Aus dem Tagebuch des Magus Consultatoris Rodrik Bannwäldner
Beratender Magus zu Fragen schwarzmagischer Phänomene und deren Bekämpfung


04. Praios 1030 BF
Honingen

Meinen dringend notwendigen Umweg musste ich leider aufschieben, denn nachdem Niam die Namen und Adressen der beiden Zeugen herausgefunden hatte, wollten wir uns erst noch einmal besprechen. Es waren der warzengesichtige Schreinermeister Gial Rothair und ein Jendar Hainhof der außer einer verkrüppelten Hand keine herausragenden Merkmale hatte.
Und dann fiel uns natürlich auf, dass wir uns noch gar nicht um eine Unterkunft gekümmert hatten. Und das in einer völlig überfüllten Stadt.

Wir erkundigten uns bei unseren Freunden von den Honinger Wölfen wo wir hier eine günstige Unterkunft finden könnten. Es war ein gemütliches Zusammensein um das große Lagerfeuer über dem ein Spanferkel gebraten wurde. Als Rodrigo endlich auch auftauchte, ging ein Raunen durch die Mannschaft. Neowen hing ihm zufrieden lächelnd am Arm was zu Pfiffen und etlichen anzüglichen Bemerkungen führte.
Der Mittelfeldspieler Larric meinte wir könnten bei ihm schlafen, was seinen Vater, den reichen Gemischtwarenhändler Thule Dreicher etwas überraschte. Er war ein wichtiger Sponsor der Mannschaft. Larric konnte ihn jedoch überreden uns die leeren Dachbodenräume in seiner Villa zur Verfügung zu stellen. Der gutmütige Händler lud uns ein.
Als es spät wurde, brachen wir gut gelaunt und satt zusammen mit dem Händler Thule, seinen Söhnen Larric und Praiom, sowie dem 15-jährigen Oisin auf. Einer der Spieler hatte mir erzählt, das Oisin als Spieler überhaupt nichts taugte, aber sie ließen ihn trotzdem in der Mannschaft auf Bitten von Thule mitspielen, der dadurch einige gute Geschäfte mit Oisins Vater an Land hatte ziehen können. Auch Oisin durfte bei den Dreichers nächtigen.

Der Junge war einfach zu jung und zu klein für diesen brutalen Sport. Aber als ich mich unterwegs mit ihm unterhielt, stellte ich fest dass er einen riesigen Spaß am Imman Spiel hatte. Auch wenn er immer über den Haufen gerannt wurde wenn er mal aufs Feld durfte.

In einer der um diese späte Nachtzeit sehr ruhigen Seitenstraße trat plötzlich etwas mehr als ein Dutzend Gestalten in unseren Weg. Eine stinkende Strauchdiebin mit einer Axt in der Hand forderte Thule auf seinen Goldbeutel heraus zu geben. Sie wies auf die Waffen ihrer Gefährten hin, die tatsächlich mit gefährlich wirkenden rostigen Äxten, genagelten Knüppeln und sogar Sensen bewaffnet waren. Und auf den Dächern zu beiden Seiten über uns waren noch drei Kurzbogenschützen platziert.
Die Anführerin der Banditen befand sich sicher hinten mitten in der Menge und wiederholte nochmal das Ultimatum.

Wir murrten ziemlich und machten uns bereit loszuschlagen, aber Thule erklärte sich bereit seinen Beutel herauszugeben und warf ihn einem der Kerle zu. Mir fiel auf, dass die Männer und Frauen Fuchsbilder auf den improvisierten Wappenröcken trugen. Sollten die etwa Blaue Füchse darstellen? Die sahen keineswegs den gut trainierten und disziplinierten Rebellen ähnlich die wir im Wald kennen gelernt hatten.

Als der Goldbeutel nach hinten gereicht wurde, schien mir die Anführerin fast schon enttäuscht zu sein. Meine Gedanken rasten. Die wollten uns nicht töten, denn sonst hätten sie einfach gleich zuschlagen können. Die wollten offensichtlich eine Schlägerei provozieren. Meiner Ansicht nach um dem Ruf der echten Blauen Füchse zu schaden. Die Anführerin wiegte den Goldbeutel nachdenklich in der Hand. Dann grinste sie und zeigte auf den kleinen Oisin: „Und den will ich auch noch, damit ich und die Mädels noch ein wenig Spaß haben können. Rückt ihn raus!“
Ein paar der weiblichen Schläger ließen anzügliche Pfiffe ertönen. Da platzte mir der Kragen. Jetzt reichte es! Sogar dieser Halbstarke sollte mehr Sex abbekommen als ich! Ich sprach leise einen Axxeleratus und wartete darauf, dass Helmbrecht das Signal zum Losschlagen gab. Aber der überlegte noch und machte dazu keinerlei Anstalten. Die Sekunden vergingen und der kurzlebige Zauber beschleunigte nutzlos meinen stillstehenden Körper.
Dann endlich verlor Murthakh, möge Kor ihn einst in seinen Hallen willkommen heißen, endlich die Geduld und stürmte ohne Vorwarnung brüllend vorwärts. Sofort wirkte ich den vorbereiteten Blitz Dich Find auf die drei Bogenschützen oben. Einer verschwand noch während ich zauberte plötzlich aus dem Sichtfeld. Von den anderen verfehlte nur einer sein Ziel. Als ich mich umdrehte, bemerkte ich, dass Niam fehlte. Sicher der Grund für den plötzlich verschwundenen Bogenschützen. Sie hätte sich ruhig mal mit uns absprechen können bevor sie sich davon schlich.
Da die Schläger uns genau im Auge behalten hatten, konnte man nicht von einem Überraschungsvorteil sprechen. Trotzdem schaffte ich es einen der Gegner mit der axxelerierten Geschwindigkeit zu überrumpeln mit der ich ihn ansprang. Ich hatte mir einen der größten Gegner mit einer Sense ausgewählt. Dieser hatte ein echtes Problem sich gegen mein Bann-Kurzschwert zu verteidigen und konnte so dicht an seinem Körper nicht mit der Stangenwaffe zurückschlagen. Ich stach ihn zweimal ins Bein. Aus dem Augenwinkel sah ich dass Helmbrecht und Murthakh weit weniger erfolgreich metzelten als ich erwartet hatte. Die Berge an Leichen ließen an Umfang stark zu wünschen übrig. Raun hob die Hand um zwei Gegner mit einem Zauber in die Flucht zu schlagen, aber dafür nahmen ihn die beiden übrigen Schützen auf dem Dach unter Feuer und verpassten ihm zwei Pfeile.

Etwas abgelenkt ging mein nächster Hieb mit dem Kurzschwert fehl. Ich konnte meinen Hieb nicht mehr abbremsen und... stach mir ins eigene Bein. Ein grässlicher Schmerz durchtoste mich. Ich sah noch wie mein Gegner mich am Hals packte und hochhob. Dann wurde mir schwarz vor Augen.

Überraschenderweise kam ich wenig später wieder zu Bewusstsein. Rodrigo erzählte mir was ich verpasst hatte: Die Kämpfer hatten, mit Ausnahme von Murthakh, schnell bemerkt, dass die Schläger sich bewusst Mühe gaben niemanden zu töten. Sie wollten uns verprügeln, nicht verkrüppeln oder totschlagen. Helmbrecht und Rondrigo passten ihre Kampfweise erst recht spät an, Murthakh natürlich gar nicht. Als einer der Sensenschwinger versuchte Murthakh von hinten mit einem weit ausgeholten Sensenschwung die Beine weg zu fegen, stolperte der kleine Oisin direkt in den Schlag und wurde voll von der gekrümmten Klinge durch den Bauch durchbohrt. Alle, wiederum mit Ausnahme von Murthakh, hielten kurz betroffen inne. Der Bandit mit der Sense erbleichte sichtlich. Dann befahl ihre Anführerin den Rückzug. Zwei schnappten sich Helmbrechts letzten Gegner der nicht mehr laufen konnte, was Helmbrecht auch in eine Verteidigungsstellung wechselnd zuließ. Murthakhs Gegner nickte ihm noch zu, drehte sich um und... bekam Murthakhs Axt mit solcher Wucht in den Schädel das er halb enthauptet tot zusammenbrach.

Die anderen sammelten sich und zogen sich schnell zur naheliegenden Villa des Händlers zurück.
Dort legten wir den schwer verletzten Oisin auf eine Decke und Raun untersuchte ihn eingehend. Die Bauchverletzung würde ihn mit Sicherheit umbringen, wenn er nicht sofort magisch geheilt wurde. Während Niam meine Beinwunde verarztete, wartete ich gespannt darauf wie er den Einsatz seiner Magie tarnen würde.
Er legte die Hand neben die offene Bauchwunde und... sprach einen Balsam. Dem Händler und Larric fiel die Kinnlade herunter und Larric meinte erstaunt: „Ihr seid ein Magier?“
Raun meinte nur: „Ja.“
Ich war überaus überrascht von seiner Redegewandtheit und Listigkeit. Oder besser dem völligen Fehlen davon.

Als alle Wunden verbunden waren, warfen wir uns in die überaus bequemen Betten die man uns zur Verfügung stellte.


05. Praios 1030 BF
Honingen

Am nächsten Morgen bat uns Händler Thule beim Frühstück den Überfall der Wache zu melden. Er selbst sei durch wichtige Besprechungen verhindert. Er bezweifelte wie ich, dass es sich um echte blaue Füchse gehandelt hatte.

Meine Gefährten sträubten sich alle auch nur in die Nähe von Stadtgardisten zu gehen. Als ob hier in Honingen unsere Steckbriefe hängen würden. Erstens waren wir offiziell verstorben und zweitens hatte man uns eigentlich nie wirklich aktiv suchen müssen bevor man uns verhaftete. Mal abgesehen vielleicht von Helmbrecht und evtl. Murthakh.

Als wir noch diskutierend aus der Villa traten, sprang gerade eine junge Novizin aus dem Travia Tempel nebenan. Sie lief erst fast an uns vorbei, dann blieb sie stehen und musterte uns überrascht. Sie begann glockenhell zu lachen und stürmte auf uns zu um uns zu informieren, dass sie eine Gruppe wie uns hatte suchen sollen. Bruder Travin wünschte uns zu sprechen.
Hatte Mutter Gans uns nicht gewarnt dem Kerl nicht zu trauen?
Dann erinnerte ich mich wieder daran, dass wir den Travia Geweihten eigentlich hatten aufsuchen sollen. Er war offiziell mit der Wahrung des Turnierfriedens beauftragt. Wir sollten nur nicht erwähnen, dass Schwester Walafried oder Travin Gertenwald uns geschickt hatten.
Mutter Gans hatte allerdings nie genau erklärt ob sie ihn für unfähig oder einen Verräter hielten.

Wenn dieses Treffen mal nicht einen der berühmten kharmischen Kausalknoten darstellte. Ich hasste es wenn sowas passierte. Man hatte immer den Eindruck von einer äußeren Macht gelenkt zu werden wie eine Marionette. Schicksal ergeben wanderten wir zum Tempel. Vor dem Eingang legte ich noch unauffällig meinen Golem-Ring in eine der Dekor-Vasen, wo ich ihn hinterher auch wieder abholte. Es erzeugt nicht gerade Vertrauen wenn Dinge beim Betreten von Tempeln zu rauchen anfangen. Helmbrecht machte so schon immer Witze darüber, dass er darauf wartete das ich selber beim Betreten eines Tempels anfinge zu qualmen. Und der Blitz soll mich treffen wenn er mich nicht beim Eintreten sehr genau und misstrauisch beobachtet hatte. Wofür hielt der mich eigentlich?!

Innen trafen wir einen dicklichen kleinen Kerl der wohl der Hochgeweihte des Tempels war. Bruder Travin erzählte uns dann, dass er aus Gareth von einer Gruppe erfahren hatte die man hierher geschickt hatte. Mehr wusste er allerdings nicht. Ich folgerte daraus, dass er nicht unterrichtet worden war sondern einfach ein paar Spitzel in dem Travia-Tempel der Hauptstadt kannte die uns gesehen hatten. Das erhöhte nicht seine Vertrauenswürdigkeit in meinen Augen.

Wir erzählten ihm dass man uns geschickt hatte um ihm bei der Einhaltung des Turnierfriedens zu helfen. Es sei eine Bußqueste für unsere Vergehen gegen Travia. Und jemand im Tempel hätte eine Vision gehabt, dass wir hier hilfreich sein konnten.

Im Gespräch bemerkte ich, dass er tatsächlich gedacht hatte, dass seine einzigen Probleme eventuelle Schlägereien zwischen den Mannschaften sein würden. Und die hatte er geplant durch sein bloßes Auftreten und seine Autorität zu beenden. Mir war nach zehn Minuten Gespräch mit Ealger klar gewesen, dass wir hier auf einem Pulverfass saßen. Und dieser Gänsehirte lebte schon sein ganzes Leben hier ohne die vielfältigen Möglichkeiten für Unheil zu bemerken. Der hatte wirklich das politische Gespür eines Trollzackers. Er bat uns seine Augen und Ohren in der Stadt zu sein und ihm zu berichten wenn ihm etwas auffiel. Dafür bekamen wir auf eine Bitte Niams hin ein offizielles Schreiben das uns als Gesandte der Traviakirche auswies. Beauftragt den Turnierfrieden zu wahren.
Zum Abschluss segnete er uns noch. Da Murthakh allerdings nicht vom Blitz erschlagen oder wenigstens von Gänsefedern gekitzelt wurde, schien es mir unwahrscheinlich dass die Göttin hier tatsächlich zugehört hatte.

Danach gingen wir dann weiter zur Stadtwache wo wir erst einen halb eingeschlafenen Gardisten überreden mussten uns zu Hauptmann Malek Gulford vor zu lassen. Dieser saß mit dem halbvollen Schnappskrüglein notdürftig unter einer Akte versteckt und deutlich angetrunken in seinem Büro. Nachdem die anderen draußen geblieben waren, erstattete ich bewusst laut und zackig Bericht nachdem ich ihm das Schreiben der dicken Gans vorlegte. Bei jedem zweiten lauten Wort zuckte er zusammen. Er trug in seinen bereits vorgefertigten Bericht nur noch den Namen des Opfers ein und bat mich das Ganze als Zeuge zu unterschreiben. Als ich ein fettes Kreuz unter sein Dokument setzte, zuckte er nicht einmal mit der Wimper.
Dass er bei meinem Tarnnamen Elon Carhelan nicht stutzte wunderte mich dagegen nicht. Man musste sich schon sehr gut in der Gildengeschichte auskennen um den Namens des Magiers zu erkennen der kurz vor dem Fall Bosparans die Magierphilosophie neu formuliert hatte.

Beruhigt dass die Sicherheit der Stadt nun in qualifizierten und zuverlässigen Händen lag zogen wir weiter.