle eintraf, gab ihm der Rondrageweihte mit einem „Rondra hilf!“ den finalen Hieb. Die Höhle des Riesensandohrwurms hatte nichts Interessantes zu bieten. Da sie außerdem eine Sackgasse war, gingen wir in den letzten verbleibenden Gang aus dieser Höhle.

Dieser mündete in eine weitere Höhle. Dort sahen wir mehrere riesige teilweise bis zu fünf Schritt große Pilze, die bis zur Decke gingen, Tiefenschirme. Baldus versuchte, ob die Pilze eventuell essbar wären. Er zückte sein Messer und versuchte, sich ein Stück herauszuschneiden. Doch die Stämme waren viel zu dick und die Außenseiten zu verhornt. Baldus gab noch nicht auf – mit einem heftigen Hieb seiner Ochsenherde löste er eine Sporenwolke aus den Lamellen über ihm. Aber mehr als ein heftiger Hustenanfall kam dabei nicht heraus. Der Hieb hatte nur eine leichte Delle im Pilz hinterlassen.

Durch die Höhle hindurch kamen wir in die nächste. Bereits am Höhleneingang blieb seine Gnaden von Sturmfels unvermittelt stehen und rief: „Achtung! Lockmittel!“ Doch es half nicht: Tankred schien sich von dem Geruch gewaltig verwirren zu lassen. Und auch bei mir traf der Geruch eine Stelle, die ich nicht vermutet hätte: Ich spürte, dass ich schon viel zu lange von Ardo getrennt war, in mehrfacher Hinsicht! Intensiv sog ich den Geruch ein, um die Erinnerung an diese Momente, die mitunter „schöne Stunden“ genannt werden, zurückzuholen. Seine Gnaden von Sturmfels versperrte mir jedoch den Weg mit dem Schild, Baldus und seine Gnaden von Böcklingen hielten mich zunächst fest. Das entriss mich nicht aus meinen Tagträumen. Doch nun konnten wir gemeinsam die Höhle betreten, ohne dass ich kopflos voranging.

Die Höhle war eine Sackgasse. Zehn Moschuslurche befanden sich dort. Sie bemerkten uns und griffen an. Und ihr wahrhaft betörender Geruch ließ meine Gedanken immer wieder zu anderen Dingen wandern. Der Magierstab in meiner Hand war fast so hart wie… AUA! Verdammtes Vieh, einer der Lurche hatte mich ins Bein gebissen! Ich konnte kaum parieren, geschweige denn zaubern oder meine Humusfertigkeiten nutzen, und auch die anderen hatten mit der Übermacht und dem betörenden Geruch teilweise ihre liebe Mühe. Seine Gnaden von Böcklingen war bald schon zu Boden gegangen, Tankred und Baldus sahen schon reichlich angeknabbert aus und seine Hochwürden Praiodatus hatte begonnen zu beten. Hatte der so wenig Vertrauen in seine Gnaden von Sturmfels und die Herrin Rondra? Doch nein: Er hatte genau den richtigen Gedanken. Seine Worte waren weise gewählt:

„Hoher Branibor, hilf! Wenn wir in uns keine Ruhe spüren, Finsternis die Herzen bedrängt, dann lass uns erkennen, dass das Licht der Wahrheit nicht durch niedere Anwandlungen getrübt werden kann.
Beschirme unsere Seelen mit Deinen starken Schwingen, dass sie nicht schwanken, noch zagen, noch zweifeln! Es sei!“

Plötzlich verschwand die Ablenkung. Fast augenblicklich aktivierte ich meine Humushaut und schaffte es, den Rest des Kampfes aus dem Maul der Viecher zu bleiben. Nach relativ kurzer Zeit waren nun alle Moschuslurche erschlagen.

Auch diese Höhle bot nicht viel – Skelette und andere Überreste der Lurche und ihrer Beute. Der einzige Ausgang brachte uns durch die Höhle mit den Tiefenschirmen zurück in die erste Haupthöhle. Damit hatten wir das komplette Höhlensystem unterhalb von Arras de Mott erkundet und deutlich befriedet.