Aus dem Tagebuch des Magus Consultatoris Rodrik Bannwäldner
Beratender Magus zu Fragen schwarzmagischer Phänomene und deren Bekämpfung


03. Efferd 1030 BF
Gareth

Drei Wochen hatten wir nun schon praktisch Urlaub gehabt. Mutter Gans hatte keinen neuen Auftrag und so konnte ich meine Zeit für meine Studien verwenden. Soweit das nun möglich war. Solange Mutter Gans jederzeit ohne Vorwarnung im Raum stehen konnte war es mir zu heiß meine nekromantischen Experimente durchzuführen. Dutzende von Entwürfen und Thesen füllten meine Notizbücher, aber nicht mal eine untote Katze konnte ich verzaubern. Wofür ist die Kraft gut wenn man sie nicht gebrauchen kann?

Und kein Zugriff auf die örtlichen Bibliotheken! Nachdem ich dort so viel Zeit verbracht hatte, war die Gefahr zu groß erkannt zu werden. Miese Hesindefrevler… einen Magier von seinen Studien abzuhalten...

Widerwillig machte ich mich daran die Meditationen durchzuführen die ich nun schon seit Jahren vor mir herschob. Langwierige Übungen um die durch Artefaktmagie geschwächte Aura wieder zu stärken.
Dazu hatte ich auch die Zeit gefunden meinen Magierstab zu verzaubern. Ein fast schmuckloses Blasrohr von einem Schritt Länge. Ein Ritual nach dem anderen band ich in das Holz. Die Bindung. Die Fackel. Der Fokus der Kraft. Und zweimal das Doppelte Maß, einmal normal und einmal reversaliert. Damit konnte er seine Länge von einem halben Schritt bis zu vollen zwei Schritt wechseln. Den Modifikationsfokus sprach ich ebenfalls zweimal.  Und zuletzt noch den Zauberspeicher. Ohne Zweifel die Krone der Stabmagie.

Zwischendurch hatte ich noch einige interessante Diskussionen mit Raun. Er hatte wie die meisten Laien eine völlig übertriebene Vorstellung von Blutmagie. Er ging davon aus, dass man jemandem die Kehle durchschneiden und mit seinem Blut den nächsten Zauber speisen könne. Nun, einige Paktierer hatten bestimmt solche Fähigkeiten. Die normale Methode sah jedoch sorgfältig vorbereitete Rituale vor. In den meisten Fällen war es den Aufwand und das Risiko erwischt zu werden einfach nicht wert. Man kann den Kaiser vor den Augen von Tausenden Soldaten erschlagen und als Held gefeiert werden, aber wenn man den miesesten Gauner statt ihn zu hängen mit Blutmagie noch einem letzten nützlichen Zweck zuführt, wird man lebendig verbrannt. Bestenfalls.

Dann tauchte endlich Mutter Gans mit einem neuen Auftrag auf. Ein Schneider war ermordet worden. Mit seiner Schere erstochen. Das machte mich sofort misstrauisch. Das roch doch nach einem Mord im Affekt bei dem man die Mordwaffe nutzte die gerade herum lag. Warum fand er das verdächtig? Was wusste Mutter Gans was er uns nicht verriet?

Wir ließen uns als Abenteurer für die Aufklärung vom Gildenmeister der Schneider anheuern. Mit dem Zusammenbruch der meisten großen Organisationen war es in den letzten Jahren überall wieder Sitte geworden für alle möglichen Probleme reisende „Helden“ anzuheuern. Überall im Land waren immer wieder die Aufrufe zu finden, wie in der guten alten Zeit. „Jungfrau von Seeoger entführt.“ Oder „Findet das Schwert der Göttin!“

Wir befragten die Gesellen. Dabei merkten wir schnell, dass es besser gewesen wäre sich erst den Tatort an zu sehen. Aber gut, wir waren schließlich keine ausgebildeten Ermittler. Und Niam war mit meinen Einwürfen während ihres Verhörs sehr schnell genervt. Dabei wollte ich doch nur helfen...

Niam bekam aus der hübschen Gesellin heraus, dass sie auch nach Dienstschluss noch für ihren Meister „gesorgt“ hatte. Dies war natürlich ein Geheimnis... das vermutlich die Nachbarn, die Kollegen des Schneiders, deren Familien, die Barbiere, deren Frauen und die anderen Kundinnen besagter Barbiere kannten. Aber davon abgesehen war es ein absolut vertrauliches Geheimnis.

Die übrigen drei Gesellen waren Männer und daher uninteressant. Wir ließen sie ohne Essen zurück um sie etwas schmoren zu lassen und gingen erstmal los um uns den Tatort an zu sehen.

Zeugen hatten einen Mann mit südländischem Hut gesehen der kurz am Tatort war. Vermutlich erst nach dem Mord. Von der Zeiteinteilung her hatte es ihm gerade gereicht zu bemerken, dass der Schneider tot war. Eventuell hatte er auch noch etwas vom Tatort entfernt. Und er hatte laut einem Zeugen „Caramba“ gerufen. Was wohl ein Fluch auf almadanisch war.

Ein Fenster eingeschlagen, die Läden ansonsten vorgelegt. Die Haustüre war laut der Zeugin offen gewesen. Niam fand keine Spuren von gewaltsamem Öffnen oder sonstige verdächtige Kratzer am Schloss.

Den Toten hatte man an seinem Arbeitstisch gefunden. Anhand der Blutspritzer rekonstruierten wir seine Lage. Seltsam. Ein Angreifer hätte ihn über den breiten Tisch hinweg angreifen müssen. Schwierig. Und das Tuch dort sah nicht so aus als wäre jemand darüber gestiegen.

Man musste ihn wohl irgendwie von hinten erwischt haben. Wie sich ein Angreifer ungesehen dahin begeben haben sollte war mir jedoch unklar.

Vor allem da der Tote mitten in der Arbeit überrascht worden sein musste. Ich analysierte das Schloss am Eingang, konnte aber keine Spuren von Magie finden.

Unser Almadaner plapperte die ganze Zeit über die meisterhaften Scheren mit Prägestempel die hier herum lagen. Nur die Tatwaffe hatte keinen Prägestempel. Scheren. Langweilig. Niam nervte mich so lange bis ich mir auch diese dämliche Schere ansah. Wer verzaubert schon eine Schneiderschere? Ich nahm sie ihm aus der Hand und ließ unauffällig den Golemkäfer an meinem Ring darauf sehen, während ich durch dessen Augen sah. Zu meiner Überraschung erkannte ich sofort eine dämonisch geprägte stabile Aura. Magisches Unmetall. Hölleneisen des Agrimoth! Das musste aus den Trümmern der fliegenden Festung stammen!

Während ich fasziniert zu einer Analyse ansetzte, schnappte die Schere plötzlich auf. Ich spürte meinen linken Arm nicht mehr, als meine Hand ohne mein Zutun plötzlich fest zu griff und versuchte mir die Schere ins Herz zu bohren. Ich konnte gerade noch mit der anderen Hand dazwischen fahren. Nun steckte mir das Mistding in der Hand. Na toll. Ich brachte es gerade mühsam unter Kontrolle, als Murtakh helfend eingriff und mir die Schere aus der Hand riss. Dass er dabei mehr Schaden anrichtete, als die Schere bisher vermocht hatte, ist klar. Raun verband das Ganze und ich heilte die Wunde etwas später mit einem Balsam.

Er rammte die Mörderschere nach kurzem Hin und Her in den Tisch wo sie Ruhe gab. Ihre eigene Bewegungsfähigkeit schien mir stark eingeschränkt, dafür übernahm sie bei Berührung Körperteile des Opfers. Nun war klar, wie der arme Schneider gestorben war: Als Laien-Akoluth des Ingerimm – wie die meisten Handwerksmeister – gehörte das Opfer zur Gegendomäne des Agrimoth.

Nur, war die Schere versehentlich aus dem niederhöllischen Metall gefertigt worden oder absichtlich? Welcher fähige Werkzeugschmied verwendet herumliegendes Metall…?

Niam räumte derweil den Tresor aus und wir vereinbarten, das Gold zu teilen und nur einen Bruchteil als gefunden zu melden.

Über den Schneider fanden wir heraus, dass er Ärger mit einem Adligen hatte, der dafür bekannt war seine Rechnungen nicht zu zahlen. Meist unter dem Vorwand die Ware wäre schlecht.
Außerdem hatte er Lederrüstungen und Schnittmuster unter einer Diele in der Werkstatt versteckt. Ein Projekt an dem er wohl oft heimlich nachts gearbeitet hatte.

Er hatte seit einigen Monaten überraschend viele lukrative Aufträge an Land gezogen. Rodrigo war überrascht. Er erklärte uns, die Zünfte würden größere Aufträge verteilen, um allen Mitgliedern der Zunft angemessene Einkünfte zu ermöglichen. Ich konnte mich vage daran erinnern gelesen zu haben, dass das für alle Aufträge ab 20 Dukaten galt.

Der Altgeselle, ein langweiliger Zwerg, konnte uns nichts Nützliches berichten. Nur dass die Scheren mit Prägestempel vom besten Werkzeugschmied der Stadt stammten und er hoffte, sich irgendwann auch so meisterhaftes teures Werkzeug leisten zu können.

Fredo, der mittlere Geselle konnte uns nichts Interessantes erzählen. Außer dass er den Verdacht hatte, dass sein Meister Dreck am Stecken hatte. Und dass die Lederer-Zunft und auch ein Schneiderkollege seinem Meister vorgeworfen hatten, ihnen Aufträge weg zu nehmen. Ich erwog ihm von Murthakh die Arme brechen zu lassen weil er unsere Zeit verschwendete, konnte mich dann aber noch beherrschen.

Der jüngste Geselle war der 12 Winter junge Dappert. Er war dem Schneider schon zu Beginn durch ein Missgeschick auf die Nerven gegangen, als er ein neues Kleid mit Milch ruiniert hatte. Seither hatte der ihn als klassischen Prügelknaben für seine schlechte Laune missbraucht.
Wie die anderen Gesellen ließen wir ihn die Schere untersuchen. Im Gegensatz zu den anderen fasste er sie jedoch nicht an. Er schaute sie nur widerwillig an. Wir bedrohten ihn ein wenig, dann gab er zu, von einer Frau die Schere bekommen zu haben. Er sollte sie dem Meister unterjubeln. Sie hätte ihm erklärt, die Schere würde zerbrechen und seinen Meister böse in die Hand schneiden. Was für ein brutaler Meisterverbrecher!
Vermutlich hatte er seinem Meister auch schon Reiszwecke auf den Stuhl gelegt.
Wir ließen ihn vorerst in dem Glauben, dass sein Anschlag nicht funktioniert hatte weil ein Mörder ihm zuvor kam.

Wir berichtetem dem Zunftmeister von unseren Erkenntnissen, ließen jedoch die dämonische Schere und ihre Herkunft aus. Von einigen der verdächtig lukrativen Aufträge wusste er, von anderen jedoch nicht. Irgendwer erwähnte dann auch noch die Indiskretionen mit der Gesellin. Der empörte Zunftmeister verkündete, dass man sie dafür natürlich aus der Zunft werfen würde. Mir kam er etwas zu empört vor. Ich würde Gold wetten, dass er längst davon gewusst hatte. Nun hatten wir unabsichtlich ein junges Mädchen um ihre Ausbildung und ihr Einkommen gebracht. Jetzt würde sie sich ein neues Einkommen suchen müssen… Ich würde ihr mal vorschlagen bei uns zu arbeiten. Wir konnten eine Köchin und Haushälterin brauchen. Und vor allem natürlich die „sonstigen Dienstleistungen“ die sie gewohnt war zu erbringen.

Der Zunftmeister wusste nichts zu sagen warum so viele Boten der Zunft Nachrichten an den Schneider überbracht hatten. Um offizielle Zunftangelegenheiten konnte es sich wohl nicht gehandelt haben. Vielleicht gehörten sie auch zu einer der anderen Zünfte.

Die Werkstatt würde versteigert werden. Der Prozess um die nicht gezahlten Rechnungen des Adligen von Weyringhaus würde von der Gilde fortgeführt werden.

Wir erstellten einen vollständigen Bericht und schickten ihn über einen toten Alrik an Mutter Gans. Dämonische Mordwerkzeugen ließen klar darauf schließen, dass hier mehr auf dem Spiel stand als ein toter Schneider.