Aus dem Tagebuch des Magus Consultatoris Rodrik Bannwäldner
Beratender Magus zu Fragen schwarzmagischer Phänomene und
deren Bekämpfung
Irgendwie hatte es sich ergeben dass ich immer noch mit dieser Gruppe
von Verbrechern zusammen unterwegs war. Und keiner davon hatte bisher
ernsthaft versucht die anderen Umzubringen. Na gut, Murtag brachte
gestern wieder das Thema der Rangfolge innerhalb der Gruppe auf die
primitive Art seines Volkes zur Sprache. Indem er Helmbrecht ohne
Vorwarnung ins Gesicht schlug und eine Schlägerei begann. Das
Ende würde ich als Unentschieden zählen. Die
Hälfte der Prügel hätte gereicht einen
normalen Menschen umzubringen. So gesehen war ich mit meinem Platz am
Ende der Befehlskette recht zufrieden.
Das Dorf in dem wir nächtigten gehörte nicht zu den
glücklichsten. Man spürte eine etwas
gedrückte, seltsame Stimmung. Verweichlichte Mittelreicher.
Wenn die einmal eine Woche in den Schwarzen Landen verbracht
hätten, hätten sie jeden Abend Freudenfeuer
angezündet und ihr Leben hier gepriesen.
Helmbrecht erkundigte sich beim Wirt was los war und erfuhr von
verschwundenen Bürgern, vor allem Kinder. Auch eine Gruppe von
Herumtreibern die versprochen hatte sich darum zu kümmern, war
spurlos verschwunden. Abends schleppte man einen tödlich
verletzten Mann herein der angeblich von einem Bären
angefallen worden war. Misstrauisch nutzte ich meine magische Sicht um
die Umgebung zu Untersuchen. Aber niemand im Wirtshaus zeigte Anzeichen
magischer Kräfte. Unser Druide konnte mit den Wunden nichts
anfangen und der Mann starb kurz darauf.
Mitten in der Nacht weckte mich Helmbrecht. Er war von der Geliebten
des Verstorbenen gebeten worden die Sache aufzuklären.
Müde wälzte ich mich aus dem Bett und wankte der
Gruppe hinterher durch den finsteren Wald. Unterwegs lästerte
Helmbrecht mal wieder wozu er eigentlich einen Druiden und einen Magier
mit sich herumschleppte die zu wirklich gar nichts nütze
wären. Wunderte mich auch in Anbetracht seiner
abergläubischen Abneigung gegen alle nützlichen
magischen Künste.
Irgendwann fanden wir Fußabdrücke die Murtag seltsam
fand und folgten einem Bachbett den Hügel hoch bis zu einem
kleinen Berg. Oder war es ein großer Hügel? Muss
irgendwann nochmal die Definition der Avesgesellschaft durchlesen wie
genau der Unterschied definiert ist.
Die Fußabdrücke waren nicht magisch, aber laut
Murtag auch schon mehrere Tage alt. Wenn die noch geleuchtet
hätten, hätten wir definitiv eher umdrehen sollen.
Das hätte dann schon ein Erzdämon oder Kaiserdrache
sein müssen.
Am Fuß des „Berges“ kamen wir an den Rand
einer Lichtung die Murtag verdächtig fand. Ich sah nur Gras.
Er meinte das wäre ungewöhnlich dass hier nichts
wuchs. Ich schlug als Ursache eine Änderung der
Bodenqualität, Gesteinsformationen dicht unter der Humusdecke
und andere mögliche Ursachen vor. Murtag drohte mir einige
recht extreme Änderungen meines Gesichts und anderer
Körperteile an, daher gab ich nach und stimmte ihm zu, dass
dies offensichtlich völlig unnatürlich sei. Ein Blick
auf das magische Geflecht offenbarte einen kleinen
Höhleneingang der deutlich magisch leuchtete.
Ich informierte die anderen und wir marschierten dann einfach hinein.
Ich nahm den Schlangenstab in die linke Hand und zückte meinen
eigentlichen Magierstab um die Stabfackel zu entzünden. Da der
Gang zu eng für zwei Leute war und Murtag ihn so komplett
ausfüllte, dass man nicht an ihm vorbeileuchten konnte,
meldete ich mich damit leider freiwillig dafür an der Spitze
zu gehen. Nach etwa zweihundert Schritt Gang kamen wir in eine runde
Höhle. An den Wänden waren Kerzenhalter mit
primitiven Fettkerzen angebracht von denen ich nach kurzem
zögern eine entzündete. Mit viel Rauch entstand eine
kleine flackernde Flamme. Na toll. Den Geruch kannte ich. Menschenfett.
Und wenn die hier nach den alten Traditionen hergestellt waren
vermutlich Kinderfett. Damit war klar, dass hier kein elfischer
Kindergeburtstag gefeiert worden war. Der Stein in der Mitte des Raumes
war mit dicken Schichten verkrusteten Blutes überzogen. Im
Licht der ersten Kerze konnte ich an der Wand einige krude Zeichnungen
erkennen. Ich entzündete einen kompletten Kreis aus Kerzen
damit ich sie in Ruhe anschauen konnte. Dann instruierte ich die
anderen, dass sie auf keinen Fall etwas anfassen oder in irgendeiner
Form Blut vergießen sollten. Auch nicht durch aufkratzen
blutiger, juckender Striemen wie die von Rondrigo. Das hätte
noch gefehlt hier versehentlich ein Opferritual zu starten.
Rune erkannte den Geruch von Menschenfett und informierte die anderen.
Ich stellte mich überrascht und fragte ihn ob das ein
Ritualort seiner Zunft sei. Konnte ich mir nicht verkneifen obwohl es
eindeutig keine Druidische Repräsentation war die hier in den
magischen Strukturen erkennbar war. Das hier war viel archaischer und
primitiver.
An der Wand fand ich eine kreisrunde glatte Stelle mit magischen
Rückständen und einem winzigen Punkt Magie im
Mittelpunkt. Vermutlich der Fokus des Ritualortes. Dem Aussehen nach
erst ganz schwach aktiviert. Insgesamt wirkte der Ort sehr, sehr alt.
Und extrem ineffektiv. Rune untersuchte einige herumliegende Knochen.
Kinder- und Erwachsenenknochen. Die Brustkörbe waren
aufgerissen und die Schädel ebenfalls geöffnet
worden. Dazu gab es Bissspuren, bei denen wir uns einig waren, dass es
sich um menschliche Gebisse handelte.
Blutopfer waren mir bekannt, aber das hier war alles so... ineffektiv.
Primitiv. Mit sowas konnte man nur dämonische Mächte
rufen, aber hier gab es keine Schutzkreise, keine Bannkreise, keine
Glyphen mit wahren Namen. Hier vergoss man Blut und hoffte das etwas
gutes Geschah. Hirnrissig. Zumindest konnte kein Magier
dahinterstecken, die hätten sicher etwas Effektiveres
aufgebaut. Blieb nur ein primitiver Opferkult. Hatte es schon
früher gegeben. Die tauchten immer wieder mal auf. Hatte
mehrere Abhandlungen darüber in Punin gelesen.
Dörfler die mit viel probieren und ein paar Dilettanten einen
Pakt zustande brachten. Immer zu völlig inakzeptablen
Bedingungen. Wo ein guter Dämonologe mit einem einzigen
Menschenopfer, und dem annehmen eines Paktes, Reichtum,
Unverwundbarkeit und magische Fähigkeiten herausholen konnte,
bekamen diese Stümper für zig Menschenopfer ein wenig
mehr Erfolg bei der Jagd oder ein paar Glasperlen.
Die andere Form waren Rituale die verhindern sollten, das etwas
Böses geschah. Die bekamen einfach nichts wenn sie die Rituale
abhielten und Seuchen oder ähnliche Flüche wenn sie
ihre Opferquote nicht erfüllten. Sozusagen dämonische
Schutzgelderpressung. Ich konnte mir vorstellen wie das Ablief wenn so
ein Dämon vorbei kam: „He, schönes Dorf.
Wäre doch Schade wenn hier eine Seuche ausbrechen
würde. Aber zum Glück kann man das verhindern indem
man einmal im Monat eine Jungfrau dort drüben ausbluten
lässt.“
Einige der Bilder an der Wand zeigten ein Wesen mit Peitsche dem
geopfert wurde. Und die Opfernden wurden danach
größer und mit stärkeren Strichen
dargestellt. Natürlich hatte man hier mit Blut gemalt, womit
auch sonst. Ich rechnete ein wenig herum und kam zu dem Ergebnis, dass
hier nur riesige Mengen an Blut etwas bewirken würden. Zuviel
als das ein so kleines Dorf die Quote erfüllen konnte. Die
müssten schon ganze Gruppen von Reisenden abfangen und... Mist!
Ich informierte Helmbrecht, dass das hier eindeutig eine Falle war. Die
Rumtreiber die hier angeblich verschwunden waren, waren nur die letzten
in vermutlich einer ganzen Reihe von Reisegruppen die alle auf die
gleiche Geschichte hereingefallen waren wie wir. Wenn ich Recht hatte,
dann wurde draußen grade der Eingang versperrt und dann
würde man uns aushungern oder ausräuchern. Oder einen
Hinterhalt stellen. Helmbrecht fluchte kurz und dann stürmten
wir zurück. Ich ließ Murtag und Rodrigo den
Vortritt, denn die beiden würden bestimmt mehr Armbrustbolzen
aushalten als ich. Am Ausgang fluchte Murtag plötzlich und
wollte sich zur Seite werfen. Zu spät, dann schon prasselten
um uns herum Pfeile in den Gang. Die meisten verfehlten uns, den Rest
fingen Murtag und Rondrigo netterweise vor mir ab. Dann
stürmte Murtag brüllend nach draußen.
Rodrigo bog nach rechts ab und hielt an. Dumme Idee. Ich sah
draußen eine primitive Balliste mit drei Bauern als Besatzung
stehen die uns gerade mit einem Bündel an Pfeilen
begrüßt hatte. Ich schwenkte nach links und lief
erstmal ein Stück um ein schlechteres Ziel zu bieten. Was auch
gut war, denn ein Pfeil sauste dicht an meinem Ohr vorbei. Der
herumstehende Rodrigo wurde mindestens dreimal getroffen und ging
japsend zu Boden.
Am Waldrand waren zwei Gruppen von je drei Leuten. Dazu einige
Jugendliche die vom Berg oben mit Schleudern nach uns schossen und sich
dann davon machten. Ich wirkte einen Axxeleratus auf mich und wollte
eben in den Waldrand eintauchen um dort nach dem verdammten
Bogenschützen zu suchen der mit grade fast erwischt hatte
bevor er nachladen konnte. Nur kam dann die Büttlerin von
hinten angerast direkt auf Rodrigo zu. Verdammt. Ich konnte entweder in
die Sicherheit der Büsche rasen und mich mit dem
Bogenschützen herumschlagen oder umdrehen und die
Stadtgardistin mit ihrer Hellebarde angreifen. Geübte
Kämpferin mit Stangenwaffe gegen Magier mit Dolch. Dazu konnte
mir der Schütze dann in aller Ruhe in den Rücken
schießen. Schlechte Chancen. Aber wenn ich nicht umdrehte war
Rodrigo gleich Spießbraten.
Ich sah mich kurz um. Murtag hatte endlich seine Waffe gezogen nachdem
er vorher mit bloßen Händen auf drei Gegner
eingestürmt war. Drei Dörfler hatten sich gegen
Helmbrecht gestellt. Zwei davon lagen schon tot am Boden, der dritte
kroch gerade durch das Unterholz davon. Dörfler schlugen sich
überraschend gut gegen Helmbrecht. Rune warf gerade
Kieselsteine auf ein paar Jugendliche... die sich im Flug in einen
Sturm aus Steinen verwandelten. Zorn der Elemente. Interessant.
Keiner hatte die Möglichkeit Rodrigo zu retten. Und in dem
Haufen war er noch der am ehesten normale. Ich drehte ohne weiter zu
überlegen um und raste auf die Büttlerin zu. Diese
schwenkte die Hellebarde herum und raste nun auf mich zu. Mit der
überlegenen Geschwindigkeit des Axxeleratus bremste ich
plötzlich ab und warf meinen Schlangenstab nach ihr. Laut rief
ich: „Stirb!“ das verabredete Signal zum Angriff.
Mein Wurf verfehlte sein Ziel und ich konnte sehen wie der Stab
plötzlich in Bewegung geriet und hinter der rasenden Frau
hinterherschlängelte. Zu langsam um sie einzuholen. Einen
Golem als Magierstab zu führen war mir einst als witzige Idee
erschienen. Jeder ging sowieso davon aus das ein Magierstab magisch
war. Keiner machte sich je die Mühe ihn näher zu
untersuchen. Und die Verwandlung des Stabes in eine Schlange ist einer
der bekannten Stabzauber. Für alle Fälle rief ich
noch laut den Heiligen Argelion um Schutz an. Einmal um jeden der die
Schlange bemerken sollte auf die Idee zu bringen, es könnte
sich um die zumindest unter Geweihten bekannte Liturgie der Hesinde
handeln die ebenfalls den Stab des Trägers in eine Schlange
verwandelte, und zum anderen... nun... ein Wenig Schutz und Beistand
schien mir angemessen da ich wie alle Magier berechtigt war den
Schutzheiligen aller Magier anzurufen. Vor allem wenn ich gerade mein
Leben riskierte um einen Gefährten zu schützen. Wie
Meister DeLinth immer zu sagen pflegte: „Jedes Bisschen
hilft.“
Jetzt musste ich die Frau nur aufhalten bis mir einer meiner
Gefährten zu Hilfe kommen oder die Schlange sie ausschalten
konnte. Ganz einfach...
Viel zu weit entfernt sah ich Murtag mit brutalen Axthieben auf den
Schmied des Dorfes einzuprügeln. Der erste Schlag verletzte
ihn schwer, der zweite trennte fast den Arm ab und schnitt dann tief in
den Körper. Während dieser fiel machte er sich gleich
auf um den Balistenschützen anzugehen. Diesem gelang es
solange ich zusehen konnte aber immer wieder ihn mit dem Schild zu
parieren und im Gegenzug zweimal mit dem Morgenstern zu treffen. Aber
das machte Murtag nur wütender.
Außer Rondrigo benötigte keiner Hilfe, aber alle
waren zumindest so beschäftigt, dass mit
Unterstützung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen war. Ich
raste der Büttlerin entgegen und so dicht an sie heran, dass
sie ihre Stabwaffe nicht mehr sinnvoll einsetzen konnte. Ich rammte ihr
den Dolch ins Bein um sie zu bremsen. Aus dem Augenwinkel sah ich den
Schlangengolem im kniehohen Gras vergeblich nach ihr
beißen. Kurzsichtige Blindschleiche!
Die Büttlerin ließ die Stangenwaffe fallen, sprang
zurück und zog einen Säbel. Ich rief ihr einen Blitz
entgegen der sie sichtlich blendete. Dann ging es wieder ins
Handgemenge. Unten hing kurz der Golem an ihrem Stiefel, biss sich die
kurzen Zähne aber an den dicken Stiefeln aus. Zum Haare
raufen! Hinter ihr begann plötzlich ein Bauer auf und ab zu
springen und sinnlos zu tanzen. Damals dachte ich sie begännen
mit einem Ritual, aber Rune erzählte mir später, dass
es sich um einen Druidenzauber handelte.
Helmbrecht fluchte etwas ein Stück entfernt und informierte
uns, dass der Wirt nun Ziegenaugen und Reißzähne
hatte. Eine Werziege? Ein Paktierer? Gar ein verkleideter
Dämon? Er trug jedenfalls eine Peitsche wie die Figur auf den
Bildern in der Opferhöhle. Hätte ich mir denken
können. Wenn es nicht der Geweihte ist, dann ist es immer der
Wirt. Oder im horasischen der Gärtner.
Ein leichtes zupfen an meinen Haaren lenkte mich kurz ab als ein
weiterer Pfeil aus dem Wald an mir vorbeizischte.
Ich schaffte einen glücklichen Stich in das Bein meiner
Gegnerin, da rannte diese plötzlich davon. Ich griff mir
meinen Schlangengolem der sich sofort wieder starr machte und brav den
Stab spielte. Er hatte zwar nichts gebracht außer mir
moralischen Beistand zu leisten, aber wenigstens hatte keiner eine
Chance gehabt ihn zu sehen.
Unser Druide jagte weitere zwei Gegner in den Wald davon. Wie hatte ich
nicht mitbekommen. An Gegnern sah ich nur noch den Wirt Kelon und den
Soldatenveteranen Glock. Und irgendwo im Wald trieb sich noch der
Bogenschütze herum. Und ein paar Jugendliche mit
Steinschleudern.
Ich konnte nur hoffen das wir noch nicht denjenigen getötet
hatten der wusste was hier wirklich vorging. Das hätte mich
wirklich genervt.