Aus dem Tagebuch des Magus Consultatoris Rodrik Bannwäldner
Beratender Magus zu Fragen schwarzmagischer Phänomene und
deren Bekämpfung
10. Praios 1030 BF
Noch vor der Zeit zu der wir normalerweise aufstanden, wurden wir
rüde durch Glockengeläut geweckt. Ausrufer
verkündeten die bevorstehende Hinrichtung in der ganzen Stadt
und baten um zahlreiches Erscheinen.
Ich und Murtakh gingen hin um uns die erwartete Befreiungsaktion
anzusehen.
Raun und Niam wollten die allgemeine Unruhe in der Stadt nutzen um das
Maskottchen der Honinger Wölfe zu entführen.
Dafür wollten Sie einen Drohbrief hinterlassen den ich mit
typisch tobrischen Formulierungen und Schreibweisen aufsetzte. Grob
hieß es: „Verlieret das nägschte Schbiel
mit mindeschtens 2 Punkten Unterschied, sonscht verliert euer Wolf
sei‘ Fell.“
Natürlich würden wir dem Tier nichts tun, aber das
wussten die ja nicht. Die Wölfe waren allseits beliebt, selbst
bei den Nordmärker Mannschaften. Seit den Unruhen hatten sich
die Mannschaftslager umgruppiert und bildeten nun zwei Lager, streng
nach Herkunft der Mannschaften getrennt. Und in der Mitte lag das Lager
der Wölfe als Bindeglied. Sehr symbolisch.
Am Hinrichtungsplatz verschaffte ich mir mit Murtakhs Hilfe einen der
besseren Plätze mit guter Sicht auf den Galgen. Das Gestell
war unten offen und daher war wohl nicht mit dem Fall in einen
Geheimgang oder ähnliches zu rechnen. Außerdem
sollten die drei nacheinander gehenkt werden. Tja, das sah nicht gut
aus. Auf den Türmen der nahen Feste waren
Armbrustschützen platziert. Allerdings hatten sie Ihre
Armbrüste noch nicht gespannt aufgrund des nervigen
Dauerregens. Die Sehnen hätten bei der Luftfeuchtigkeit nicht
lange gehalten.
Dazu war der Weg zum Tor nicht nur durch Wachen sondern auch durch die
Menschenmenge unpassierbar.
Die Menge wurde unruhig als Ansgar auf das Gerüst
geführt wurde. Als Henkerin fungierte hier eine Frau, die mit
ihrer Henkersmaske recht mysteriös wirkte. Sie legte ihm die
Schlinge um und fingerte dann demonstrativ an dem Hebel für
die Falltür herum. Die Menge wurde immer unruhiger.
Ich überlegte schon ob die Rebellen als Diebe im Sinne
alchemistischer Rituale gelten würden. Denn die Hand eines
gehenkten ist Paraphernalium für mehrere dämonische
Domänen. Dann fiel die Kleidung plötzlich von der
Henkerin und sammelte sich in einem wirren Haufen um ihre
Knöchel. Erschrocken versuchte sie ihre
Blöße zu bedecken. Die Menge johlte, wobei ich die
Tättowierung einer Henkersaxt an strategisch passender Stelle
eher abstoßend fand.
Einige der Zuschauer warfen ihre Ölhäute und
Umhänge ab und stürmten vorwärts. Sie
verstrickten die Wachen in ein Gefecht wobei sie sich sichtlich
Mühe gaben niemanden ernsthaft zu verletzten.
Entwaffnungsschläge und Hiebe mit der flachen Schwertseite
waren die Regel. Dann folgten Händeweise Khunchomer Pfeffer
und Niespulver, der die Soldaten für kurze Zeit
außer gefecht setzte.
Die Armbrustschützen waren aus dem Sichtfeld verschwunden,
zweifellos um ihre Armbrüste zu spannen.
Eine meisterlich geworfene Wurfaxt durchtrennte die Henkersschlinge,
dann befreite man schnell die drei Gefangenen.
Die Gruppe verschwand im Getümmel nach einer Finte Richtung
Tor in die Straße die zum Fluchttunnel führte. Kurz
darauf stürmten ein paar genervte Kühe aus dieser
Straße, was die Verfolger erstmal stoppte.
Ich zog mich mit Martukh zurück und wir versuchten mal wieder
aus den Wettquoten für den Tag Manipulationspotentiale
herauszufiltern. Ich fand wie immer kein System. Dann allerdings wurden
die Quoten gegen die bisherigen Favoriten korrigiert. Alles
stürmte um auf die Lüchse zu setzen.
Das Spiel hielten wir genau im Auge, aber da ich mit subtilen
Manövern gerechnet hatte, wurde ich überrascht. Die
Taktik der Tobrier war spätestens nach der dritten
Fehlentscheidung des Schiedsrichters gegen die Lüchse
offensichtlich. Der Schiedsrichter war parteiisch. Und er gab sich
nicht mal viel Mühe es zu vertuschen. Vielleicht fehlte ihm
aber auch das schauspielerische Talent.
Als die Lüchse knapp auf dem durch die vielen
disqualifizierten gegnerischen Spieler verwaisten Feld gewannen, kam es
zu wilden Tumulten. Viel zerrissen wütend ihre Wettscheine.
Ich und Murtakh eilten zu Travin, der uns schon entgegen kam. Er
schickte uns los den Namen und die Adresse des
„Unparteiischen“ zu besorgen. Nach einem Abstecher
zur Turnierleitung rannten wir durch die Stadt. Mir war klar, dass der
Schiedsrichter, der Schreiner Rune Farholf, allgemein bekannt war und
sicher gleich Besuch von einem Mob bekommen würde. Und die
Tobrier würden ihn als Zeugen eventuell auch entfernen wollen.
Im Publikum war uns noch ein fetter Mann aufgefallen der mitten in
einer Gruppe Verbrecher stand. Er wurde wie Niam herausfand als
„Der Fürst“ bezeichnet und war der
Anführer dieser Gauner. Begleitet wurde er von seiner fetten
wie eine Presswurst in ein teures Kleid gepressten Tochter.
Sie hatte versucht ihn mit einem heimlich platzierten Drohbrief zu
erschrecken, aber er hatte nur gelacht.
Nach einer wilden Jagd durch die Stadt fanden wir das Haus des
Schiedsrichters, ein normales zweistöckiges Stadthaus mit der
Werkstatt im unteren Stockwerk und der Wohnung darüber.
Niam sicherte den Hintereingang. Ich untersuchte den Vordereingang. Die
Türe war nur angelehnt. Das war beunruhigend. Waren die
Fanatischen Nutzlosen Alkoholiker bereits vor uns angekommen?
Drinnen fand sich die übliche Unordnung einer
Junggesellenwohnung. Im Wohnzimmer fand ich ein interessantes Bild:
Eine Burg auf einem Felsen. Die kannte ich! Das war die tobrische
Hauptstadt.
Der Schiedsrichter war sicher Tobrier.
Ich überlegte gerade wie wir diese Tatsache nutzen konnten, da
rief mich Murtakh aus dem Schlafzimmer nebenan zu sich. In seinem Bett
lag der Schiedsrichter. Tot. Zumindest war das meine laienhafte
Diagnose anhand der zwei Dutzend Stichwunden die seinen Körper
durchlöcherten. Und der Tatsache, dass er weder atmete noch
aktiv blutete.
Während wir noch überlegten was wir tun sollten,
hörte ich von hinter dem Haus laute Rufe, dann etwas das nach
Kampfgeräuschen klang. Bevor wir jedoch nachsehen konnten,
flog etwas durch das Fenster und zerschellte im Raum. Flammen schlugen
von der Stelle hoch wo jemand eine Lampe mit Öl hereingeworfen
hatte. Ähnliche Geräusche waren aus den umliegenden
Räumen zu hören. Ich raste in das bereits auflodernde
Wohnzimmer und schnappte mir das Bild der tobrischen Hauptstadt als
Beweis und warf mich dann durch das Fenster. Mein Versuch den Sturz
abzufangen scheiterte kläglich, aber wenigstens brach ich mir
keine Knochen.
Die Brandstifter standen direkt vor dem Haus und stürmten nun
waffenschwingend auf mich und Murtakh zu, der bereits vor mir
herausgesprungen war. Er hatte seine Axt noch auf dem Rücken
festgeschnallt und kam nicht dazu sie kampfbereit zu machen. Wir waren
drei zu zwei in der Unterzahl und Murtakh kämpfte mit
Fäusten und Zähnen bis er endlich seine Axt frei
bekam. Dafür stolperte er und fiel. Mit zwei Gegnern die auf
ihn einschlugen, kam er auch nur schwer wieder hoch.
Ich selbst konnte das nur aus dem Augenwinkel beobachten, denn mein
eigener Gegner setzte mir mit seinem Schwert schwer zu. Nachdem mein
Versuch einen Axxeleratus zu zaubern scheiterte, fand ich mich mit
meinem als Bannschwert verzauberten Kurzschwert im direkten Nahkampf
mit einem überlegen gerüsteten und bewaffneten
Gegner. Zumindest war ich nahe genug an ihn heran gekommen, dass er es
etwas schwerer hatte mich zu treffen. Ich versetzte ihm einige
Schnitte, aber durch die Lederrüstung kam kaum etwas durch.
Mein Blitz Dich Find behinderte den Schwertkämpfer kaum.
Nach dem dritten Treffer den ich einsteckte war Murtakh immer noch mit
seinen beiden Gegnern beschäftigt, so dass er mir in
absehbarer Zeit nicht zu Hilfe kommen konnte.
Ich trat zurück und verschränkte die Arme vor der
Brust. Bevor mein triumphierender Gegner diese scheinbare Kapitulation
jedoch für seinen Todesstoß nutzen konnte,
vollendete ich den Transversalis und teleportierte mich zum einzigen
Ort an dem ich Verstärkung zu holen hoffen konnte. Der Kaserne
der Stadtgarde. Genau genommen eine dunkle Ecke zwischen den
Bäumen der Allee neben der Stadtwache, wo ich ungesehen
aufzutauchen hoffte.
Der Kampflärm hallte mir nach meiner Materialisation noch
weiter in den Ohren... Nein, das war wirklich noch derselbe
Kampflärm und Murtakhs Kampfrufe! Meine Orientierung hatte
mich etwas durcheinander gebracht. Ich war präzise dort heraus
gekommen wo ich hin wollte, aber mir war nicht bewusst gewesen, dass
die Kaserne weniger als zweihundert Schritt von der Schreinerei
entfernt lag.