Aus dem Tagebuch des Magus Consultatoris Rodrik Bannwäldner
Beratender Magus zu Fragen schwarzmagischer Phänomene und
deren Bekämpfung
Praios 1029 BF
Punin
Selindian Hal stirbt und kehrt nach fünf Tagen von den Toten
zurück… Und wenn ich versuche einen Dispens
für die Erschaffung eines minderen Untoten zu bekommen, kann
ich erst mal zwei Wochen für einen alten vertrottelten Magus
die Bibliothek umräumen und werde von drei hochrangigen
senilen Bürokraten zu meinen genauen Absichten
gelöchert.
Ich halte ja auch nichts davon eine Frau auf den Kaiserthron zu lassen,
aber das war nun wirklich frech. Irgendwann werden die doch merken,
dass der neue Kaiser merkwürdig riecht…
Egal. Nächste Woche wird er erst mal König und dann
gibt’s eine Woche Volksfest.
Ich sollte demnächst lieber abreisen. Mein Zweitstudium ist
beendet und der Kurator wird schon misstrauisch wo einige
Bruchstücke der Dämonenarche Schwarzer
Borkenkäfer abgeblieben sind die damals bei Ysilia vernichtet
wurde.
Rondra 1029 BF
Laut dem Aventurischen Boten haben die Zwerge jetzt eine Heldenzeit
ausgerufen. Jetzt?!? Wo waren die eigentlich während der
Dämonenschlacht? Naja... vermutlich habe ich die Kurzen
einfach übersehen.
Boron 1029 BF
Bin ich froh hier unten im Süden zu sein. Wenn ich die
Geschichten der Händler und Reisenden aus Weiden und dem
Bornland im Gasthof so höre, muss das tatsächlich
einer der übelsten und kältesten Winter seit
Jahrzehnten sein.
Mein Antrag auf einen Dispens der Akademie für
Untotenerhebungen zu Forschungszwecken wurde schon wieder abgelehnt.
Jetzt reicht’s mir. Sobald es wärmer wird ziehe ich
um. Das beweist wieder, nie fragen, einfach machen. Entschuldigen geht
einfacher als um Erlaubnis bitten.
Peraine 1029 BF
War doch eine gute Idee noch etwas abzuwarten. Gerade kam die Nachricht
dass die Streiterei zwischen Rohaja und Answin endlich ein Ende hat.
Kurz soll sogar der alte Kaiser Hal aufgetaucht sein. Naja,
wer’s glaubt. Klingt eher so als hätte jemand
nochmal die gleiche Nummer wie bei Brin in der Dämonenschlacht
abziehen wollen.
Yondalf, ein Soldat der sich jetzt hier in Punin als Akademie-Gardist
bewirbt, weil er als Soldat auf Answins Seite im Mittelreich keine
Zukunft mehr sieht, hat erzählt, er hätte den neuen
zweiten Hofmagus Travin Gerdenwald in der Schlacht in der Nähe
der drei Kaiser gesehen. Ein Schelm wer Böses dabei
denkt…
Werde ihm heute Abend noch ein paar Bier ausgeben und mir die
Geschichte nochmal erzählen lassen. Vor allem der Teil mit
Rhazzazzor ist mehr als episch.
Ingerimm 1029 BF
Gareth, Südviertel
Der Umzug nach Gareth ist endlich abgeschlossen. Ich habe ein kleines
Haus im Südviertel gemietet. Ich vermisse die Leibdiener die
mir Salpikon Savertin während meiner Studien in Mirham zur
Verfügung gestellt hat... und die Liebessklavin. Klar wollte
er nur an meine Notizen und Erinnerungen über Rotauges
Forschungen über die Kristallomantie und das Liber Zhammoricam
per Satinav herankommen, aber es war trotzdem eine wirklich nette Zeit.
Und sein Gold finanzierte mein Zweitstudium und meine aktuellen
Forschungsprojekte.
Forschen kann man ja aktuell kaum in Ruhe. Kaum verlasse ich mal das
Haus, reden alle nur noch über den „Großen
Hoftag“, „die Ochsenbluter Urkunde“, die
Auflösung Darpatiens und die Gründung von Rabenmark,
Traviamark und der Wildermark.
Und die Edelgrafschaft Perricum wurde in eine Markgrafschaft
umgewandelt. Wen bei Tlalucs rauchenden Fürzen interessiert
das?!? Und was ist überhaupt der Unterschied zwischen... ach
egal.
Zurück zu interessanteren Themen: Wie erhofft liegen hier
überall im Umfeld noch Trümmerstücke von
Kholak-Kai, der fliegenden Festung herum. Der Anteil an
Hölleneisen ist allerdings in den Felsen fast nicht messbar.
Die richtig interessanten Stücke wurden leider längst
größtenteils beseitigt. Ich werde versuchen Kontakte
zu Sammlern und unabhängigen Forschern zu bekommen, die sich
sicher einiges an Material besorgen konnten. Was wohl aus diesen
Endurium Golems geworden ist die Galotta angeblich bei sich hatte?
Schwierig danach zu fragen ohne alle anderen in Gareth gleich auf die
Idee zu bringen selber danach zu graben.
Rahja 1029 BF
Gareth ist einfach zu groß! Es dauert einen ganzen Tag weit
genug aus der Stadt zu marschieren damit man unbemerkt einen Brief
absenden kann. Könnte mich ohrfeigen, dass ich in Punin nicht
daran gedacht habe den Nuntiovolo-Cantus zu lernen. Jedes Mal einen
Difar zu beschwören, wenn ich meinem Freund Magister Baradras
in Yol-Gurmak einen Brief senden will, ist eine völlig
unnötig hohe Investition an astraler Kraft. Er lässt
seine Nachrichten ebenfalls im Osten der Stadt in der knorrigen Eiche
hinterlegen. Bei der Gelegenheit habe ich hier auch meinen Insektenring
und die übrigen Stücke
Ma’hay’tamin-Holz in einem hohlen Baum versteckt.
In der Südstadt wird einfach zu viel gestohlen.
Habe ihn in meinem letzten Schreiben in seinem Bestreben
bestärkt den Haselbusch Cantus zu optimieren. Wenn man das
lästige Merkmal des elementaren Humus durch die manipulative
Kraft Agrimoths ersetzt, dürfte man die lästigen
dokumentierten Einschränkungen umgehen können und
nutzlosen Pflanzen auch schicke geradlinige Formen geben
können. Warum Bäume sägen, wenn man gleich
gerade Bretter wachsen lassen kann? Oder gleich einen Stuhl. Oder den
vierarmigen Humanoiden aus Holz den ich für meinen Golem
Entwurf 124.k brauchen würde.
Dämonisch verformtes Holz dürfte die
heptasphärischen Kräfte der Golem-Belebung auch viel
besser annehmen als natürliches Holz. Der Difar sah mich zwar
etwas mürrisch an, gehorchte aber meinem Willen und raste mit
Schriftrollen voller Notizen und Entwürfe unter beiden Armen
davon.
04. Rahja 1029 BF
Nach längerer Zeit habe ich endlich wieder Zugriff auf Feder,
Tinte und mein Tagebuch! Bei Nandus und Rohal!
Ich hatte mit meinem Leben schon fast abgeschlossen. Aber am besten
beginne ich damit erst einmal den fehlenden Zeitraum nachzutragen:
Im Peraine 1029 BF wurde ich rüde geweckt als meine
Wohnungstür im Stockwerk unter meinem Schlafgemach eingetreten
wurde. Mein Diener Yorik stürzte sich natürlich
sofort auf die Eindringlinge wie ich aus den überraschten
Rufen erkennen konnte. In Anbetracht der Anzahl der Stimmen im
Erdgeschoss beschloss ich den klügeren Weg der Tapferkeit zu
nehmen. Der vorbereitete Fluchtweg über die Dachluke
führte mich aufs Dach von wo ich mich über fast
unpassierbar enge Gasse zum Nachbarhaus hinüber
flüchten wollte. Ein Zauber traf mich noch an der Dachkannte
und als ich überraschenderweise unverletzt und unbeweglich auf
der Straße aufschlug, fand ich mich einem kompletten Trupp
Weißmagier in strahlend weißen Roben wieder. Pfeile
des Lichts! Und ich war bereits paralysiert bevor ich auch nur daran
denken konnte magischen Schild und Schutz um mich aufzubauen.
Hilflos musste ich paralysiert mitansehen wie meine
Forschungsunterlagen eingepackt wurden. Mein treuer Diener Yorik, der
mir die elenden Arbeiten wie Abwasch und Staubwischen abgenommen hatte,
wurde von einem eilig herbei gerufenen Boroni unter liturgischen
Gesängen mit Graberde beworfen und brach klappernd und leblos
zusammen.
Hatten die überhaupt eine Ahnung wie schwer es gewesen war, in
Gareth an einen kompletten Goblinkörper zu kommen? Wie lange
es gedauert hatte, die Knochen einzeln zu polieren und mit
alchemistischen Tinkturen zu konservieren? Hatten diese Barbaren keinen
Respekt vor dem kreativen Aufwand den es gefordert hatte, eine Erhebung
zum Untoten durchzuführen, in der diesem die
Fähigkeiten zum Führen eines Haushaltes verliehen
wurden? Die Präzision mit der die Fingerknochen hatten
platziert werden müssen, um ihm eine ausreichende
Fingerfertigkeit zu verleihen?
Würdelos wurde ich auf ein Pferd geworfen und in den
Kaiserlichen Kerker gebracht, wo man mich mit eisernen Hand- und
Fußfesseln, einer Praioskrause und
großzügigen Mengen flüssigen Bannstaubes
meiner Fähigkeiten beraubte.
Die Anklageschrift umfasste ganze vier Seiten und warf mir die
Vorbereitung verschiedenster verbotener Handlungen, Kommunikation mit
reichsfeindlichen Subjekten, Besitz unerlaubter daimonider Substanzen,
Besitz und Studium von Büchern die von Gilde und Kirche unter
Bann gesetzt waren, Besitz verbotener alchemistischer Zutaten und
Ähnliches vor.
Etwas kritisch waren die Berechnungen mit denen ich prüfen
wollte wie viele Blutopfer für die Erschaffung eines
Riesen-Golems notwendig sein würden, aber hier konnte ich
unter jedem magischen oder liturgischen Zwang
wahrheitsgemäß angeben, dass ich niemals vorgehabt
hatte selbst derartiges zu versuchen. Ich meine... Blutopfer? Bin ich
ein Paktierer oder ein Gezeichneter oder was? Die Anklage wegen
Beihilfe zu Blutzauberei auf dem vorletzten Aventurischen Konvent
reichte mir völlig.
Alles also Dinge für die ich sicher mit Disvocatio und
Disliberatio, schlimmstenfalls mit Expurgio, dem Rauswurf aus der Gilde
davon gekommen wäre. Aber der Punkt: „Nekromantie,
Erschaffung eines Untoten innerhalb der Stadtgrenzen, Anrufung der
Erzdämonin Thargunitoth und schändliches Handeln
wider die Gesetze der Zwölfe“ war ein ganz anderes
Niveau.
Das Goblins nach bornländischem Recht keine intelligenten
Wesen und damit ihre Erhebung keine Nekromantie sei, wurde mit einer
wahren Flut an Paragrafen und Gesetzen niedergeschmettert. Goblins
hätten auch im Bornland Bürgerrechte, gleich was das
gewöhnliche Volk als Recht und Tradition ansehe. Hier gelte
darüber hinaus nur die Regelung des Mittelreiches, die den
Goblins schon lange den Status denkender Wesen anerkannt hatte. Die
Erhebung von Tieren sei darüber hinaus genauso verboten. Und
die Anrufung der Erzdämonen im Rahmen ritueller Handlungen
jeder Art ebenfalls.
Richter Praioban verhängte hier ohne zu zögern den
Feuertod als Strafe. Meine Einwände und Widersprüche
wurden in einer völlig rechtswidrigen Art und Weise ignoriert!
Mein Vorwurf, jemand mit einem so praiosgefälligen Namen
könne bei einem Gildengericht als Richter nur befangen sein,
wurde ebenfalls nicht berücksichtigt. Ich glaubte in den Tagen
danach sogar ein deutliches Nachlassen in der Qualität meines
Essens und eine Zunahme der Bannstaubdosis zu bemerken.
Am 02. Rahja 1029 BF bekam ich den ersten Besuch in der Zeit meiner
Gefangenschaft. Eine verhüllte Gestalt fragte mich mit leiser
Stimme nach meinem Namen und ging dann wieder. In der Zelle neben mir
war danach kurzes Murmeln zu hören, dann verschwand er den
Gang entlang.
Nach einer Weile kam er wieder und befragte mich zu dem Grund meiner
Anwesenheit hier. Nach einem Verweis auf die umfangreichen
Gerichtsakten schilderte ich kurz meine angeblichen Vergehen. Irgendwie
kam mir die Stimme bekannt vor, aber ich konnte sie noch nicht
zuordnen. Wieder ging er und suchte offenbar noch andere Gefangene auf.
Zweifellos um ihnen dieselbe Frage zu stellen.
Von nebenan donnerte die unverkennbare laute Stimme eines Trollzackers:
„Natürlich bereue ich es nicht ihn erschlagen zu
haben, diese Verrückten beten eine Gans an! Und er hat sich in
einen Kampf eingemischt. Was soll man dazu noch sagen? Ich bereue nur,
dass er so wenig leiden musste. Das war ein unwürdiger Tod der
ihn nicht ausreichend auf das Jenseits vorbereitet hat. Dafür
werde ich zu Recht bestraft.“
Es dauerte lange bis er wieder zu mir herein trat. Als er mich fragte
was ich tun würde um hier heraus zu kommen, erkannte ich ihn
endlich. Es war der KGIA Agent und jetzige zweite Hofmagus Travin
Gerdenwald!
Überschwänglich begrüßte ich ihn,
aber meine Freude prallte an ihm völlig ab und er wiederholte
seine Frage.
Ich antwortete ihm wahrheitsgemäß, dass ich
offensichtlich nicht ALLES tun würde um hier zu entkommen.
Denn das Einzige was selbst in diesem finsteren Kerker unter dem Bann
von Eisen, Bannstaub und einer Praiosliturgie funktionieren
würde, wäre eine direkte Anrufung eines
Erzdämonen. Daran hätte mich niemand hindern
können. Ein Pakt. Meine Seele gegen meine Freiheit.
Aber das war die Grenze die ich nicht überschreiten
würde. Dämonen hatten mir zu gehorchen, nicht
umgekehrt. Wer seine Seele aufgab, verlor seine Freiheit, seinen
Willen, ordnete sich und seine Ziele denen seines Paktherren unter.
Niemals!
Dann fragte er mich noch ob ich meine Taten bereuen würde.
Natürlich bereute ich es so unvorsichtig gewesen zu sein mich
erwischen zu lassen. Und einen Untoten mitten in Gareth zu
beschwören war tatsächlich nicht gerade meine beste
Idee gewesen.
Ich wusste erst nicht ob er mir geglaubt hatte. Oder was er von meinen
Antworten überhaupt hielt. Mit der vagen Aussage, dass er
meine Dienste gebrauchen könne, ging er einfach.
Tage vergingen, dann wurde ich abgeholt um zu meiner Hinrichtung
gebracht zu werden. Im Geiste ging ich die verschiedenen
Sprüche durch, die ich mit den Verbotenen Pforten im
Augenblick meines Todes wirken könnte. Sicher hatten sie sich
gegen Dämonenbeschwörungen gewappnet. Ein
Miasmasphaero? Eindrucksvoll, aber wenig effektiv. Und ich wollte nicht
in einer Wolke aus Gestank abtreten. Vielleicht ein Planastrale der die
mich bewachenden Pfeile des Lichts in den Limbus riss? Würden
sie einen Limbus versiegeln einsetzen? Würde ich es selbst mit
meiner letzten Lebenskraft schaffen dem störenden
Einfluss des Eisens zu widerstehen? Die Fähigkeit unter
widrigen Umständen zu zaubern ist eine der Gaben die angeblich
Amazeroth seinen Paktierern verleiht.
Ich widerstand der Versuchung den vielgestaltigen Blender anzurufen und
wurde aus meinen Überlegungen gerissen, als man mich in eine
völlig überfüllte Kutsche quetschte. Vier
andere Gefangene waren hier bereits untergebracht. Eine recht
gutaussehende Frau, der riesige Trollzacker aus der Zelle neben mir,
ein Mann mit einem albernen almadanischen Schnauzer und einen Mann der
schon durch seine Haltung eine adlige Abstammung und einen
militärischen Hintergrund ausstrahlte. Nur Soldaten sitzen so
steif und gerade.
Holpernd und polternd donnerte die Kutsche mit einigen
Wächtern außen und einigen Reitern hinter und vor
uns durch die Stadt. Wir durchquerten eines der inneren Stadttore.
Die Gespräche mit meinen Mitgefangenen waren eher verhalten.
Die Frau versuchte einen Nagel aus dem Holz zu kratzen, ohne
nennenswerten Erfolg. Der Trollzacker, um den man genug Eisen gewickelt
hatte, um drei normale Männer bewegungsunfähig zu
halten, schaffte es fast seine Ketten aus der Halterung zu
reißen. Ich rückte möglichst weit zur
Seite.
Plötzlich hörten wir Geräusche auf dem
Kutschbock. Armbrustbolzen schlugen irgendwo außen ins Holz.
Dann Stille.
Der Wagen kam zum Stillstand und Travin Gerdenwald stand vor der
Türe: „Ich benötige eure Dienste
für einige delikate Aufgaben. Im Gegenzug gewinnt ihr euer
Leben zurück. Darüber hinaus werdet ihr gut bezahlt
werden. Schlagt ihr ein?“
Wir nahmen das Angebot natürlich an. Einer seiner
Männer kettete uns los und brachte uns aus der Kutsche. Travin
berührte derweil jeden der am Boden liegenden Wächter
am Kopf. Zweifellos änderte er ihre Erinnerungen. Netter
Trick, den ich auch gerne mal lernen würde. Ein schneller
Blick überzeugte mich davon, dass sie zwar verletzt und
betäubt, aber nicht tot waren. Es hätte mir auch
leidgetan. Die Wächter taten immerhin nur ihre Arbeit. Wenn
ich dagegen diesen blakharaziösen Richter in die
Hände bekommen würde... Oder den der mich
ursprünglich an die Pfeile verpfiffen hatte... Oh ja... Den
würde ich von einem Dämon liebevoll umarmen lassen.
Vielleicht von einem Sordul. Und dann beide zusammen in die
Niederhöllen bannen!
Männer brachten Leichen deren Statur zu der Zusammensetzung
unserer Gruppe passte herbei und platzierte sie mit Kleidung die
unserer entsprach in die Kutsche wo sie sie anketteten.
Der Trollzacker verstand als einziger nicht was das zu bedeuten hatte,
also informierte ich ihn, dass „wir“ nun sterben
würden. Zumindest offiziell. Nach einer erneuten
Erklärung mit kürzeren und einfacheren Worten
verstand dann er dann auch.
Ein Zwerg schwang sich auf den Kutschbock und beschleunigte. Kurz vor
einer Kurve sprang er geschickt ab und kam nur leicht humpelnd
zurück gelaufen während hinter ihm die Kutsche
donnernd und splitternd gegen eine Wand krachte. Dann explodierte die
Truhe mit Hylailer Feuer.
Man nahm uns noch Proben von Haar und Blut ab die sorgfältig
etikettiert und davongebracht wurden. Eine bei diesen Verbrechern
sicher sinnvolle Vorsichtsmaßnahme. Und für mich ein
klares Zeichen, dass man etwas Größeres mit uns
vorhatte.
Travin verfrachtete uns in ein alleinstehendes kleines Haus in der
Nähe. Inzwischen hatte ich auch feststellen können,
dass wir uns im Viertel Meilersgrund befanden.
Travin stellte sich vor und informierte uns über unsere
Aufgabe. Wir würden für ihn gewisse delikate Aufgaben
erledigen und dafür gut belohnt werden. Sollte man uns
erwischen, hatte er nie von uns gehört. Das Übliche.
Unser erster Auftrag war einen Informanten zu finden den er hier im
Viertel verloren hatte. Der Barbier Fingorn Derpel, 45 Jahre,
Halbglatze, restliche Haare kurzgeschoren, gezwirbelter Schnauzer. Wir
sollten ihn retten oder ihn kaltmachen, falls er nicht gerettet werden
konnte. Er musste irgendetwas Wichtiges herausgefunden haben, konnte
sein Wissen aber nicht mehr weitergeben.
Die Herrschaft hier im Viertel unterlag offiziell einer
Söldnerbande namens „Waisenmacher“.
Weiterhin rangen zwei Verbrecherbanden mit den überaus
originellen Namen „Tobrier“ und
„Almadaner“ mit den Söldnern um die
Vorherrschaft. Die Anführerin der Tobrier, Ifirnia von
Mundtbach, hasste Travin aus irgendwelchen Gründen, der
Anführer der Almadaner, Alrik Ragather, hatte schon mit ihm
zusammengearbeitet, aber Travin traute ihm trotzdem keinen Finger breit.
Wir stellten uns dann erst mal gegenseitig vor:
Die Frau war Niam Grabesalp. Eine ehemalige KGIA-Agentin die man wegen
Landesverrates und Überlaufen zum Feind verhaftet hatte.
Der militärische Typ hieß Helmbrecht von Rosshagen.
Ein Ritter vom alten Schlag der auf der Seite von Answin von Rabenmund
gekämpft hatte. Und damit – wie sich später
herausstellte – auf der „falschen“ Seite.
In meinen Augen kein Verbrechen. Während der Dritten
Dämonenschlacht hatte er ebenfalls auf der Verliererseite
gestanden. Er konnte sich netterweise sogar noch an meinen
Elefantengolem erinnern. An mich selber zwar nicht, aber bei dem
beschriebenen irren Gelächter des Kerls, der ihm mit seiner
Hornisse entgegen jeder rondrianischen Tradition das Pferd unter dem
Hintern weg geschossen hatte, konnte es sich nur um Ingmar gehandelt
haben. Von dem hatte ich ja seit Jahren nichts mehr gehört.
Was der wohl gerade so trieb?
Wir tauschten noch ein paar Geschichten aus der Schlacht aus und
einigten uns dann einvernehmlich darauf, dass es eigentlich keinen
echten Gewinner gegeben hatte. Klar war nur, dass Borbarad verloren
hatte. Die Mauer des Todes hatte in den Folgejahren immer wieder den
Besitzer gewechselt.
Helmbrecht hatte von uns allen die längste Zeit im
Gefängnis verbracht und erfuhr erst jetzt, dass seine
ehemaligen Kaiser vor kurzem in der Drei-Kaiser-Schlacht bzw.
während der Schlacht in den Wolken geköpft
worden waren. Ich fasste die politischen Ereignisse der letzten Jahre
soweit ich mich erinnern konnte zusammen.
Der Trollzacker Barbar, oder wie Helmbrecht mich korrigierte
„Krieger“, hieß Murtak iban Murgoshaq.
Während einer Schlägerei hatte ein Travia Geweihter
versucht den Herdfrieden wiederherzustellen. Dafür hatte er
ihn mit einem beiläufigen Hieb erschlagen. Er fühlte
sich immer noch sichtlich betroffen ihm einen so unwürdig
schnellen Tod bereitet zu haben. Aber was sollte er mit jemandem machen
der zu einer Gans betete?
Der Almadaner war Rodrigo Manitas Calvazado ein Mechanikus und
Spezialist für Belagerungsmaschinen aus der Armee Galottas der
wegen Nekrophilie und Totenschändung angeklagt war.
Natürlich posaunte er das nicht einfach heraus. Vor den
anderen erzählte er etwas davon auf der falschen Seite
gekämpft zu haben. Aber einem
„Nekromanten“ gegenüber konnte er seine
Fragen nicht zurückhalten und verplapperte sich schnell. Wenn
er dachte, dass mich das mit ungläubigem Entsetzen
erfüllen würde, dann wurde er enttäuscht.
Immerhin hatte ich den ersten Versuch eines Zweitstudiums nur ein Jahr
nach der Dämonenschlacht an der Halle der Geister in Brabak
unternommen. Nur hatte ich es dort nicht lange ausgehalten, da sich
unsere Spektabilitäten wohl etliche nachtragende Feinde
gemacht hatten, die dort noch genug Einfluss hatten, um ganze zwei Mal
mein Essen vergiften zu lassen. Einmal konnte ich mich selbst heilen,
das zweite Mal rettete mich einer der Magister dem ich von einer Wette
noch Gold schuldete. Nach dem Zant, der in meine Schlafkammer
gestürmt war, hatte ich dann eingesehen, dass ich dort nicht
willkommen war. Wenn es irgendwelche Praktiken gibt die in Brabak noch
keiner versucht hat, dann höchstens in Selem. Der Kerl war mir
irgendwie sympathisch. Immerhin blieben so mehr lebende Frauen
für mich übrig.
Der über zwei Schritt große Trollzacker forderte
Helmbrecht dazu auf die Rangfolge zu klären. Helmbrecht schlug
zu und der Riese fiel wie ein nasser Sack zu Boden. Ich gebe zu ich war
mehr als nur ein wenig überrascht. Der Kerl hatte einen
rechten Haken wie ein Oger. Auch die Rangfolge war somit
geklärt.
Danach zogen wir uns erst mal in die beiden Zimmer zurück um
uns frisch zu machen. Niam hatte einen Vorhang um ihre Ecke des Zimmers
bekommen das sie mit mir teilte. Daneben gab es noch ein Stockbett auf
dem neben normaler Kleidung auch ein in Tuch eingeschlagener
Obsidiandolch lag. Offensichtlich würden wir also noch
Unterstützung durch einen Druiden bekommen. Hoffentlich keinen
dieser lästigen Naturburschen die die ganze Zeit über
aussterbende Tierarten, kaputte Steinkreise und die schreckliche
daimonide Verseuchungen der Schwarzen Lande jammern. Lieber
wäre mir ein freier Forschergeist wie der berühmte
Archon Megalon, aber der soll ja angeblich nicht gerade ein typischer
Vertreter seiner Zunft sein.
Auf meinem Bett fand ich zu meiner großen Freude meinen
kobraförmigen Magierstab. Und auch mein Kristallauge! Niam
schauderte kurz als ich mir die kleine mit funkelnden
Arkaniumspänen durchsetzte Glaskugel mit einem leisen Plopp in
die bisher leere Augenhöhle schob. Dann legte ich noch eine
unauffällige Augenklappe an, deren strategisch angebrachte
feine Löcher notfalls das Aufblitzen des Warnenden Leuchtens
so hinauslassen würden, dass mein gutes Auge sie wahrnehmen
konnte.
Wie jeder meiner Gefährten fand ich auch noch einen Beutel mit
20 Dukaten in verschieden großen Münzen.
Mein Geheimversteck in dem hohlen Baum hatte Travin offenbar noch nicht
ausgeräumt, da würde ich noch einen Abstecher machen
müssen, um den Insektenring, meinen Reserve-Zaubertrank und
mein Bannschwert abzuholen. Kerzen und Beschwörungskreide
hatte ich letztes Mal aufgebraucht, da würde ich erst neue
herstellen müssen. Und Travin hatte leider nicht daran gedacht
mir eine Alchemie-Ausrüstung zu besorgen. Dafür hatte
er mir mein Tagebuch, jede Menge Papier, Tinte, Löschsand und
Schreibfedern in die Truhe gelegt.
Als ich wieder nach unten in das Stockwerk mit Küche und
Versammlungsraum zurückkam, waren meine zukünftigen
Gefährten ebenfalls schon gerüstet.
Der Trollzacker war eben wieder zu sich gekommen, war von dem Schlag
aber eher beeindruckt als erzürnt. Wir berieten unsere weitere
Vorgehensweise. Zuerst holte ich mit Rodrigo zusammen Wasser zum
Waschen und Kochen. Helmbrecht und Murtak hielten die Stellung und Niam
erkundete die Umgebung.
Wir stellten fest, dass Murtak der einzige von uns war der
annähernd kochen konnte. Behauptete er zumindest. Ach armer
Yorik... Wie ich seine Kochkünste vermisse... Gut, er konnte
weder abschmecken noch vernünftig würzen und seine
Braten waren meist schlichtweg verkohlt, aber zumindest war immer
pünktlich Essen da. Und wenn ich ein zehn Minuten Ei
verlangte, dann zog er die Hand mit dem Ei auch genau nach zehn Minuten
aus dem kochenden Wasser.
Auf der Suche nach Vorräten fanden wir im Keller nicht nur ein
überraschend großes Lager, sondern auch noch einen
Zugang zur Garether Kanalisation. Ich merkte mir dies als Ausgang nur
für Notfälle vor, denn der Gestank, der uns von dort
entgegen kam, war einem Dämonen aus Mishakals Domäne
würdig.
Das Abendessen das der Trollzacker aus den wirklich umfangreichen
Vorräten des Hauses zusammenrührte entsprach leider
meinen Befürchtungen. Trollzacker Omelett (mit knusprigen
Schalenstücken), Trollzacker Schnitzel (blutig) und die bei
Trollzackern üblichen Salate und Beilagen. Also gar keine. Bei
den Trollzackern essen angeblich nur Frauen Pflanzen, aber damit
würden sie alle vor der Pubertät an Skorbut eingehen,
daher zweifelte ich dieses Gerücht eher an.
Niam hatte derweil einige Einheimische ausgehorcht und zumindest
erfahren, dass man über den verschwundenen Barbier und sein
Verschwinden nicht sprach. Das war schon sehr vielversprechend,
hieß es doch dass man genau wusste was passiert war.
Ansonsten hätte man fröhlich spekuliert.
Kurz nach dem Essen klopfte es an der Tür. Rodrigo machte auf
und kam dann aufgeregt mit der Nachricht zurück, dass ein
halbes Dutzend dreckiger Schläger vor der Türe
standen um die „Miete“ einzufordern. Fünf
Silber für den Monat. Für Schutzgelderpresser waren
die aber verdammt schnell aufgetaucht. Indem ich heftige Diskussionen
mit meinen Mitbewohnern vortäuschte und mich wortreich
für unsere schlechte finanzielle Lage entschuldigte,
hätte ich ihn beinahe herunter gehandelt und uns gleichzeitig
den Ruf schlechter Beute eingetragen. Rodrigo musste den
Anführer der Bande, den einarmigen Glombes Eisenarm, dann
ausgerechnet auf seine primitive Armprothese ansprechen und vorschlagen
sie zu verbessern. Daraufhin konnte ich mich nur noch wortreich
für meinen undiplomatischen Mitbewohner entschuldigen,
hektisches Zusammenkramen von Geld vortäuschen und ihm
schwitzend und zitternd eine Handvoll kleiner und kleinster
Münzen in die Hand drücken.
Danach besprachen wir noch unsere weitere Vorgehensweise und
überlegten für uns Tarnberufe. Für mich
selbst kam vorerst nur Schreiber in Frage, alles andere wäre
deutlich zu auffällig für diese Gegend gewesen.
Murtak und Helmbrecht waren vermutlich prädestiniert um von
den örtlichen Banden als Muskeln angeheuert zu werden.
Allerdings wäre das eher ein Plan für eine
langfristige Unterwanderung. Und irgendwie vertraute ich Murtaks
schauspielerischen Talenten nicht sehr weit. Helmbrecht dagegen
strahlte den Offizier aus jeder Pore aus. Nein, keine gute Idee.
Rondrigo fand als Handwerker in diesem Viertel vermutlich problemlos
eine Anstellung. Vorausgesetzt er war nur ansatzweise so gut wie er
behauptete.
Für Niam hatte ich einige Ideen, aber ich würde erst
mal ihre eigenen Vorschläge abwarten. Ich kannte sie einfach
zu wenig um einschätzen zu können ob sie der
Vorschlag Kurtisane mehr als zum Beispiel Waschfrau beleidigen
würde. Überhaupt schien sie sich mir noch in einer
Selbstfindungskrise zu befinden.