Aus dem geheimen Tagebuch des Magiers Rodrik Bannwäldner

07. Rahja 1029 BF

Vor dem Überfall auf die Tobrier hatten wir noch diskutiert wie wir mit unseren Opfern umgehen sollten. Leider fand sich kein sinnvoller Plan bei dem wir die Kerle am Leben lassen konnten. Jeder Zeuge hätte unseren Untergang bedeutet.

Irgendwie hatte Helmbrecht es geschafft, dass wir uns am Ende alle ohne Murren seiner Entscheidung, alle außer Glombes umzubringen, fügten.

Wir versteckten uns in einer relativ abgelegenen Gasse und als die fünf Betrunkenen vorbei stolperten, stürzten wir uns von allen Seiten auf sie. Der Barbar spaltete einen mit seiner riesigen Axt und spritzte Blut in alle Richtungen. Helmbrecht schlug Glombes mit bloßer Faust KO.

Ich hatte mich von hinten an mein ahnungsloses Ziel herangeschlichen und wollte eben mit dem Kurzschwert zustechen, als neben mir Rondrigo aus voller Kehle: „Para Almada y el Magnato!“ brüllte. Den Kriegsruf der Almadaner! Vor Schreck verfehlte ich mein Ziel und musste mich in einem peinlich erfolglosen Messergefecht mit dem Trunkenbold messen bis einer meiner Gefährten ihn endlich beseitigte.

Rondrigo brüllte dann als alle Gegner nach wenigen Sekunden am Boden lagen noch ein: „Aqui es nuestro bario!“ und der Druide malte mit Blut das Zeichen der Almadaner an die nächste Hauswand. Diese Irren! War denen nicht klar, dass sie damit zwar vorzüglich von uns selbst ablenkten, dafür aber mit Sicherheit einen Bandenkrieg anzetteln würden? Wie viele Unschuldige würden für diese Täuschung mit dem Leben zahlen?

Aber das ließ sich nun nicht mehr ändern.

Wir schleppten Glombes in die naheliegende Kanalisation und verhörten ihn dort. Murtak ließ sich kaum zurückhalten den Geldeintreiber auf das Jenseits gebührend vorzubereiten. Wir kamen kaum dazu Fragen zu stellen. Nach fünf gebrochenen Fingern sang er wie eine Lerche.

Unsere Zielperson hatte er an einen gewissen Hauke übergeben, einen geringfügig höher stehenden Schurken. Wo dieser ihn dann hingebracht hatte, wusste er allerdings nicht.

Na toll. Das hieß wir durften jetzt noch diesen Hauke auftreiben. Zum Glück wusste Glombes, dass er sich sehr oft in einer Rauschkrauthöhle namens „Memoria“ aufhielt. Da diese den Almadanern gehörte eigentlich sehr ungewöhnlich.
Nach längerer Diskussion benutzten wir eine sehr direkte Vorgehensweise. Wir gingen hin, verlangten mit dem Chef dort zu sprechen und bestachen ihn mit ein paar Goldmünzen dafür, dass wir „unseren Hauke“ abholen durften. Der völlig bekiffte Kerl ließ sich ohne Widerstand davon schleppen.

Zuerst mussten wir allerdings abwarten bis er wieder nüchtern genug war um Fragen zu verstehen, geschweige denn zu beantworten. Da wir es doch ziemlich eilig hatten, hätte ich ihn gerne wieder nüchtern gemacht. Mit Klarum Purum beherrschte ich dafür auch den passenden Spruch. Al’Raun untersuchte vorher allerdings erst mal unseren Patienten und erklärte dann, dass er sich mit einer größeren Dosis Boronwein zugedröhnt hatte. Boronwein ist eine sehr starke und hochwertige Droge die meine bescheidene Kenntnis dieses Zaubers überfordert. Wir ließen ihn daher erstmal seinen Rausch ausschlafen und gönnten uns selbst etwas Ruhe.


08. Rahja 1028 BF

Al’Raun und ich meditierten eine Stunde um ein Mindestmaß an astraler Kraft bieten zu können. Danach fühlte ich mich als hätte man mich ordentlich verprügelt, aber immerhin konnte ich nun notfalls meinen Teil zu einem Kampf beitragen.

Murtak hatte wieder viel Spaß mit dem Verhör. Die Almadaner hatten den Barbier dabei ertappt wie er eine Nachricht in einem Toten Alrik hinterlegt hatte. Damit hatte er sich als Schnüffler enttarnt, etwas das die hiesigen Banden überhaupt nicht mochten. Man hielt ihn in einem geheimen Unterschlupf in einer Villa gefangen um den Namen seines Auftraggebers heraus zu finden. Die Adresse aus Hauke heraus zu bekommen dauerte noch geringfügig länger. Er wollte das Geheimnis wirklich sehr ungern herausrücken. Nachdem wir fertig waren sah er nicht mehr richtig gut aus und er hatte fast alle unsere Gesichter gesehen. Wir konnten ihn danach natürlich schlecht gehen lassen.

Das zeigte auch wieder eine unserer größten Schwächen bezüglich der Geheimhaltung. Murtak. Mit zwei Sätzen konnte man den riesigen Barbaren so gut beschreiben, dass man ihn überall wiedererkennen würde. Er fiel überall auf und ragte aus jeder Menschenmenge heraus.

Wir begaben uns zu der genannten Adresse in dem geringfügig besseren Viertel Rosskuppel. Ein Haus mit Garten und einer 2 ½ Schritt hohen Mauer. Vier Wachen und zwei abgerichtete Zornbrechter Bluthunde. Üble Bestien vor denen wir deutlich mehr Respekt hatten als vor den Wachen.

Er blickte durch die Gittertüre, sah die beiden Wachhunde einen Moment lang an, dann machten sie Männchen und gehorchten ihm aufs Wort. Sehr netter Zauber, aber die druidische Art ohne Worte zu zaubern machte mich stets ein wenig nervös. Die Kerle konnten einem wer weiß was anhexen indem sie einen nur freundlich ansahen.

Wir verkleideten Murtak als Gefangenen und Niam als Glombes. Am Tor läuteten wir brav die Glocke. Einer der Wächter kam heraus und Niam erzählte ihm mit verstellter Stimme unter dauerndem Husten und Schniefen, dass wir einen weiteren Schnüffler gefunden hätten. Der Wächter führte uns herein um den Gefangenen am Haus zu übernehmen. Bei dem Anblick des Riesen hatte er überhaupt keine Lust ihn alleine auch nur das kurze Stück bewachen zu müssen. Unterwegs beseitigte ihn Niam kurzerhand mit einem gezielten Dolchstoß in den Rücken. Bei so vielen Gestalten fiel das vom Haus aus gesehen gar nicht auf. Als sich vor uns die Tür öffnete, sandte der Druide die verzauberten Bluthunde mit einem kurzen „Fass!“ auf die völlig überraschten Wächter. Murtak und Helmbrecht stürmten hinterher. Ich und Rondrigo waren recht überflüssig, denn die anderen räumten mit brutaler Effizienz auf.

Im Haus fand sich ein Keller mit drei Gefangenen. Einen Adligen den wir frei ließen da er unsere Gesichter nicht gesehen hatte und einen echten Almadaner Caballero, den wir beseitigen mussten, da wir den Almadanern sonst diesen Überfall schlecht in die Schuhe schieben konnten. Dazu fand sich unsere Zielperson. Er war sichtlich gefoltert worden, würde sich aber wieder erholen.

Wir brachten den Barbier auf Schleichpfaden in unser Hauptquartier und sandten dann eine kurze Erfolgsmeldung per Brieftaube ab.

Am nächsten Tag klopfte es an der Tür. Ein Mann informierte mich, dass er die Zielperson abholen sollte. Er nannte weder Namen noch seinen Auftraggeber. Etwas mulmig nahm ich mir vor für die Zukunft Parolen und Passwörter zu vereinbaren. Ich meine, da hätte ja jeder kommen können. Wie peinlich wäre das gewesen, wenn sich der Kutscher als Almadaner herausgestellt hätte.

Mangels sinnvoller Alternativen übergaben wir ihm den Barbier und genossen ein wenig Freizeit.

Nach knapp zwei Wochen bekamen wir ohne Vorwarnung Besuch von Mutter Gans. Er tauchte mitten in unserer Küche auf als wäre er schon immer da gewesen. Nach kurzer Überlegung durfte es sich wohl um den Widerwille Cantus handeln. Allerdings auf meisterhaft kontrolliertem Niveau.
Er gab uns außerdem einen Tee den der erste Hofmagus gemischt haben sollte. Dieser würde die Störung unserer Aura durch den langen Kontakt mit dem Metall während unserer Gefangenschaft schneller abbauen.
Kaum war er weg, brühte ich davon einen Tee auf. Eine Portion für mich und eine für den Druiden. Auch Niam stellte ich kommentarlos eine Tasse hin als gerade sonst niemand im Raum war. Sie funkelte mich gleich böse an, enthielt sich aber eines Kommentares. Als KGIA Agentin war es ihr sicher nicht recht dass ich Kenntnis über ihr magisches Talent erlangt hatte. Ihrer Aura nach waren ihre Fähigkeiten, worin sie auch genau bestanden, gut trainiert. Wie man es von einer Agentin auch erwarten durfte.
Ich verzichtete darauf auch Rodrigo mit dem Tee zu versorgen. Bei ihm war ich nicht mal sicher ob er von seinen magischen Fähigkeiten wusste. Seine Aura zeigte bisher nur dann nennenswerte Aktivität, wenn er etwas schnitzte oder als er an der Eingangstüre ein verstecktes Guckloch anbrachte. Vermutlich war seine Magie unbewusst und direkt mit seinem Handwerkstalent verbunden. In solchen Fällen konnte es sogar störend wirken wenn der Anwender von seinen Fähigkeiten erfuhr.
Wenn er von seiner magischen Aura wusste, würde er es schon irgendwann erwähnen.

Mutter Gans instruierte uns über unseren nächsten Auftrag. Dazu lud er uns in den Travia Tempel ein. Helmbrecht instruierte mich vor dem Aufbruch, dass er sehr erbost reagieren würde, wenn ich beim Betreten des Tempels zu rauchen beginnen würde. Hielt der mich für einen Quitslinga oder einen Paktierer oder was? Außerdem war ich erfahren genug um keine dämonischen Substanzen oder Artefakte in einen Tempel mit zu nehmen.

Schwester Walafried, die örtliche Travia Geweihte erzählte uns von den aktuellen politischen Problemen in Albernien:

Im Travia 1027 BF erhob der damalige Herzog Jast Gorsam vom Großen Fluss für seine Base Isora Anspruch auf die Delphinkrone der Fürsten von Albernia. Der Anspruch begründete sich auf einen mit bisher unbekannten Dokumenten belegten Fehler in der Erbfolge vor 700 Jahren, durch den das Haus Bennain fälschlicherweise an die Macht gekommen sei. Der Anspruch sollte zu Gareth vor dem Reichsgericht verhandelt werden.

Im Firun desselben Jahres kam es auf dem Grafenkonvent in Gareth zu schweren Auseinandersetzungen. Die Provinzen machten durch mangelhafte Erfüllung ihrer Wehrleistungen Druck auf die Regentin und forderten die Aussetzung des Reichsfriedens. Besonders das Haus vom Großen Fluss machte gegen die Häuser Gareth und Bennain Front.

An die Nachrichten vom Reichskongress in Elenvina ein paar Wochen später erinnere ich mich noch. Galotta und Rhazzazzor lagen mit Ihren Truppen praktisch schon vor der Grenze und die blaublütigen Spinner stritten sich um Feinheiten der Erbfolge.

Im Ingerimm 1027 BF verweigerte Invher ni Bennain die Königin von Albernien dem Reichsregenten Jast Gorsam vom Großen Fluss den Treueeid. Der Nordmärker setzte Isora von Elenvina als Fürstin Albernias ein. Daraufhin erklärte Invher ni Bennain das Königreich Albernia für unabhängig vom Mittelreich.
Der Feldzug des Mittelreiches mit den Nortmärker Truppen unter Jast Gorsam sowie des Söldnerheeres unter Isora von Elenvina gegen das Königreich Albernia begann.

Albernien ist im Moment faktisch in das Königreich Albernien und das Fürstentum Albernien geteilt. Jede der Seiten beansprucht ganz Albernien als Hoheitsgebiet, besetzt es aber nur etwa zur Hälfte.
Das Fürstentum Albernien wird zum größten Teil von Nordmärkischen Truppen gehalten.

Der kaiserliche Marschall Grifo von Streitzig nahm im Ingerimm 1027 BF bereits Honingen ein und hält es bis heute trotz des Widerstandes durch die Rebellengruppe „Die Blauen Füchse“ die sich unter der Honinger Landgräfin Franka Salva Galahan, weiter gegen die Mittelreicher zur Wehr setzen. Ihre Anführerin war erst in Gefangenschaft geraten, wenige Tage später aber bereits wieder befreit worden.

Auf der Nordmärker Seite gibt es dagegen noch die 1022 BF zur Gräfin von Winhall ernannte Rhianna Conchobair. Eine uneheliche Tochter von Isora von Elenvina und dem Schwertkönig Raidri Conchobair die nicht nur eine leidliche Kämpferin, sondern auch noch eine herausragende Überredenskünstlerin sein soll. Nach der Einnahme Winhalls durch die Truppen des Königreich Albernien, floh sie nach Honingen, wo sie Jast Gorsam zur Gräfin von Honingen ernannte. Sie regiert im Moment dort noch.

Wie der gute alte Rotauge gesagt hätte, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Raidri ist ja auch nicht gerade für sein politisches Gespür und seine hohe Intelligenz berühmt. Aber seine Tochter scheint wirklich seltsame Vorstellungen zu haben. Um den Frieden in der Region zu wahren hat Sie anlässlich des Alberniafestes für Anfang 1030 BF ein großes Immanturnier ausrufen lassen und beide Parteien eingeladen. Im festen Glauben, dass der ausgerufene Turnierfrieden ein Blutbad verhindern wird.

Vor Ort war ein weiterer Travia Geweihter mit dem total originellen Namen Bruder Travin. Dieser war offiziell von der Gräfin beauftragt den Turnierfrieden zu wahren, allerdings schien ihm Mutter Gans aus irgendeinem Grund nicht zu trauen.

Und dazu schickte man uns. Armer Travin. Und arme Mutter Gans. Der dauernde Stress, der politische Druck, der immerwährende Widerstreit zwischen seiner fast legendären Wahrheitsliebe und den Lügen die er im Namen der Geheimhaltung verbreiten muss... Es ist kein Wunder das er nun übergeschnappt ist. Ausgerechnet uns loszuschicken um den Frieden zu wahren... Eine Gruppe aus zwei Kriegsverbrechern, einem blutrünstigen Trollzacker Barbaren, einem unlizenzierten und vermutlich irgendwo im Wald von einem bärtigen Einsiedler ausgebildeten Zauberkundigen der Menschen aufschlitzte um seine Studien voran zu treiben und... nun ja, mich.
Wenn es jetzt drum gegangen wäre ein Blutbad anzurichten... Da wären wir eine ideale Gruppe gewesen. Aber Mutter Gans beauftragte uns unmissverständlich für keine Seite Partei zu ergreifen sondern den Herdfrieden Honingens zu wahren. Mit allen Mitteln. Wobei sein drohender Blick in meine Richtung klar zu verstehen gab, dass er damit nicht alle MEINE Mittel meinte.

Gut, gegen die Entscheidung mich los zu schicken war grundsätzlich nichts auszusetzen. Ich bin erfahren, zuverlässig und in der Lage fast jede magische Hinterhältigkeit zu erkennen. Wobei leider eher zu befürchten ist, das einfach jemand in einer Kneipe laut auf die falsche Mannschaft einen Trinkspruch ausbringen wird. Oder ein Schiedsrichter eine unbeliebte Entscheidung trifft.

Vielleicht war das ganze Turnier ja auch eine Falle für die Blauen Füchse. Ähnlich wie das Bogenturnier in Nordhag damals als Falle für Grimwulf den Grünen gedacht war. Zumindest in den Geschichten meiner Großmutter die immer von dem berühmten Geächteten von Weiden erzählte, und wie er von den Reichen stahl um es den Armen zu geben.

Laut Mutter Gans gab es in dem Konflikt keine Unschuldigen. Der Reichsgroßsiegelbewahrer und Reichsregent Jast Gorsam missbrauchte seine Macht um seiner Familie ein weiteres Königreich zuzuspielen. Und auch die zahlreichen anderen Bedrohungen und Probleme des Mittreichs hinderten ihn nicht daran Truppen für diesen Konflikt zu verschwenden. Der Geschwindigkeit nach mit der er zu Beginn des Konflikts bereits Söldnerhaufen in an strategischen Punkten stehen hatte, hatte er es auch bewusst auf diese Konfrontation angelegt. Für diese Feststellung hätte nicht einmal ich Helmbrechts Expertise benötigt.
Invher ni Bennain hatte nicht einmal versucht eine gerichtliche Lösung abzuwarten, sondern die Gelegenheit genutzt um ihr Königreich für unabhängig zu erklären.
Landgräfin Franka Salva Galahan war früher als Kunstmäzenin und friedliebende Herrscherin von Honingen bekannt. Allerdings nur bis zum Massaker von Calladûn, als ihre Soldaten die mittelreichischen Truppen in einen blutigen Hinterhalt lockten.
Eigentlich passten wir da vielleicht doch ganz gut rein. Und vielleicht konnten wir auch einen Blick auf Aillil Andara Galahan, die Schwester von Franka Salva Galahan, Rahja Geweihte und Geliebte der Göttin werfen. Im Aventurischen Boten war ein Kupferstich abgedruckt gewesen der jahrelang an allen Soldatenspinden zu finden war.