Aus den Tagebüchern des Magiers Rodrik Bannwäldner
Verdeckter Ermittler im Auftrag des Zweiten Hofmagiers.
13. Efferd 1030 BF
Der Kampf war kurz und erfreulich einseitig. Es stellte sich allerdings
heraus, dass die Nacharbeit und das Aufräumen deutlich mehr
Aufwand darstellten. Erst mussten wir die Kultisten durchsuchen,
verbinden und dann fesseln.
Ich sortierte die Paraphernalia und die dämonisch aufgeladenen
Werkzeuge. Eins für mich, eins für Travin, eins
für mich...
Bei den Streitkolben aus Hölleneisen war ich hin und her
gerissen. Das waren insgesamt fast fünf Stein
Hölleneisen. Natürlich kein reines, sondern eine
Legierung, aber trotzdem eine erhebliche Menge. Was man damit alles
bauen konnte...
Ich hatte zum Beispiel noch einen Entwurf mit einem
geflügelten Dolch der sich aus der Luft auf meine Feinde
stürzen könnte... Nach meinen Berechnungen allerdings
nur gaaaanz langsam. Das übliche Problem mit Eisengolems.
Wesentlich besser wäre eine Konstruktion aus gefaltetem
Geisterblech, aber die Herstellung dieser Legierung aus
Hölleneisen und Lolgramoth gefälligen Paraphernalien
ist aktuell nur in den Schwarzen Landen bekannt.
Niam ging los um Travin zu holen, während ich einen der
Streitkolben im Haus nebenan versteckte und den Rest in einer Kiste in
einem zerstörten Gebäude ein paar Häuser
weiter.
Während ich nochmal die Kulträume durchsuchte, fiel
mir auf, dass Rodrigos Untersuchung von Erlgunde doch etwas sehr genau
ausfiel. Und sich vor allem auf ihre Brüste
beschränkte. Sie war geknebelt und hatte einen Sack
über den Kopf bekommen um ihren Erzdämon nicht
anrufen zu können. Inzwischen musste sie auch wieder wach
sein, wie man an gelegentlichem Zerren an den Fesseln und dem durch den
Knebel unverständlichen Gemummel erkennen konnte.
Während ich sein Befummeln noch mit einem Schmunzeln
ignorieren konnte, wurde ich doch etwas beunruhigt, als er sich immer
mehr hinein steigerte und offensichtlich ihre gedämpften
Protestrufe in seiner Brünstigkeit für lustvolles
Stöhnen hielt. Als er anfing seine Beinkleider
aufzuknüpfen wurde mir das Ganze zu bunt. Ich ging kurzerhand
hin und pikste ihm einen der vergifteten Pfeile in die Schulter. Wie
ein nasser Sack brach er auf der Stelle zusammen. Ich zog ihn an eine
Wand und zog Erlgunde wieder vernünftig an. Murthakhs
spätere Behauptung ich hätte mir unnötig
viel Zeit gelassen um ihre Brüste wieder richtig zu verstauen
ist glatt erfunden.
Mutter Gans tauchte etwas später als erwartet auf und war sehr
positiv überrascht, dass wir alle lebendig gefangen nehmen
konnten. Von Rodrigo behauptete ich, dass er versehentlich einen meiner
Giftpfeile berührt hatte, der sich in Erlgundes Kleidung
verfangen hatte.
Als er mich fragte ob das alle Paraphernalia seien, behauptete ich,
dass dies der Fall sei. Natürlich glaubte er mir nicht. Also
rückte ich widerwillig den Streitkolben aus
Hölleneisen heraus, schaffte es aber den Rest zu behalten. Ich
bin mir allerdings nicht sicher ob er mich nicht doch durchschaut hatte.
Immerhin hatte ich so zwei Scheren, eine Elle und ein Knäuel
mit dämonischem Zwirn. Genug um zwei Agrimoth
Beschwörungen erheblich zu erleichtern. Natürlich
nicht in der Nähe des gesplitterten Berges. Hier trieben sich
noch so viele freie Dämonen herum, dass jede
Beschwörung mit Sicherheit ungewünschte
Gäste anziehen würde.
Mit Mutter Gans und den Gefangenen fuhren wir mit einer
Gefängniskutsche in das Garether Elendsviertel. Dort hatte er
ein sicheres Haus in dem wir die Gefangenen verhören konnten.
Der Weg führte durch einen verwinkelten Gang dessen
Wände und Decken mit Decken ausgekleidet waren. So
würde kein Lärm nach draußen dringen. Raun
und ich sahen uns an und nickten. Ein Design das wir uns merken
würden.
Mutter Gans erwartete nun von uns die Gefangenen zu verhören.
Das Folterzimmer das er uns zur Verfügung stellte
ließ keine Wünsche offen. Streckbank, Werkzeuge,
eine Kohlenschale mit Schmiede-Blasebalg, diverse Messer und Zangen.
Allerdings waren die grusligeren Geräte deutlich schon lange
nicht mehr genutzt worden. Ich schnappte mir den ersten Gefangenen und
breitete die Zangen, Messer und Foltergeräte mit
ausführlichen Erklärungen vor ihm auf dem Tisch aus.
Dann erhitzte ich einen Schürhaken im Kohlebecken bis zur
Weißglut und fragte ihn dann ob er Rechts- oder
Linkshänder sei. Schließlich wollte ich ihn nicht
gleich berufsunfähig machen. Ich war nun davon ausgegangen er
würde einlenken und alles gestehen. Aber nein, der Kerl musste
den Helden spielen.
Ich drückte den Schürhaken etwas widerwillig gegen
seine Hand. Er weigerte sich immer noch zu reden. Der Kerl war einfach
zu dumm um zu erkennen, dass er auf jeden Fall reden würde. Es
ging nur noch darum wieviel Schmerzen er vorher erleiden würde.
Es widerstrebte mir sehr einen wehrlosen Gefangenen zu foltern. Der
wusste schließlich vermutlich sowieso nichts
Nützliches. Nachdem er sich auch nach schrecklichsten
Drohungen weiter weigerte zu sprechen und mich so vor Mutter Gans und
den anderen blamierte, wurde ich langsam wütend. Murthakh
begann schon abfällige Bemerkungen zu machen. Ich holte die
almadanischen Stiefel und spannte seine Füße ein.
Als ich bemerkte, dass eine seiner Hände noch frei war,
nagelte ich sie genervt mit dem Dolch an den Tisch. Dann
betätigte ich die Schrauben an den Stiefeln die diese immer
weiter zusammenzogen. Endlich begann er zu reden. Zumindest nachdem er
endlich aufhörte sinnlos zu schreien. Und wie erwartet wusste
er rein gar nichts Nützliches. Irgendjemand von der
Schneidergilde hatte ihm ein schreckliches Unrecht angetan, er wollte
sich rächen; dann kam jemand der ihm anbot ihn in den Kult des
alten Schneidergottes Ingramosch einzuführen der sicher seinen
Gläubigen helfen würde... ARGHHhh... Die letzten paar
Schläge bekam er nicht weil ich dachte er wüsste noch
irgendetwas, sondern nur als Strafe für seine grenzenlose
Dummheit.
Abwechselnd verhörten nun meine Gefährten den Rest.
Murthakh schnitzte am Gesicht seines Opfers herum und hielt dessen Hand
in die Kohlenschale. Nach einer Weile forderte MG ihn dann streng dazu
auf endlich auch mal Fragen zu stellen und nicht nur zu spielen.
Rodrigo wollte erst eine grausame almadanische Methode die er
„Wasserspielchen“ nannte versuchen die dem Opfer
das Gefühl gab zu ertrinken. Dann konzentrierte er sich aber
nur kurz und benutzte einen Magiediletantischen Bannbaladin.
Alraun hantierte mit geübter Meisterschaft mit den scharfen
Klingen. Die Kultisten stellten sich als zwei Vollpfosten heraus, die
glaubten den Schneidergott Ingramosch anzubeten. Nur der dritte, er
nannte sich Belkin oder so ähnlich, wusste genau was er tat
und hatte Erlgunde dazu verführt einen Pakt ein zu gehen,
anstatt seine eigene Seele zu verpfänden. Dafür hatte
er sich nach seinen eigenen Angaben einen Minderpakt eingefangen, aber
sein Plan war im letzten Moment vor seinem Tod zu bereuen und den Pakt
zu brechen um so eben doch in die zwölfgöttlichen
Paradiese einzugehen.
Kein ganz abwegiger Plan, aber irgendwie war ich recht sicher das
Rheton mit seiner Seelenwaage nicht viel von derartigen Opportunisten
hält. Andererseits... Selbst das würde nur bedeuten,
dass er in Borons Reich einging und ihm der Weg in die
Zwölfgöttlichen Paradiese verwehrt blieb. Die
Götter würden ihn nicht den Dämonen
überlassen.
Blieben nur die üblichen Fallstricke. Starb er
überraschend oder bereute er nicht wirklich von ganzem Herzen,
dann blieb der Pakt bestehen und seine Seele wurde in die
Niederhöllen zur Seelenmühle gerissen.
Mutter Gans hatte dem Oberpaktierer eine Dosis Bannstaub verpasst und
ihn so harmlos gemacht. Ich ließ ihn weiter verbundenen Augen
gefesselt auf den Stuhl fesseln und blieb hinter ihm stehen damit er
mich nicht mit irgendwelchen Pakt-Fähigkeiten angreifen
konnte. Er trug das Magiersiegel der gefallenen Bann-Akademie von
Ysilia, konnte sich aber weder an seinen Namen noch seine Ausbildung
oder Vergangenheit erinnern. Er war aus dem abgestürzten Berg
gefallen und dann von dem Fiesesten der Kultisten gesund gepflegt
worden. An alles was vorher geschehen war konnte er sich nicht
erinnern, hatte aber noch alle Fähigkeiten behalten. Der
Schneider, dem er in den Schoß gefallen war, hatte sofort
erkannt, dass er einen Kultisten vor sich hatte und versprach sich
durch dessen Hilfe Macht zu erhalten.
Dirion Steinhand, wie er sich genannt hatte, war ein wahres
Musterbeispiel für einen Paktierer Agrimoths. Steinhand und
Holzbein. Ungefähr vierter Kreis der Verdammnis. Kein bisschen
Freude mehr am Leben. Nichts was ihn wirklich zufrieden stellte,
außer der künstlichen Freude die ihm der Dienst an
seinem dämonischen Meister manchmal einbrachte. Pathetisch.
Das erinnerte mich wie immer sehr stark an die Symptome von Leuten die
von sehr starken Drogen abhängig wurden. Genau das gleiche.
Naja, abgesehen von den Schwarzen Gaben und dem Dämonenmal.
Ein weiterer Beweis für mein altes Motto: Wer paktiert,
verliert.
Ich versuchte ihn davon zu überzeugen seinen Pakt zu brechen,
immerhin war es möglich, dass er dazu gezwungen worden war
nachdem seine Akademie fiel. Mutter Gans weigerte sich jedoch einen
Zauber zu versuchen um seine Erinnerungen wieder herzustellen.
Während ich neue Argumente suchte, murmelte der Paktierer
einen Spruch oder eine Anrufung an den Verderber der Elemente und seine
Ketten zerfielen zu Rost. Als hätte er keine Gelenke mehr
darin, drehte sich sein steinerner Arm nach hinten und
verlängerte sich. Ich hatte mich sofort ein Stück
zurückgezogen, aber selbst ich hatte die
niederhöllische Verachtung für Naturgesetze und
Realität unterschätzt. Der völlig
unmögliche Griff erwischte mich an der Kehle und
schnürte mir die Luft ab.
Mutter Gans verpasste dem Kerl einen mächtigen Flammenstrahl
der ihn in Brand setzte, aber darüber lachte er nur. Feuer ist
ein Element Agrimoths. Ein Wasser oder Eisstrahl hätte sicher
besser gewirkt. Murthakh schlug mit seiner Axt auf den Arm ein, aber
dieser war zwar beweglich wie ein Aal, aber trotzdem so hart wie Stein.
Ich zog den Stab aus dem Gürtel und wirkte einen Attributo auf
Murthakh um ihn noch etwas stärker zu machen. Niam packte ihn
ebenfalls an der Schulter und rief „Attributo!“
Dann rammte sie ihm von hinten geschickt den Dolch genau ins
Hinterhauptloch.
Als unser Trollzacker sah, dass er mit der Axt zu lange brauchen
würde um sich durch den Steinarm durch zu meißeln,
ließ er sie fallen und packte die Hand mit seinen
mächtigen Pranken. Er bog die Finger an meinem Hals
auseinander und befreite mich mit größter
Kraftanstrengung.
Denn obwohl der Paktierer nach Niams Stich tot zusammen gebrochen war,
hatte der Griff seines dämonischen Körperteils
keinesfalls nachgelassen. Also schlug Murthakh den Arm doch noch direkt
an der Schulter ab.
Selbst abgetrennt kämpfte das Mistding weiter, allerdings
nicht mehr sehr wirkungsvoll. Murthakh stellte fest den Fuß
darauf und schlug so lange darauf ein, bis es sich nicht mehr regte.
Der Kampf gegen den Paktierer war überraschend anstrengend
gewesen, dafür dass seine Magie ausgebrannt war und er ihn
gefesselt und aufs Schwerste verletzt begonnen hatte. Vermutlich stieg
er in den wenigen Sekunden um mehrere Kreise der Verdammnis auf.
Letztendlich hatte er aber keine Chance gehabt. Offenbar hatte er es
nur darauf abgesehen gehabt, mich mit in die Niederhöllen zu
reißen. Sollte mir das etwa Schmeicheln?
Erlgunde sollte von Niam verhört werden. Mutter Gans ging kein
Risiko ein und ließ sie splitterfasernackt ausziehen. Das
Ergebnis war jedoch deutlich weniger erotisierend als ich erwartet
hätte. Ihr Dämonenmal für den ersten Kreis
der Verdammnis war eine ewig faulende und nachwachsende Nabelschnur.
Igitt!
Wenigstens mussten wir sie nicht lange überreden. Sie forderte
als Gegenleistung nur, dass wir ihr die Chance geben würden in
einem Ingerimm-Tempel zu beichten und sie versuchen zu lassen ihren
Pakt zu brechen. Danach erwartete sie nur noch einen schnellen und
schmerzlosen Tod.
Sie machte im Moment keinen sehr reuigen Eindruck, wusste aber was ihr
blühte wenn sie starb solange ihr Pakt noch Bestand hatte.
Nachdem Mutter Gans diesen Handel akzeptiert hatte erzählte
sie uns ihre Geschichte.
Sie hatte ihren Beruf schon immer gehasst. Aber ihr Vater hatte sie
gezwungen ihm in den Fußstapfen zu folgen. Und er wollte sie
zu seiner Nachfolgerin machen. Sie hatte sich Mühe gegeben
aber sie hatte einfach keine geschickten Finger. Ihr Lehrmeister, der
tote Meister Ferdoker hatte sie oft verprügelt weil sie so
unfähig war. Ohne den Druck durch ihren Vater hätte
er sie mehrfach einfach hinaus geworfen. Lehrgeld oder nicht. Ich hatte
den Eindruck, dass er immer mindestens einen Lehrling gehabt hatte, den
er dazu benutzte, seinen Frust abzubauen. Damals sie und nun den jungen
Fredo. Nicht gerade ein Sympathieträger. Dann hatte er
herausgefunden, dass die ganzen Unglücke mit
Kleidungsstücken zu ihr als Schneiderin
zurückverfolgt werden konnten. Und da er wusste wie schlecht
sie war, war er sowieso Misstrauisch gewesen als sie plötzlich
erfolgreich geworden war.
Er hatte geschlussfolgert, dass sie illegale Magie oder ein verfluchtes
Artefakt benutzte. Damit hatte er dann den Zunftmeister erpresst. Gold
und die meisten lukrativen Aufträge der ganzen Zunft.
Hätte er tatsächlich gewusst, dass sie mit dem
Widersacher Ingrimms paktiert hatte, wäre er mit Sicherheit
zur Kirche gegangen und hätte sie angezeigt.
Erlgunde hatte davon von ihrem Vater erfahren und mit den anderen
Paktierern zusammen die Schere präpariert, so dass sie ihn
töten würde. Sie hatte zu Beginn nicht verstanden was
die Rituale bedeuteten, mit denen sie eine Schere weihte um ihre
Schneiderkünste zu verbessern. Aber den Mord hatte sie bewusst
geplant und auch keinen Moment bereut, so groß war ihr Hass
auf Meister Ferdoker.
Nachdem wir mit den Verhören fertig waren, bedankte sich
Mutter Gans und gewährte uns einige freie Tage. Er weigerte
sich strikt mich zusehen zu lassen wie Erlgunde ihren Pakt brach. Dabei
hätte mich das wirklich brennend interessiert. Würde
ein göttliches Licht aufleuchten? Ein Knall wie von einer
gebrochenen Kette? Das Dämonenmal in Flammen aufgehen? Es gab
schlicht bisher keine Berichte über derartige Ereignisse.
Er berichtete uns aber hinterher, dass sie in einem langen
Gespräch tatsächlich einsichtig geworden war und
nachdem sie ehrlich ihre Taten bereut hatte, hatte sie auch erfolgreich
den Pakt gebrochen. Anschließend war sie direkt und ohne
Aufschub hingerichtet worden. Ein ehemaliger Paktierer war
höchst anfällig für
Rückfälle und so war es das Beste ihn schnellstens
ins Jenseits zu schicken, um so seine Seele zu retten.
Der Zunftmeister nahm die Schuld für den Mord auf sich und
trat von allen Ämtern zurück. Er wurde für
den Mord am Galgen aufgehängt bis er tot war. Die
übrigen Kultisten wurden von uns kurz und schmerzlos
beseitigt. Auch hier war die Gefahr zu groß, dass sie sich
sofort dem nächsten Kult anschließen würden.
Nachdem er uns dies alles berichtet hatte, bat ich den gelehrten Magus
Travin Gerdenwald mir noch die Zauber „Unberührt von
Satinav“ und „Blick aufs Wesen“
beizubringen. Zuerst fragte ich noch nach dem „Seelentier
Erkennen“, aber hier hatte ich keinen Erfolg erwartet. Es war
bekanntlich ein reiner Hexenzauber von dessen Existenz ich nur von
Firunja, der zweiten Gezeichneten erfahren hatte. Sie besaß
eine ähnliche Fähigkeit, verliehen durch die
gesammelte Macht eines Hexenzirkels die in ihre
Katzentätowierung geflossen war. Zwar gab es
Gerüchte, dass er mit einer Hexe liiert gewesen sei, aber
Hexen sind gefühlsbetonte Persönlichkeiten mit
starker Libido und Magus Travin... eher nicht.
Den „Unberührt von Satinav“ kannte Mutter
Gans nicht. Er hatte auch keine Quellen oder Bücher in denen
dieser verzeichnet war. Ich war etwas enttäuscht, aber nicht
überrascht. Der Zauber war im Süden des Kontinents
deutlich verbreiteter und in keiner der Garether Akademien auf dem
Lehrplan.
Der „Blick aufs Wesen“ war dagegen einer von
Travins Hauszaubern den er mir gerne beibrachte. Er wies darauf hin,
dass er ihn persönlich zwar studiert und hinlänglich
geübt hatte, in der Praxis aber fast nie genutzt hatte.
Nun, er mag ein erfahrener Magier und Gelehrter sein. Veteran vieler
Abenteuer und Schlachten. Aber er war kein Schwarzmagier. Daher konnte
er einfach nicht wissen, dass es eine der seltenen Anwendungsarten
dieses Zaubers ermöglichte, den Wahren Namen eines Lebewesens
zu entschlüsseln. Bei Menschen war dies höchst
komplex, aber bei einem Hund oder ähnlichen Tier dagegen eine
triviale Aufgabe. Und den Wahren Namen zu kennen erleichtere die
Erhebung einer Leiche als Untoten erheblich!
Denn interessanterweise lässt sich der Wahre Name nicht mehr
aus der Leiche entschlüsseln sondern muss vorher
herausgefunden werden.
Der Kampfhund hatte sich soweit ganz gut bewährt, aber bevor
ich einen weiteren als dauerhaften Untoten erhob und dafür
eine permanente Impensation akzeptierte, musste der Entwurf noch um
einiges robuster und effektiver werden. Immunität gegen
profane Waffen und regenerative Fähigkeiten, bessere
Kampffähigkeiten und vorzugsweise eine Tarnung damit ihn nicht
jeder sofort als Untoten erkannte. Ich wusste ja aus Erfahrung wie
kleingeistig man in Gareth auf Nekromantie reagierte.
Als nächstes Projekt wollte ich zusammen mit Alraun versuchen
das Blut von Leichen durch ein alchemistisches Substitut zu ersetzen,
das den Verwesungsprozess stoppte und ggf. den Untoten neue oder
bessere Fähigkeiten verlieh. Vor allem plante ich bei Zombies
und Lebenden Leichen die unangenehmen Krankheiten und den
lästigen Geruch zu beseitigen die diese verwesenden
Körper durchzogen. Mir schwebte eine Art Antiseptikum vor,
allerdings kein reiner Alkohol, denn das hätte das Subjekt
viel zu brennbar gemacht. Alraun hatte schon Versuche Blut
auszutauschen unternommen, allerdings war er daran gescheitert, dass
der Herzschlag mit Eintritt des Todes aufhörte und er danach
die Leichen bestenfalls ausbluten lassen konnte. Flüssigkeit
dann wieder in die Adern zu bekommen war schier unmöglich.
Nicht jedoch wenn er mit meiner Hilfe das tote Herz erneut mit
Skelettarius zum Schlagen bringen konnte. Gemeinsam hatten wir das
Wissen hier unerschlossene Pfade der Wissenschaft zu bestreiten und
etwas völlig Neues zu erfinden.
Dazu brauchten wir als erstes eine zweite Unterkunft. Eine, die unser
Auftraggeber nicht kannte und wo er nicht laufend rein spazierte. Ein
schallgedämpfter Keller ohne Einsichtmöglichkeit von
außen. Ein zumindest rudimentäres Alchemielabor.
Doch neben den finanziellen Kosten würde das
größte Problem werden, Alraun davon ab zu halten
wieder mit lebenden Menschen zu experimentieren.