Aus dem Tagebuch des Magus Consultatoris Rodrik Bannwäldner
Beratender Magus zu Fragen schwarzmagischer Phänomene und
deren Bekämpfung
13. Efferd 1030 BF
Gut gelaunt wachte ich heute Morgen auf. Endlich wieder eine Nacht ohne
Alpträume. Die letzten drei Nächte waren
erfüllt gewesen von den seltsamsten Visionen.
In allen war ich dicht eingewickelt in ein unbequemes schweres
Kettenhemd und geschmacklose weiße Kleidung. Bar jeder Magie
und ohne meine Artefakte.
Im ersten Traum hing ich an einem Seil über einem Abgrund.
Gerade schwand das letzte Licht der Abendsonne hinter den aufziehenden
Gewitterwolken, als ein ohrenbetäubendes, dissonantes
Wolfsgeheul ertönte. Weitere Stimmen antworteten von allen
Seiten. Dann war es dunkel und eine unerwartete und ungewohnte Furcht
erfüllte mein Herz. Als würde die bloße
Abwesenheit von Licht mich in Angst und Schrecken versetzen.
Völlig unlogisch. Die anderen sollten MICH fürchten
wenn es dunkel wird und sie nicht mehr sehen können was ich
tue! Ich klammerte mich panisch an das Seil an dem ich hing. Der Traum
endete mit den Worten einer gehässigen Stimme die von dort
ertönte wo jemand das Seil mit viel Mühe hoch
zog. Sie klang melodisch und zweistimmig wie die eines Elfen:
„Nun? Wo ist Dein Gott jetzt?!?“
In der zweiten Nacht wurden Schatten lebendig und griffen mich in der
Gestalt von Wölfen an. Ich sah mich wild mit einem Stock mit
Ketten und Kugeln daran um mich schlagen. Reines Glück, dass
ich mir nicht selber den Schädel einschlug. Warum bannte ich
die Wesen nicht einfach? Warum hatte ich keinen Bannkreis vorbereitet?
Eine leise Stimme deren Ursprung ich nicht sehen konnte belehrte mich:
Dies sind keine Dämonen, das sind Feenwesen.
Ja. Klar. Feenwesen. Nicht nur konnte ich nicht mehr zaubern, ich war
in diesem Traum auch noch leichtgläubig und geistig
verlangsamt.
Die letzte Nacht war die Schlimmste: Schattenwölfe, Dunkelheit
und als einzige Vorbereitungsmaßnahme ging ich im Kreis herum
und sang alberne Hymnen auf Praios. Und als der
größte Schattenwolf versuchte mich zu verschlingen,
fiel mir nichts Besseres ein als ihm meinen Schild entgegen zu halten
und immer wieder: „Du kannst nicht vorbei!“ zu
rufen. Ganz wie in dem klassischen Theaterstück „Die
zwanzig Freundschaftsringe des Namenlosen“. Stereotyper und
einfallsloser ging es wohl kaum.
Die Alpträume endlich hinter mir, stand ich auf und
stürzte mich in den Tag. Es gab viel zu tun. Niam hatte mit
ihrem Geistesblitz endlich das Rätsel gelöst und uns
auf die richtige Spur gebracht. Der Schneider hatte mit hoher
Wahrscheinlichkeit den Zunftmeister erpresst als er herausfand, dass
seine Tochter die Macht Agrimoths benutzt hatte, um als Handwerkerin
endlich Erfolg zu haben. Einige ihrer Werke hatten allerdings die
typischen Nebenwirkungen gezeigt, die auftreten wenn sich Amateure mit
Dämonen einlassen. Ätzende Hosen, ein Hochzeitskleid,
das beim Betreten eines Tempels in Flammen aufging... Pathetisch.
Offensichtlich hatte sie den Fehler gemacht ihren Paktvater zu bitten
die Kleidung zu erschaffen. Anstatt sie – wie es
vernünftig wäre – selber zu nähen
und nur die eigenen Fähigkeiten verbessern zu lassen. So war
jedes Werk natürlich von dämonischer Substanz und
Energie erfüllt. Vermutlich hatte die Närrin auch
noch einen Pakt geschlossen. Ihre Seele gegen ein paar hübsche
Kleider. Weiber...
Wir spionierten ihren Laden aus, konnten aber nichts
Verdächtiges herausfinden. Die Fensterläden waren
ungewöhnlich blick- und lichtdicht wenn sie geschlossen waren,
aber das war es auch schon. Nur dass ihre zwei Gesellen und der
Lehrling fast die ganze Arbeit machten, während sie die Kunden
beriet und alles organisierte. Zumindest von der theoretischen Seite
schien sie mir sehr kompetent zu sein. Nur bei der praktischen
Anwendung haperte es wohl.
Ich schickte meinen Golemkäfer hinein und sah mehrfach durch
dessen Augen. Weder die Schneiderin noch deren Gesellen oder der
Lehrling zeigten magische Auren und auch Hölleneisen
ließ sich leider keines finden. Auch nachts, als ich den
Käfer durch den Kamin hineinschwirren ließ, gab es
nichts Verbotenes zu sehen.
Da wir keine Lust hatten die Verdächtige wochenlang zu
observieren, bis wir sie endlich bei ihrem Treiben erwischen konnten,
ersonnen wir einen Plan um sie ein wenig unter Druck zu setzen: Niam
verbrachte einen ganzen Tag damit passende Kleidung einzukaufen und
zurechtnähen zulassen, um sich als reiche
Händlertochter und Raun als ihren Diener auszugeben. Als Niam
sich umgezogen hatte, war sie aufgetakelt wie die Seeadler von Beilunk.
Kaum wieder zu erkennen und durchaus nicht unattraktiv.
In Kämpfen war mir immer aufgefallen, dass ich meist ohne
Rückendeckung dastand, wenn meine Gefährten sich
selbst in den Kampf warfen. Und sobald ich im Nahkampf war, hatte ich
erhebliche Probleme unverletzt zu bleiben. Ich besorgte mir einen
Kampfhund bei einem der örtlichen Hundefänger,
stellte jedoch fest, dass ich kein Händchen für
Dressur hatte. Es war schon ein Erfolg dass er mich nicht biss.
Dem Zunftmeister berichteten wir, dass wir den Adeligen
verdächtigten der seine Rechnungen nicht zahlen wollte. Da ihm
Verbindungen zu den Tobriern nachgesagt wurden, erforderten die
Nachforschungen angeblich erhebliche Vorsicht. Damit war er
natürlich zufrieden. Hauptsache wir waren ihm und
seiner Tochter Erlgunde nicht auf der Spur.
Mutter Gans erhielt natürlich einen korrekten Bericht. Damit
wir es leichter hatten Gefangene zu nehmen, besorgte er uns zwei
Portionen bestes Schlafgift.
Niam spazierte zu der Schneiderin Erlgunde in den Laden und legte dort
eine laut Raun preisverdächtige Schauspielleistung ab. Sie
überzeugte die Handwerksmeisterin, dass sie dringend ein
Ballkleid binnen zwei Tagen brauchte. Geld spiele fast keine Rolle. Der
letztendlich vereinbarte Preis von 30 Dukaten war dreist, aber nicht
unglaubwürdig. Diese komplexe und eilige Arbeit würde
die Schneiderin nur schaffen wenn sie wirklich eine Meisterin war...
wir hofften jedoch sie würde erzdämonische Hilfe
anfordern.
Straßenjungen behielten die Schneiderwerkstatt im Auge und
informierten uns, sobald dort etwas Ungewöhnliches vor sich
ging. So erfuhren wir schnell, dass sie einen Boten losgeschickt hatte.
Nach einem letzten Versuch mit dem dämlichen Köter im
Keller Freundschaft zu schließen, warf ich meinen Golemstab
durch die Türe und befahl ihm den Hund mit seinem giftigen
Biss zu beißen bis er schlief und ihn anschließend
zu erwürgen bis er tot war. Dann schloss ich die Türe
und wartete bis das gleich darauf aufkommende Kläffen endete.
Den Stab nahm ich in Lumpen gewickelt mit, den toten Hund packte ich in
einen Sack mit einem dicken Bündel Lavendel. Das
würde den Geruch notfalls für ein paar Tage
überdecken.
Zuerst packte ich ihn in einen kleinen Leiterwagen und nahm ihn
fröhlich pfeifend mit zu einem Gasthof in der Nähe
unserer Zielperson. Dort warteten wir bis der große
Unbekannte eintraf. Wir rechneten mit einem hochrangigen Paktierer
Agrimoths. Und wir wurden nicht enttäuscht.
Kaum verließ die Gestalt in dunklem Kapuzenumhang zusammen
mit Erlgunde die Werkstatt, brachen wir auf. Murthakh warf sich den
Sack mit dem toten Hund über die Schulter und Niam verschwand
im Schatten um den beiden zu folgen. Dazu sandte ich meinen
Golemkäfer los und ließ ihn Astralsicht und
Lebenssinn aktivieren. Durch die Kombination dieser beiden magischen
Sinne, war schnell erkennbar, dass Erlgundes nichtmagische Aura
dämonisch verunreinigt war. Noch stärker
dämonisch war jedoch die ihres Begleiters. Im Gegensatz zu der
Schneiderin verfügte er jedoch auch noch über eigene
Magie, etwa von der Stärke eines Magiers. Niam
hüllte sich während der Verfolgungsjagd in eine
Illusion der Unscheinbarkeit die sie vor den Paktierern verbarg.
Für den Golemkäfer leuchtete sie jedoch wie ein
Leuchtfeuer.
Die Pirschjagd durch die Stadt war hart. Die beiden nutzten jeden Trick
um Verfolger ab zu schütteln. Schnelle Richtungswechsel,
Verstecken in einem Türrahmen, hinein in einen Laden und durch
den Hintereingang wieder raus. Nur mit größter
Mühe konnten wir ihnen auf der Spur bleiben. Der Weg
führte im Zickzack durch die Stadt hin zum
„Gesplitterten Berg“. Dem Rest der fliegenden
Festung. Warum war ich nicht überrascht...?
Der Endpunkt war ein Hinterhof den wir nur durch eine enge Gasse
erreichen konnten. Diese war mit gleich drei Stolperdrähten
gesichert. Während die anderen locker drüberstiegen,
musste ich schon sehr aufpassen die Fallen nicht auszulösen.
Im Hinterhof fanden wir eine Geheimtür in einem
Müllberg. Dahinter ging es eine Treppe hinunter die wieder mit
Fallen gesichert war. Der Bereich mit Schmierseife kam mir eher albern
vor, bis ich am Boden der steilen Treppe an den aufgestellten
Stahlspitzen vorbei kam. Ein Sturz hier wäre
tödlicher Ernst geworden.
Dann sahen wir weiter vorne eine Schneiderpuppe die in einem vier mal
vier Schritt großen Raum stand. Natürlich erkannte
ich sie sofort als einen Holzgolem des Agrimoth. Und einen ziemlich
primitiven dazu. Ich verzichtete daher auf den Versuch ihn mit dem
Dämonenbann zu zerstören und wir einigten uns
stattdessen auf den Einsatz übertriebener Gewalt.
Niam wirkte einen Zauber der den Raum in Stille tauchte. Murthakh und
Rodrigo stürmten rein und hieben die Schneiderpuppe in kleine
Stücke. Der Stillezauber stellte sich als wirklich wichtig
heraus, denn der Golem hatte als rechte Hand eine große
Glocke die er, sobald er uns sah, sofort hektisch schwenkte.
Danach pirschten wir uns an den eigentlichen Ritualraum an. Der
Oberpaktierer fuchtelte mit einer steinernen Hand herum,
während alle ein Loblied auf Agrimoth anstimmten. Vier weitere
Handwerker-Paktierer und die Schneiderin bildeten den Chor. Auf einem
Altar lagen diverse Handwerkszeuge der Schneiderzunft. Die Melodie war
recht nett und ich prägte mir die ersten paar Zeilen ein
während die anderen die Taktik absprachen. Murthakh legte den
Sack mit dem toten Hund auf den Boden und ich wirkte aus meinem
Stabspeicher den vorbereiteten Skelettarius. Leise knurrend erhob sich
der untote Hund.
Dann griffen wir an. Der Oberpaktierer schaffte es fast, Rodrigos
Armbrustbolzen mit seiner steinernen Hand abzufangen, doch er war nicht
schnell genug. Tief drang der Bolzen in den linken Arm des Paktierers
ein und verletzte ihn schwer. Mein vergifteter Blasrohrpfeil fand sein
Ziel und unsere Zielperson fiel in sofortigen Tiefschlaf.
Danach wirkte ich erstmal einen Gardianum, während der
Paktierer hinter seinem Altar in Deckung sprang. Murthakh bekam einen
Schwarm dämonischer Stecknadeln aus einem Nadelkissen ab,
kümmerte sich aber nicht weiter um die kleinen Stiche. Raun
wirkte einen Zauber der zwei der Kultisten dazu brachte sich
gegenseitig mit Keulen aus Hölleneisen zu verprügeln.
Der untote Hund sprang den vierten Paktierer an und verbiss sich in
dessen Kehle. Dieser wehrte sich mit einer langen, dämonischen
Schere. Murthakh zerlegte im Vorbeirennen beiläufig den Kerl
mit dem Nadelkissen mit seiner Barbarenstreitaxt. Niam und Alraun
blieben klugerweise in meiner Nähe zurück. Niam
wartete mit gespannter Armbrust im Anschlag auf den Oberpaktierer. Da
es keine weiteren Gegner gab, stürmte Rodrigo meinem untoten
Hund hinterher und versetzte dem wehrlosen Kultisten einen
Säbelhieb nach dem anderen.
Nachdem der Anführer seinen gut hörbaren
Armatrutz-Zauber beendet hatte, kam er wieder hinter seinem Altar hoch
und hob beide Arme. Laut rezitierte er die Formel des
niederhöllisch konvertierten Ignifaxius, den Agrimofaxius. Aus
jeder Hand brachen je drei schwarze Lanzen aus Dämonenfeuer
hervor die auf uns zielten. Die rechten drei gingen jedoch alle fehl,
da Niams perfekt abgepasster Armbrustbolzen seinen linken Arm zur Seite
fegte und dieser nun gänzlich unbrauchbar herab baumelte.
Zwei weitere Flammenlanzen prallten wirkungslos von meinem Gardianum
ab, die letzte traf Murthakh, der just einen Augenblick zuvor auf den
Altar gesprungen war, konnte diesen aber nicht weiter beeindrucken.
Als Murthakh den Magier mit einem oder zwei Schlägen wie einen
Baum gefällt hatte, war der Kampf gewissermaßen zu
Ende. Die beiden von Alraun beherrschten Kultisten prügelten
sich gegenseitig bewusstlos. Der Letzte schaffte es dann
tatsächlich noch meinen untoten Hund zu vernichten. Da er
jedoch schon schwer verletzt war, war es Rodrigo ein Leichtes ihn dazu
zu bringen sich zu ergeben.
Nun galt es nur noch die vielen nützlichen Paraphernalia und
das Hölleneisen sicherzustellen bevor Mutter Gans sie in ihrer
abergläubischen Vorsicht noch entsorgte.