Aus dem Tagebuch des Alberniers Rodrigo Manitos Calvazado
Nachdem Ealger von der Meute begrüßt worden war,
wurden wir gefragt, ob wir nicht ein erstes Trainingsspiel zum warm
machen mitspielen wollten. Ich war un poco überrascht, als
tatsächlich alle aus unserer Gruppe einwilligten.
Der Versuch, uns Strategie und Taktik schnell zu erklären
scheiterte grandios. Murthakh war nicht der einzige, der bei Begriffen
wie „Dreier-“ und
„Viererkette“, „schlenzen“ und
„almadanischer Rückhand“
überfordert war. Muchas informaciones! Madre mia!
Schließlich hatte Senach ein Einsehen und sagte kurz:
„Wir machen es ganz einfach: Versucht als erstes, immer
direkt den Ball zu erreichen und zum Tor zu bringen. Danach gucken wir
uns an, was passiert ist und was man dagegen tun kann.“
Dicho y hecho. Zwei Mannschaftsführer fanden sich schnell, und
jeder von unserer Gruppe stellte sich zu einem der beiden. Murthakh,
Rodrik und Niam standen auf der einen Seite, Helmbrecht, Raun und ich
auf der anderen. Die beiden Capitanes wählten abwechselnd die
übrigen Mitglieder der Lobos aus. Am Ende standen zehn gegen
zehn Personen. Im Lager fanden wir auch schnell einen FAN, einen
fanatico avenado necio, der die Rolle des Schiedsrichters
übernahm.
Die Mannschaft von Helmbrecht, Raun und mir erhielt als erstes den
Ball. Als der Schiedsrichter das Spiel freigab, stürzten
sofort alle nach vorne bis auf den Spieler mit dem Ball. Murthakh lief
durch die gegnerischen Reihen mit der Kraft, Anmut und Zielstrebigkeit
einer durchgeknallten Bache, der man die Kinder weggenommen hat; gleich
zwei Spieler prallten nacheinander an ihm fast buchstäblich
ab, während er um keinen Deut gebremst wurde. Er rannte genau
auf den Spieler mit dem Ball zu.
Dieser wich zunächst nach links aus und sah sich um. Vor ihm
hatten sich gewissermaßen Pärchen gebildet, alle
versuchten, sich am Vorwärtskommen zu behindern. Zwei davon
waren Helmbrecht und Raun, die ihre Gegenspieler umklammerten und an
Ort und Stelle hielten. Etwas weiter in Richtung Tor hatten sich aber
zwei Leute von unserer Mannschaft frei gelaufen. Um diese frei zu
halten, hatten sich Tesbald und ich die beiden Spieler gekrallten, die
am dichtesten bei den beiden waren. Ein Schlag und der Ball flog hoch
über das Feld. Rodrik guckte verdutzt, als der Ball hoch
über seinen Kopf zischte. Jedoch rannte er hinterher. Der Pass
kam an. Geschickt fing Senach den Ball. Doch nur un instante
später ging Rodrik direkt in dessen Cuchara und nahm den Ball
auf seinen. Dann sah er sich um. En este momento stahl Senach den Ball
zurück und lief mit Praiom auf das Tor zu.
In der Zwischenzeit hatte Murthakh Helmbrecht gesehen und ihn von
hinten gerammt. Wie uns später erklärt wurde,
unterbrach der Schiedsrichter das Spiel nicht, um den Vorteil zu
gewähren. Ansonsten könnte ein Tor immer durch eine
Schlägerei auf der anderen Seite des Spielfelds verhindert
werden. Jedenfalls lief Finwaen Senach entgegen und versuchte, den Ball
wegzuschlagen. Das gelang ihm auch. Jedoch rollte er weit, weit
über das Feld bis ins eigene Tor. Eins zu null für
Helmbrecht, Raun und mich.
Das Tor unterbrach jedoch nicht die Keilerei von Murthakh und
Helmbrecht. Im Gegenteil, der Gegentreffer schien Murthakh noch mehr
anzustacheln, der Helmbrecht jetzt gekonnt an seiner Hose hoch
über seinen Kopf nahm und auf den Boden knallen
ließ. Der rappelte sich auf und zentrierte dem Barbaren
postwendend eine. Mucho tum-tum-pa!
Die übrigen Spieler und der Schiedsrichter trennten die beiden
mit vereinten Kräften und mehreren Eimern Wasser. Nachdem sich
die beiden ein wenig beruhigt hatten, sprach Senach wieder:
„Ihr habt gesehen, was passiert, wenn alle nach vorne
stürzen: Hinten ist viel Platz für einzelne Spieler,
die dann meistens wenig Mühe haben, ein Tor zu erzielen. Die
Parade war in dem Fall Pech, aber es ist leicht zu erkennen, dass die
Leute sich aufteilen und einige auch hinten bleiben sollten, um den
Raum abzudecken. Was Martuk gemacht hat, nennt man
‚pressen‘, nämlich Druck gegen den
ballführenden Spieler aufbauen. Generell ist es zu Anfang am
einfachsten, sich an einem Spieler zu orientieren, an dessen Fersen man
sich heftet, um ihn zu stören. Das nennen wir
‚Manndeckung‘. Da ihr das Tor geschossen habt,
bekommen wir jetzt den Ball, und ihr probiert das mal aus.“
Zunächst stellten wir uns also in Reihen über das
Spielfeld verteilt auf. Die Spieler aus der Mannschaft von Murthakh,
Rodrik und Niam spielten sich den Ball zu und rückten langsam
näher. Raun, Helmbrecht und ich suchten sich jeweils einen
Spieler aus, bei dem sie blieben. Helmbrecht musste natürlich
wieder Murthakh nehmen, während ich mir Rodrik aussuchte. Ich
wollte, dass er möglichst tonto aussah, damit ich Brinja
zeigen konnte, dass ich der bessere Mann für sie war.
Die Lobos in unserer Gegenmannschaft nutzten das jedoch aus ohne Gnade.
Immer wieder spielte einer einen Pass auf einen abgedeckten Spieler,
der den Ball nicht lange behielt sondern sofort zurück in den
Laufweg des ersten spielte. „Doppelpass“ nannten
sie das. So konnten die meisten Deckungsspieler schnell
überwunden werden. Schließlich bekam Maerthe den
Ball und schoss aus der Drehung aufs Tor. Eine blitzschnelle Bewegung
gegen die Laufrichtung des Zwergen, der keine Chance hatte. Ausgleich.
Wieder sprach Senach: „Ihr habt gesehen, dass eine direkte
Manndeckung einen Nachteil hat: Wenn ihr zu dicht an eurem Gegenspieler
dran seid, könnt ihr nur reagieren, wenn er den Ball nicht
hat; und das ist meistens der Fall. Im Normalfall braucht ihr also
Zeit, die euer Gegenüber euch voraus ist. Sinnvoller ist es
daher, einen gewissen Abstand zu lassen, um am Gegner dran zu sein,
wenn es notwendig ist. Außerdem kostet es Kraft, immer dem
Gleichen hinterher zu laufen, und es bringt die Formation
durcheinander. Versucht jetzt einmal, euch einen Raum auszusuchen, den
ihr bewachen wollt. Wenn jemand in diesen Raum hinein läuft,
deckt ihn mit genug Abstand ab, bis er den Ball hat. Erst dann greift
ihr an. Wenn er den Raum verlässt, lasst ihr ihn laufen. Wir
haben das Tor geschossen, also habt ihr jetzt den Ball.“
Ganz besonders der Hinweis mit dem Abstand gefiel Murthakh. Als unsere
Mannschaft ihren Angriff startete, lief tatsächlich Wladim in
seine Nähe. Erst da rannte der Trollzacker auf ihn zu und
– RUMMS! – rempelte ihn zur Seite. Dann lief er auf
unser Tor zu. Dabei führte er den Ball mit einem Geschick, das
ich ihm nicht zugetraut hatte. Von links und rechts liefen gleich zwei
Leute auf ihn zu. Ich fürchtete schon, dass sie ihn mit einer
Doppelesche stoppen wollten. Aber der Barbar zeigte eine Gerissenheit,
die mich schwer überraschte: Er spielte den Ball durch seine
Beine nach hinten und rannte den Spieler links von ihm jauchzend um.
Hinter Murthakh lief Niam, die den Ball annahm. Der zweite Spieler, der
auf Murthakh zugelaufen war, wechselte jetzt auf sie. Sie lief nach
rechts und rief: „Murthakh! Nach rechts!“ Der
änderte die Laufrichtung. Dann spielte sie den Ball nach
vorne, genau in seinen Lauf. Der nahm den Ball an und rannte noch ein
paar Schritte. Dann hämmerte er den Ball aufs Tor. Der Zwerg
hatte keine Chance: Er sprang noch und riss den Schläger hoch,
doch der Ball landete genau im Winkel zwischen Querlatte und Pfosten.
Nun war die Welt für unseren Trollzacker wieder in Ordnung.
Wir nahmen das Spiel wieder auf. Murthakh rannte jetzt immer zum
ballführenden Spieler, während der Rest seiner
Mannschaft die sich so bildenden Lücken schloss. Unsere
Mannschaft änderte daraufhin ihre Taktik: Der Ball wurde nun
möglichst immer genau dorthin gespielt, wo Murthakh gerade
nicht stand. Dabei spielten wir möglichst viele Pässe
und versuchten uns dazwischen freizulaufen. Jedes Mal, wenn Murthakh
recht dicht zum Ball gekommen war, wurde ein weiter Pass auf die andere
Seite gespielt. Auch auf der anderen Seite erkannten die Lobos, welches
Spielchen mit Murthakh gespielt wurde, und machten fröhlich
mit. Dabei kamen wir aber nicht recht voran; wir steckten irgendwo im
Mittelfeld fest. Nach gut und gerne einer halben Stunde Spielzeit fing
jedoch Senach den Ball von einem weiten Pass ab und lief alleine aufs
Tor zu. Mit einem gekonnten Schuss setzte er den Ball über die
Querlatte zwischen den beiden Torstangen hindurch. Dann brachen wir das
Trainingsspiel ab.
Völlig außer Atem sahen wir uns gegenseitig an. Wir
alle grinsten von Ohr zu Ohr. Ich muss zugeben, das hatte mehr
Spaß gemacht, als ich zuerst dachte!