Aus dem Tagebuch des Magus Consultatoris Rodrik Bannwäldner
Beratender Magus zu Fragen schwarzmagischer Phänomene und deren Bekämpfung
 

03. Praios 1030 BF
Eschfurten

Wir lernten Eger fast besser kennen als uns lieb war. Seine Mutter lobte ihn abwechselnd in höchsten Tönen und nannte ihn dann wieder den dümmsten Narren den Dere je gesehen hatte. Von Beruf war er Schreiner, doch von Berufung her ein Fanatischer Anhängerischer Narr. Kurz FAN. Und zwar ein Anhänger der Honinger Wölfe. Nicht zu verwechseln mit der anderen Honinger Mannschaft... deren Namen ich mir ehrlich gesagt nicht gemerkt hatte. Das jährliche Turnier in Honingen war etwas auf das er sich das ganze Jahr freute. Und dieses mal war es das größte Turnier seit Jahren. Seit dem Drachenpokal in... egal.
Murtak hatte sich die Spielregeln nur kurz angehört und dann beschlossen, dass er unbedingt mitspielen musste. Wobei ich mir nicht sicher war, ob „Keine Toten“ für ihn wirklich dasselbe bedeutete wie für mich. Ich nahm mir vor ihn lange und ausführlich zu belehren das auch lebenslange Verstümmelungen als unsportlich galten. Oder als unangemessene Ehre für einen unwürdigen Gegner, was er wohl eher akzeptieren würde. Ich mag Trollzacker. Sie sind so wunderbar geradlinig und leicht zu manipulieren.
Wir vereinbarten Elger durch die doch recht gefährliche Gegend zu begleiten wenn er uns dafür eine Unterkunft besorgte.


04. Praios
Wir machten uns dann am nächsten Morgen mit dem Karren, gezogen von Furz dem Esel auf nach Honingen. Selbst seine Mutter hatte gegen seine Ausflüge nach Honingen nichts einzuwenden, denn er verdiente dort mit seinen Eschenschlägern ordentlich Gold.
Die Dinger sahen zwar recht primitiv aus, mussten aber ordentlich was aushalten. Der Verschleiß im Spiel war wohl auch nicht zu verachten.

Niam fuhr mit Elger auf dem Kutschbock mit, der Rest von uns spazierte gemütlich nebenher.

Unterwegs merkte man der Landschaft deutlich an, dass hier Krieg herrschte. Viele Felder waren nicht bestellt. Ein beredtes Zeugnis dafür, dass die Bauern hier die Konflikte nicht alle überlebt hatten.
Als wir an einer vollen Kuhweide vorbei kamen kam ich nicht umhin leise vor mich hin zu rechnen wie viel magische Kraft für Blutmagie dort vor sich hin weidete. Ich kam auf etwa 80 Astrale Einheiten bei einer durchschnittlichen Herde.

Helmbrecht fragte Elger zu der Versorgungslage Honingens aus. Die Versorgung so vieler Gäste und Soldaten war zwar schwierig, allerdings hatte die Gräfin wohl schon lange im Voraus die Speicher bis zum Bersten füllen lassen. Unter uns besprachen wir das ein Wenig hinter dem Wagen zurück bleibend. Hunger würde sofort für Unruhe sorgen, daher wäre die Nahrungsversorgung ggf. ein Ziel für Unruhestifter. Aber wie wir danach erfuhren, hatte die Gräfin die Verteilung auf die Kirchen abgewälzt, ein gewiefter Schachzug den ich einer Nachfahrin des Schwertkönigs gar nicht zugetraut hätte. Vermutlich hatte sie einen wirklich guten Berater. Vermutlich war das dieser Grifo von Streitzig der Marschall, der für sie die Verwaltung der Stadt leitete.

Als ich erfuhr, dass es in ganz Honingen nur ganze 20 Stadtgardisten gab die die Ordnung aufrecht erhalten sollten wollte ich schon spontan wieder umdrehen. Aber dann erzählte uns Elger, dass über fünf ganze Banner Soldaten ebenfalls in der Stadt waren. Das sollte dann wirklich genügen.

Die hatten sich im alten Stadion eingenistet, was bei Elger zu uncharakteristischen Schimpftiraden führte. Die armen Spieler mussten nun auf einem Feld in der Nähe der Stadt spielen. Dafür hatten sie dort genug Platz und sogar ein großes Übungsfeld bekommen. Dazu zwei Spielfelder mit einer großen Holztribüne für die adeligen. Unser Waffenschreiner würde sich das mal ansehen müssen. Für eine fiese Sabotage sicher ein gutes Ziel.
Honingen war nicht gerade eine Metropole. Die wichtigsten Exportgüter waren das hervorragende Pergament von dem ich bereits in Punin gehört hatte und Kerzen. Nun, vielleicht konnte ich hier Kerzenziehen lernen.

Gerade als Elger dabei war uns von dem legendären Honigtiegel der Travia zu erzählen, brach ein Pferd ein Stück vor uns durch das Unterholz und blieb auf dem Weg stehen. Es zitterte kurz, dann brach es schnaupend zusammen und begrub seine blonde Reiterin unter sich. Sie selbst hatte zwei Pfeile im Rücken, das Pferd war die halbe Seite lang aufgeschlitzt. Sofort suchte ich nach den bekannten Zeichen der Beilunker Reiter, aber die Frau trug keinerlei Uniform oder Wappen.

Während Niam auf meine Bitte hin die Umgebung im Auge behielt und dabei ihre Armbrust spannte, zerrten Helmbrecht und Murtak das Pferd von der Frau herunter und Raun stürzte sofort dazu und begann sich um die Pfeilwunden zu kümmern.
Als er eben dabei war den ersten Pfeil vorsichtig aus der Wunde zu entfernen, richteten sich Helmbrecht und Murtak plötzlich aufmerksam auf. Wenig später hörte auch ich deutliches Hufgetrappel, dann kamen weitere Reiter in Sicht. Ein Dutzend einfach gerüstete und bewaffnete Kerle. Angeführt von einer Frau in leuchtend blauer Kleidung.

Die ältere Frau, offensichtlich die Anführerin und unverkennbar von Adel, fuhr uns an was wir Ayxa angetan hätten. Raun, mit Verbandszeug, blutigen Händen und dem eben entfernten Pfeil in der einen Hand, während er die andere mit einer Kompresse auf die Wunde presste, starrte sie nur empört an.

Niam senkte die Armbrust und wir anderen gaben uns ebenfalls Mühe harmlos und freundlich auszusehen. Murtak versagte dabei fast völlig und schaffte es fast die Hälfte der Reiter nieder zu starren.

Die Dame versuchte noch ihr Gesicht zu retten und fragte uns wie wir zu Albernia stünden. Murtak, der vermutlich nicht mal den Namen des Landes kannte auf dem wir gerade standen, sah sie nur verwirrt an, der Rest von uns zuckte mit den Achseln. Ich fasste es dann in Worte und informierte sie, dass wir politisch völlig uninteressiert seien und daher hier keine Seite beziehen wollten.

Die Gräfin wandte sich dann an Elger und ließ sich von ihm bestätigen, dass wir wirklich nur harmlose Reisende waren. Offenbar kannte sie ihn von früher und ebenso offensichtlich war ihm das etwas peinlich.

Ein leises Knirschen lenkte meine Aufmerksamkeit auf Murtak. Allerdings waren es wohl seine Zähne und nicht sein Gehirn das gerade anlief. Er starrte die blau gekleidete Adelige direkt an und fragte: „Seid ihr die blauen Füchse?“

Ich und alle anderen, die Gräfin Franka Salva Galahan längst an Ihrer Verkleidung und der Beschreibung erkannt hatten, zuckten zusammen. Als sich ihr Gesicht verfinsterte, riss ich mich zusammen und meinte nur: „Ihr tragt blaue Kleidung, reitet mit einer Gruppe bewaffneter durch den Wald bei denen es sich nicht um Soldaten handelt... Sooo politisch unwissend sind wir nun auch nicht.“

Die Gräfin setzte ein leichtes Lächeln auf und nickte dann zustimmend. Dann durfte Raun den letzten Pfeil entfernen. Ich hatte ein wenig den Eindruck, dass er die Schnitte dazu etwas zu großzügig setzte und deutlich zu interessiert das herausströmende Blut betrachtete. Aber vielleicht war das ja auch nur Einbildung.
Als er mit dem letzten Verband fertig war zogen die Blauen Füchse mit ihrer Freundin ab. Es gehörte nicht viel dazu um zu erraten, dass sie beim Spähen für die restliche Truppe auf eine feindliche Patrouille gestoßen und nur knapp entkommen war.
Unterwegs kamen wir an einem Bauernhof vorbei den der Besitzer mit bäuerlicher Schläue zu einer Wegestation umgebaut hatte um die ungewöhnlich zahlreichen Reisenden zu bewirten... und ein Wenig von dem mitgebrachten Geld abzugraben.
Nicht das ihm das jemand krumm nahm. Das Essen war gut, das Bier würzig. Man musste nur vermeiden sich einen Abilachter Stinker andrehen zu lassen. Ich könnte schwören das ein Eichhörnchen vom Baum fiel als Murtak die Schachtel mit dem Käse das erste Mal öffnete. Dieser Käse war eine klare Erklärung dafür, warum es hier im gesamten Albernien keine Elfen gab. Zumindest hatte ich noch keinen gesehen.
Ich erinnerte mich an ein alchemistisches Rezept für Warunker Käsebomben. Dürften mit dem hier auch gut funktionieren. Ich ließ mir einen Käse in Wachstuch einwickeln und vertaute es Luftdicht in meinem Rucksack. Käse in der Sonne zerfließen lassen, vorzugsweise in einem Glasgefäß. Dann getrocknete Alraune als Verstärker und ein paar einfache billige Zutaten als Stabilisator. Wie nannte mein Alchemielehrer das noch? Tlalluc in der Flasche!

Dann kam endlich Honingen in Sicht. Wir umgingen die Stadtmauern und kamen nordwestlich der Stadt zu der Fläche auf der die Spieler angesiedelt waren. Große Zelte, jedes mit dem Banner einer der Mannschaften.
Die weiter angereisten Mannschaften hatten größtenteils Wagenburgen aus drei bis vier großen Kastenwägen errichtet. Die Stimmung in den Lagern war ausgelassen und fröhlich. Neben den Spielern wimmelten noch unzählige Händler, Besucher, Schaulustige und ähnliches herum. Es gab keinerlei Kontrollen.

Elger erzählte uns unterweg in aller Ausführlichkeit den Ablauf der Feierlichkeiten.

Morgen am 05. Praios begann das Turnier und ging bis zum 14. Praios.
Am 10. Praios findet während der Turnierpause der Bogenwettbewerb statt.

Die ersten sechs Tage läuft die Vorrunde mit 4 Gruppen die je drei Spiele austragen und dann über Kreuz... Keine Ahnung. Seine Lippen bewegten sich, aber es kam nichts Nützliches heraus. Ich hielt derweil Ausschau nach hübschen Marketenderinnen.

Zwangsweise bekam ich noch mit das es zwei Spielfelder nebeneinander gab da immer zwei Spiele gleichzeitig stattfinden würden.

Magie war verboten, fiel aber meist nur durch offensichtliche Phänomene auf. Mit Axxeleratus beschleunigte Spieler würden auffallen, aber eine mit Attributo erhöhte Ausdauer eher nicht. Magische Heilung zwischen den Spielen war verboten, wir würden daher versuchen müssen eventuelle Verwundungen schnell zu vertuschen. Ein gebrochenes Bein zu heilen würde auffallen. Aber nicht wenn wir es als Verstauchung ausgeben konnten. Durfte nur keiner Knochen aus dem Fleisch ragen sehen. Pflanzliche Heilmittel und Dopingmittel waren dagegen legal. Raun begann sofort spontan zu grinsen.

Wir suchten eine ganze Weile bis wir den Grauen Wolf auf Grün der Honinger Wölfe fanden.
Ein großer Kerl schlich sich mit dem Finger an den Lippen von Hinten an Elger heran und erschreckte ihn. Dann umarmten sich die alten Freunde. Er stellte sich als „Wolf“, alias Seenach Tehmir den Spielführer der Wölfe vor.

Wir stellten uns mit unseren Decknamen vor. Ich schlug mir in Gedanken an den Hinterkopf weil ich Murtak nicht vorher befragt hatte was er sich für einen Decknamen ausgesucht hatte: „Martuk“
Aber egal. Der Kerl war nicht zu verwechseln egal wie er sich nannte.

Wolf stellte uns dann die Mannschaft vor. Imman-Spieler war kein Beruf, sondern eher ein Hobby. Jeder der Spieler hatte noch einen normalen Beruf.
Seenach selbst war Waibel der Stadtgarde.
Borlok Sohn des Borgel war ein Hügelzwerg aus Angbar und hatte hier eine Gaststube eröffnet. Natürlich mit einer Brauerei.

Larik Dreiker war der Sohn eines Händlers. Von Beruf war er aber eher Weiberheld wie ich aus den Gesprächen heraushören konnte.
Praiond Dreiker, sein kleiner Bruder und er stritten sich laufend.

Jalbien Gebendoch war der Sohn eines Steinbrechers und seinen schlechten Zähnen und dem Mundgeruch nach zu urteilen ein Säufer.

Gwinja Brendrig war die am besten aussehende Spielerin des Teams. Anfang zwanzig, Blond, schlank, feste brüste, sportlich... Sie gewann in den Spielen durch Geschwindigkeit und Wendigkeit. Ich und Rodrigo warfen uns sofort einen Blick zu. Das Spiel war eröffnet!

Swena Jarlson war eine Soldatin aus Wehrheim die die dritte Dämonenschlacht überlebt hatte. Ich nahm mir vor hier ein paar alte Geschichten auszutauschen. An der Trollpforte war ja an jeder Ecke was passiert. Keiner hatte alles mitbekommen. Ich zum Beispiel hatte den Auftritt der Trolle komplett verpasst.

Rahjande war eine Schande für den rahjanischen Namen. Eine häßliche klobige Hünin mit Bärenkräften. Nicht verwunderlich als Schmiedin.

Der junge Neovin Wolter war recht aufbrausend.

Dann spielten noch drei Bauern aus der Unterschicht mit die sich sehr eng aneinander schmiegten und laufend Händchen hielten. Waren wohl sehr gute Freunde.

Zwei weitere Gardisten versuchten sich an die Führungsrolle des Waibels heran zu tasten, aber der Reaktion der anderen nach hatten sie noch einen weiten Weg vor sich.

Allgemein waren die Spieler nicht sehr politisch eingestellt. Jedenfalls nicht offensichtlich. Nur Ruad der Schuhmacher machte keinen Hehl daraus, dass er sich sehr darüber freute das so viele Soldaten in der Stadt waren. Viele Soldaten brauchen viele Schuhe.

Die letzte im Bunde war Swafke, die Kaperfahrerin mit dem bunten Kastenwagen, eine rüstige und drahtige Alte mit jugendlichem Auftreten. Genau die richtige für Rondrigo, auch wenn er im Moment nur Augen für Gwinja hatte.

Als Wolf uns fragte ob wir an einem Probespiel interessiert waren, konnten wir Murtak kaum davon abhalten sofort mit einem Eschenschläger „probeweise“ auf ein paar Spieler einzudreschen. Das würde ja heiter werden.