Einsatzbericht Niam Grabesalb, Kodename: Wiesel; MG 6

TRA 1030 BF – FIR 1031

Ein weiterer Bericht den wohl nie ein Verantwortlicher lesen wird.

Aber was gräme ich mich. Überall herrscht Chaos. Gareth liegt am Boden. Überall Bettler und herumstreunende Kinder. Alle auf der Suche nach etwas zu essen. Immer noch geht der Wiederaufbau nur schleppend weiter. Der  Rat der Helden und der Stadtrat tun ihr Bestes – soweit sie nicht mit Intrigen und Befriedigung persönlicher Gier beschäftigt sind.
Dem Reich geht es nicht besser. Immer noch sind überall die Nachwirkungen sowohl Borbarads als auch des Jahres des Feuers – wie man den Überfall durch Galotta’s fliegende Stadt und das Eindringen des Unendlichen Heerwurms unter Rhazzazor nennt – zu spüren.

Auch im Rest Aventuriens ist allerlei geschehen.
Im Lieblichen Feld scheint endlich Ruhe eingekehrt. Jedenfalls haben die nun einen neuen Horas – Khadan  Varsinian Firdayon. Über den bekommt man so gut wie nichts heraus. Eigentlich nur, dass er ziemlich jung ist und zwei andere für ihn die Regentschaft ausüben. Na mal sehen ob der jemals alt genug wird den Thron zu besteigen.
Und kaum haben die Horasier Ruhe im Reich, schon Händeln sie wieder mit Al’Anfa rum. Da geht es wohl um die Zyklopeninseln.
Typisch Al’Anfa. Auf der einen Seite noch den Konflikt mit der Stoerrebrandt-Allianz nicht gelöst – auf der anderen schon den nächsten Streit vom Zaun brechen. Na vielleicht übernehmen die sich endlich so sehr, dass jemand diese Pestbeule ausbrennen kann!

Unser Herr Auftraggeber war eine Weile unauffindbar. Als er dann wieder einmal bei uns war und jemand den neuen Adelsmarschall der Bornländer – Ugo Damian von Eschenfurt – erwähnte, konnte er ein selbstzufriedenes Lächeln nicht unterdrücken. Zuerst dachte ich ja, dass er wohl irgendwie seine Krabbelfinger persönlich reingesteckt hatte, aber dann stellte sich heraus, dass die beiden „nur“ alte Bekannte waren... was immer das auch schon wieder bedeutete.

Und ob man es glauben mag oder nicht – in den Schwarzen Landen wird die Arroganz und Selbstherrlichkeit immer größer. Jetzt haben die in Yol-Ghurmak tatsächlich eine sogenannte „Große Tobrische Warenmesse“ abgehalten. Sicher eine blasphemische Karikatur der Warenschauen zu Trallop und Baliho.
Ich kann mir vorstellen was da so angeboten wurde. Irgendwelche dämonischen Materialien, eklige Paraphernalia, schwarze Artefakte, Sklaven und Waren, die den bereits unter Hunger leidenden armen Bauern und Handwerkern brutal abgepresst wurden.
Bin froh dort nicht mehr sein zu müssen. Das waren meine dunkelsten und schmerzhaftesten Dienstjahre. Zum Glück hat unser halbirrer Magus das nicht rechtzeitig mitbekommen. Rodrik hätte sonst bestimmt versucht dorthin zu gelangen um irgendwelches finsteres Zeug für seine Forschungen zu bekommen.
 
Perricum wurde von einer gewaltigen Flutwelle getroffen! Die fast fertige neue Großbrücke wurde zerstört. Unzählige Tote waren dort zu beklagen. Ob so ein gewaltiges Unglück natürlichen Ursprungs sein kann? Ausgerechnet in der Darpatmündung?
Apropos Darpatien – die haben jetzt wieder eine neue Fürstin. Kaiser Hesindian Hal hat die Swantje von Rabenmund zur Fürstin Irmegund II. gemacht.
Ansonsten machen die Orks wieder ärger. Sie belagern Lowangen! Wahrscheinlich sind sie mit diesen sogenannten Finsterzwergen im Bund, die kurz vorher die Lowanger Eisenminen erobert haben.

Apropos Answin. Wir haben seit kurzem unseren Chef wieder! MG hat uns den Herrn Helmbrecht wieder gebracht! Nachdem er sich im Kerker zu Honingen diese komische fiebrige Krankheit eingehandelt hatte und völlig apathisch und willenlos in der Gegend rumhing, hatte MG ihn mitgenommen. Wo auch immer er war – er scheint wieder voll auf der Höhe zu sein. Hat gleich als erstes – ohne Begrüßung ohne ein Wort – Murthakh zu Boden geschlagen. Der hat ziemlich überrascht geblinzelt als er da so am Küchenboden rumlag. Dann hat Helmbrecht uns alle angeguckt und „Guten Morgen. Ich bin wieder im Dienst“ gesagt. Mehr nicht. Keine Erklärung was mit ihm war, oder wo er untergebracht gewesen ist.
Rodrik ist dann gleich mit verdrießlichem Gesichtsausdruck rauf gegangen und hat sein Zeug wieder aus dem Zimmer des Hauptmanns geräumt. Gut für ihn – das lehrt ihn vielleicht ein wenig Demut und mindert seine Selbstüberschätzung. Seit er für ein paar Stunden während eines Einsatzes den Chef spielen durfte, hat er sich immer mehr aufgebläht. Dachte schon ich müsste ihn ein wenig anpiksen um etwas Luft abzulassen.

MG hatte sich auf die elfische Art empfohlen – oder vielleicht lauerte er auch in irgendeinem Eck herum und hoffte darauf irgendetwas zu erlauschen das wir ihm nicht berichtet hatten.
Jedenfalls haben wir uns dann erst mal hingesetzt und Herrn Helmbrecht erzählt, was wir so alles im letzten Jahr getrieben haben:
Vom toten Schneiderlein. Dem Riesenbild das wir besorgen mussten. – Helmbrecht war überrascht, dass wir das gekauft und nicht gestohlen hatten. Hat mich dabei ein wenig erstaunt angeguckt. Wahrscheinlich hielt er mich bisher eher für ein kleines Dummchen. Naja, er wird schon noch merken was er da für eine wertvolle Mitarbeiterin hat.
Die Geschichten in denen wir für MG einige Leute in der Stadt direkt einfach so töten mussten gefielen ihm genauso wenig, wie die in denen wir jemanden einsammeln und verhören mussten. Er kannte natürlich das „Verhörzimmer“ MG’s noch nicht.
Bei manchen Sachen musste er schon schmunzeln. Als wir zum Beispiel dem Fleischermeister Rodrigo als neue Liebhaberin untergeschoben hatten. Der war ganz schön verblüfft als er im Bett plötzlich feststellte, dass da keine Frau, sondern ein, zugegebener Maßen wohlgestalteter, Mann unter ihm lag. Tat sich auch schwer das ganze seiner Frau zu erklären, die da natürlich gaaaanz zufällig in das Zimmer gestürmt kam. Seitdem hat sie das Sagen im Laden und bestimmt auch was ihr Mann in der Zunft zu sagen hat. Deutlich annehmbareres Preis-Leistungs-Verhältnis für Fleisch und Wurst seit dem.
Auch bei der Geschichte vom Käser der seine Ware lieber versteckte, als sie für ein vernünftiges Geld an die hungernde Bevölkerung zu verkaufen, entlockte ihm ein Schadenfrohes lächeln. Wie Rodrigo und Raun auf die Idee kamen ihm in seinen Träumen und Mußestunden Bilder vom großen Käsemonster zu schicken weiß ich nicht. Als er diesem Käsemonster dann auch noch leibhaftig in seinem Gewölbe gegenüber stand und von diesem hochgehoben und zu Boden geworfen wurde – das war schon ein herrlicher Anblick! Warum Murthakh den armen Kerl dann noch ein paarmal treten musste? Jedenfalls wollte dann auch dieser Tunichtgut den gehorteten Käse ganz schnell loswerden. PERaine- und TRAviatemoel werden es ihm schon danken.
Murthakh brauchte fast eine Woche um den Käsegeruch wieder los zu werden.

Auch dass es immer schwieriger wurde, uns zwischen den Almadanern, Tobriern und den Ledermachern durch zu winden.

Nicht mehr lange und wir treten bei einer unserer Aktionen für MG jemandem derart auf die Füße, dass wir entweder ein Massaker veranstalten, oder aus der Stadt verschwinden müssen.

Natürlich achtete ich darauf, dass niemand etwas erzählte was nicht auch MG wusste. Auch jeglichen Einsatz von dämonischer Magie verschwiegen wir. Da war Herr Helmbrecht noch schlimmer als MG.

Als wieder Ruhe eingekehrt war wollte Herr Helmbrecht etwas trinken gehen. Murthakh bot sich sofort an ihm eine geeignete Weinstube zu zeigen. Ich schloss mich an.
Rodrigo murmelte was von jemandem der auf ihn warten würde. Da er dabei an seinen Rüschen rumzupfte, nahm ich an, er hatte wieder irgendwo eine alte vereinsamte Witwe aufgetan und wollte diese trösten.
Raun und Rodrik warfen sich einen Blick zu der mir ganz klar sagte, dass diese zwei wieder in ihr Geheimlabor verschwinden wollten. Wenn sie schlau waren, würden sie die Gelegenheit nutzen die schlimmsten „Ergebnisse“ ihrer sogenannten wissenschaftlichen Forschung verschwinden zu lassen. Früher oder später würden sie dem Hauptmann ja doch von dem zweiten Haus erzählen müssen.
Bei all ihrer Klugheit – Komiker sind die zwei schon. Erst schicken sie mich los ich solle ein geeignetes Haus mit Keller und Abfluss in die Kanalisation suchen. Dann schicken sie mich los den Schlüssel kopieren zu lassen. Glauben dann tatsächlich das sie beiden die einzigen sind die Zugang zu dem Haus haben und hoffen jeden anderen mit ihren „Sicherheitsmaßnahmen“ fern halten zu können.
Mal ehrlich – was wär ich für eine Agentin, wenn ich nicht die Möglichkeit hätte die zwei bei ihrem Tun zu beobachten?
Was die da unten treiben ist mir im Wesentlichen egal. Ob jemand den MG verschwinden lassen will nun in diesem Keller landet oder im Fluss – wenn juckt’s? Ich sehe zwar keinen praktischen Nutzen, aber solange da keine Untoten, Mumien oder Seuchen aus dem Keller kommen…

Nur sollte Rodrik langsam mal die Produktion von brauchbaren Tinkturen und Tränken in Gang bringen. Die zwei Portiönchen Schlafgift – die wir uns dann auch noch jeweils teilen mussten – sind nicht befriedigend. Vielleicht muss ich da doch mal etwas Druck machen.

In der Kaschemme die Murthakh so großzügig als Weinstube bezeichnet hatte, dauerte es auch nicht lange bis er wieder in eine seiner Raufereien verwickelt war. Nach einem kurzen Rundblick war ich mir auch sicher das MG nicht in der Nähe war. Außer Murthakh und mir war nichts Magisches zu sehen. Dann berichtete ich Herrn Helmbrecht all das, was wir in der Küche ausgelassen hatten und ich für wichtig hielt. Über das Haus und das „Geheimlabor“ regte er sich nicht weiter auf. Bei einigen der Dinge die ich ihm beschrieb verzog er das Gesicht. Einige delikate Kleinigkeiten, wie zum Beispiel den Dämon der uns das Gold vom Gemäldekauf wiederbrachte, behielt ich für mich. Ich achtete darauf Genug Material zurück zu halten um jeden meiner lieben Gefährten gegebenenfalls von meiner Meinung überzeugen zu können. Ein Mädchen braucht nun mal ihre kleinen Geheimnisse!


05. TSA 1031

Heute Abend waren wir gemeinsam im Alten Stiefel. Murthakh wollte da unbedingt hin. Kaum waren wir da, wusste ich auch warum. In der Mitte des Schankraumes war ein Bereich frei von Tischen, und diese kleine Kanalratte die sich an Murthakh gehängt hatte war auch da. Hatte inzwischen deutlich bessere Klamotten an als beim ersten Mal.
Murthakh ist ein Rindvieh! Groß, stark, leicht reizbar und strohdumm! Wie oft hatte ich schon versucht ihm klar zu machen, dass wenn schon jemand Geld mit seinen Schlägereien verdiente, wir das sein sollten – und nicht irgendeine Kanalratte. Das hier war doch wieder eine dieser „zufälligen“ Schlägereien. Wenn die Tobrier, denen dieses Gebiet gehörte, dahinter kamen, dass Rattengesicht hier illegale Kämpfe organisierte und dabei abkassierte gab es Ärger. Wenn sie Rattengesicht die Kehle durchschnitten war mir das auch Recht. Aber sie würden niemals glauben das a.) Murthakh nichts davon gewusst hatte, und b.) kein Geld dafür genommen hatte. Sie würden sich an ihm schadlos halten wollen.
Nicht lange und Murthakh und sein Opfer – Frankward der Troll – brüllten sich gegenseitig an. Naja – jedenfalls würde es nicht sonderlich auffallen wenn der das Gesicht verschoben bekam. So eine Fresse konnte allenfalls eine Mutter lieben – wenn Kharmanthii Mutterliebe kannten.

Während die zwei zugange waren, begab ich mich zu Rattengesicht und machte ihm ein großzügiges geschäftliches Angebot. 30% und die Kämpfe gingen ungestört weiter. Dieser Sohn einer Kanalratte und eines untoten Pferdes – darauf ließ sein Gebiss schließen – lehnte rundweg ab. Nunja – wir würden sehen.
Nach einigem Hin und Her – ich muss sagen das Trollkind hielt sich erstaunlich gut! – schmetterte Murthakh seinen Gegner nieder. Ihm mit einem Krug Bier gratulierend, versuchte ich ihm nochmals klar zu machen, dass Rattengesicht ihn ausnutzte und wahrscheinlich auch einige der Kämpfe zu seinen Gunsten manipulierte. Leider glaubte er mir das nicht. Werde nochmal mit ihm reden müssen wenn er nicht so aufgeputscht ist.

Als Raun, der das ganze mitbekommen hatte, auch noch mit fiesem Grinsen „Schiebung!“ rufend die Stimmung anheizte, tickte Murthakh aus. Unartikulierte Schreie ausstoßend, Schaum vor dem Mund schob sich der Barabarenidiot rücksichtslos durch die Menge.

Plötzlich stand Herr Helmbrecht vor ihm und befahl ihm sich zu beruhigen. Natürlich tat unser Klotz das was er in so einer Situation immer tat – er holte aus. Helmbrecht ließ den Schwinger über sich hinweg sausen – und streckte Murthakh mit einem einzigen Hieb nieder. Mal wieder.
Von Rosshagen blickte sich einmal im Lokal um. Entweder verstummte die grölende Menge, oder – die Betrunkeneren – jubelten ihm noch lauter zu. Das Gesicht verziehend stürzte Helmbrecht einen Becher Wein hinunter, winkte uns und verließ den Laden – Murthakh hinter sich her ziehend.

Zuhause erwartete uns MG schon in der Küche.
Er hatte einen neuen Auftrag für uns. Der Zunftmeister der Kerzenzieher, Horatio Kerzenmacher, natürlich Mitglied des Stadtrates, traf immer wieder seltsame, nicht nachvollziehbare Entscheidungen. Immer häufiger stimmte er im Stadtrat für Dinge die MG missfielen. Er wollte ihn unter vier Augen sprechen. Zu diesem Behufe sollten wir den guten Horatio gleich zum Verhörzimmer bringen.

Da der Kerzenmacher Stadtteil Rosskuppel residierte, sollte das kein größeres Problem darstellen. Wir machten uns sogleich auf. Helmbrecht staunte nicht schlecht wie fix das alles ging. Raun ging in die Speisekammer und holte ein etwas anrüchiges Stück fettes Fleisch in einem Sack. Rodrigo verschwand mit einem „Ich hol die Kutsche“ aus der Tür. Rodrik verschwand nach oben und kam mit einem Gürteltäschchen mit verschiedenen Fläschchen wieder. Murthakh ging in den Keller und kam mit einer großen, dicken, mit mehreren langen Schnüren umwickelten Decke wieder. Ich war im nu in meiner kleinen Einsatzkleidung.

Herr Helmbrecht schien deutlich verblüfft mit welcher selbstverständlichen Effizienz dies ablief. Ohne groß ein Wort zu verlieren löschten wir die Lichter und folgten Rodrigo. Als wir im nur wenige Blocks entfernten Mietstall ankamen, waren die Pferde schon angeschirrt und die nachgemachten Wappenschilde an den Türen abgehängt. Neugierig schaute Helmbrecht unter die Tücher – und fand nichts.
Fragend zog er die Augenbrauen hoch. Ich erklärte ihm kurz dass wir so variabler waren. Einerseits konnte so schnell jedes gewünschte Wappen appliziert werden, anderseits trugen wir uns keinen Ärger mit irgendwelchen Adligen ein, falls offizielle Stellen zufällig einmal die Kutsche untersuchen würden.

Routiniert brachte Rodrigo uns vor Ort. Meinen Rundgang um das Ziel hatte ich schnell beendet. Standard-einfach. Haus eines Handwerksmeisters. Kein Gärtchen. Gitter an allen Fenstern im Erdgeschoss. Ein Hund in der Nachbarschaft. Wenn wir hier länger rumstanden, würde er wohl anschlagen. Raun zog das Fleisch aus dem Sack. Rodrik beträufelte es mit etwas Schlafgift und Ruckzuck hatte sich das Hundeproblem gelöst.
Währenddessen beschäftigte ich mich mit der Haustür. Drei Tröpfchen Öl, dem Schloss gut zugeredet, und nach wenigen Augenblicken konnte ich das Haus betreten.
Wie üblich blieben die anderen vor der Tür. Rodrigo abfahrbereit auf dem Kutschbock. Ich wartete einen Moment ob sich meine Augen genügend an die Dunkelheit gewöhnen würden. Übliche Einteilung. Links ein größerer Empfangs-/Repräsentationsraum. Rechts Treppe mit Läufer nach oben. Weiter hinten Küche mit Lagerraum. Schlafgeräusche. Aha – die Bediensteten durften in oder hinter der Küche schlafen.

Ich winkte die anderen herein und schloss die Tür. Meine Blendlaterne hervorziehend, ließ ich einen schmalen Streifen Licht auf den Boden fallen. Auf Rodrik deutend schlich ich zur Küche. Natürlich folgte dieser, lauschte und nickte. Dann schlich er voran. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte mir, dass Raun Helmbrecht an der Schulter zurückhielt als dieser folgen wollte. Richtig so. Mehr Leute hätten hier nur gestört.
Rodrik schlich voran durch die Küche – und prallte plötzlich zurück! Zwei grünlich glühende Augen starrten ihn bösartig funkelnd an! Das verärgerte Fauchen einer Katze ließ ihn dann erleichtert aufatmen. Sein Stäbchen vorstoßend murmelte er vor sich hin. Ob jedoch „Dreckskatzenvieh!TijakoolsollDichholen“ ein von den Magiergilden anerkannter Cantus ist mag ich zu bezweifeln. Jedenfalls verstummte das Fauchen, und die Augen erloschen.

Erleichtert machte unser Heldenmagus einen Schritt nach vorne – und riss dabei eine große Pfanne vom Herd. Ich weiß nicht wie – aber wahrscheinlich hatte er erst kürzlich eine unschuldige Seele Tasfarelel geopfert – jedenfalls bekam er die Pfanne zu fassen bevor sie auf den Boden aufschlug und stellte sie wieder vorsichtig auf den Herd. Ich setzte hinter ihm dann den zugehörigen Deckel wieder auf und legte den Kochlöffel wieder quer darüber – so wie wir es vorgefunden hatten.
An der Tür zur Schlafkammer angekommen, benutzte ich wieder mein kleines Ölkännchen. Rodrik öffnete die Tür. Dabei nahm er eine, von Bühnen und Schauspielen wohlbekannte, gekrümmte Haltung ein. Den Kopf zwischen die Schultern gezogen, die Rechte mit dem Stab theatralisch erhoben. Ich hatte Mühe das in mir aufsteigende Kichern zu unterdrücken. Ob er tatsächlich glaubte durch diese übertrieben verstohlene Haltung leiser zu sein?

Nach einigen Augenblicken winkte er mir. Ich ließ den feinen Lichtstrahl vom Boden die Zimmerwand hinauflaufen bis er von der Decke reflektiert wurde. Das reichte aus um ein altes Himmelbett und zwei darin befindliche Gestalten erkennen zu können.
Kurz spielte Rodrik an seinen Blaspfeilen herum. Dann entschied er sich anders, nahm seine übliche „Ichzauberejetzt“-Pose ein und „SOMNIGRAVUS“ ertönte sein krächzendes Flüstern. Dann stand er einen Moment da, drehte sich unsicher zu mir um, schaute zurück aufs Bett und sah wieder mich an. Offensichtlich war ihm nicht klar ob sein Spruch gewirkt hatte oder nicht. Ich zeigte auf meine Augen, formte mit meinen Lippen das Wort „ODEM“ und zeigte auffordernd auf das Bett. Vom Blitz der Erkenntnis getroffen, flüsterte Rodrik mit seinem komischen Holzkäfer am Finger. Dieser flog dann eine Runde über das Bett und ließ sich wieder auf der Hand seines Meisters nieder. Erleichtert richtete er sich auf und nickte mir zu.
Ohne weitere Vorfälle kehrten wir zu den anderen zurück. Dort schlich ich mich leise die Treppe hinauf. Dabei suchte ich festzustellen, welche der Stufen zum Knarren neigten.
Ein Gang, vier Türen. An der ersten Links war nichts zu hören. Wieder tat mein Ölkännchen seinen Dienst. Ob es den Bewohnern morgen auffallen würde, wenn keine ihrer Türen mehr quietschte? Eine Schreibstube mit einigen Büchern. Sehr gut. Wenn es belastendes Material gab dann hier.
An den anderen 3 Türen waren unterschiedliche Schlafgeräusche zu hören. Diese ölte ich, ließ sie aber weiter in Ruhe.
Zu meinen Gefährten zurückgekehrt, berichtete ich flüsternd. Herr Helmbrecht erkundigte nach besonderen Merkmalen oder Verzierungen an den 3 Türen. Da fielen mir die Kinderzeichnungen und kleinen Basteleien wieder ein, die die zweite Tür rechts zierten. Eindeutig das Kinderzimmer.
Also war „Eins-Rechts“ zuerst dran. Diesmal schlichen wir alle hinauf. Dabei deutete ich auf die zu meidenden Stufen. Ohne großes Gepolter kamen wir oben an. Nur Helmbrecht mussten wir noch beibringen, dass Militärstiefel für solche Aktionen ungeeignet waren. Wir anderen hatten uns im letzten Jahr bereits so daran gewöhnte weiche, lautlose Schuhe zu tragen, dass wir darüber gar nicht mehr nachdenken mussten und diese immer trugen. Es sei denn, eine entsprechende Rolle schrieb etwas anderes vor.

Wieder gingen Rodrik und ich nach vorne. Ich sprach leise einen eng begrenzten Zauber der Stille. Dann öffneten wir die Tür. Rodrik und ich machten einen Schritt hinein. PHEx war mit uns. Vor uns lag eindeutig der gesuchte Zunftmeister. Mit zwei schnellen Schritten war der Magus am Bett. Zögerte kurz, und stieß dann dem Schlafenden kurzerhand einen seiner Blasrohrpfeile in den Oberarm. Dieser zuckte kurz, und erschlaffte dann.
Dann kamen die anderen hinzu. Murthakh breitete die Decke aus. Raun zog dem Bewusstlosen den Sack über den Kopf und verschnürte ihn leicht um den Hals des Opfers. Zu Anfang war es vorgekommen, dass wir da zu fest zuzogen und die Befragung durch MG leider hinfällige wurde – was diesen nicht glücklich machte!

Währenddessen bekam Helmbrecht Schnüre in die Hand gedrückt. Er und Rodrik fesselten damit Hände und Füße so dass ein steifes Paket entstand.
Auf die Decke, eingewickelt, verschnürt, fertig. Das Ganze hatte keine zwei Minuten gedauert. Murthakh schmiss sich das Bündel über die Schulter und wir verließen das Schlafzimmer. Ich wollte mich schon zur Treppe wenden, da hielt mich jemand zurück. Helmbrecht und Raun wiesen auf das Schreibzimmer. Ah ja! Gegebenenfalls sicherstellen von belastendem Material – wozu auf jeden Fall die Kasse des Beschuldigten gehörte. Hatte ich tatsächlich fast vergessen!
Herr Helmbrecht bedeutete Murthakh hier zu warten.

Wir anderen betraten die Schreibstube und durchsuchten sie systematisch. In der zweiten Schublade des Schreibtisches fand ich eine genau eingepasste Geldkassette. Kurz untersuchte ich auf versteckte Fallen. Nichts.
Ich griff nach der Kassette und stellte sie auf den Schreibtisch. Auf den ersten Blick konnte ich keine Klappe oder ein Schlüsselloch entdecken. Was sollte das denn? Verwundert schüttelte ich sie, um zu spüren, ob sie leer war, denn aufgrund des Stille-Zaubers konnte ich ja keine Geräusche hören.
Noch während ich die verdammte Kassette untersuchte, begann Rodrik hektisch mit den Händen zu wedeln und bedeutete mir die Finger wegzulassen. Dann vollführte er die Gesten seines magischen Analyszaubers. Das kannte ich schon. Nun hieß es warten; der dauerte länger. Ich hockte mich gelangweilt in den bequemen Arbeitssessel und hing die Beine über die Lehne, als ich plötzlich zu Tode erschreckt fast vom Sessel kippte: Laut brüllte eine körperlose Stimme: „DIEBE! DIEBE! DIEBE!“ durch den Raum!

Verdammt! Mein Stillezauber hatte geendet, bevor  Rodrik mit seiner Untersuchung fertig war! Na, die konnte er sich nun sparen. Na toll! Drei arkan Begabte im Zimmer. Einer davon schimpft sich ausgebildeter Gildenmagier – und keiner kommt dabei auf die Idee rechtzeitig nach einer magischen Falle zu suchen! Super!

Nach einer viel zu langen Schrecksekunde legte ich einen weiteren Silentium um mich und die verfluchte Kiste, doch das Geschirr war schon zerdeppert. So schnell ich mit meinem Silentium auch war, der auf die Kassette applizierte „VOCOLIMBO“ hatte genügend Zeit und Lautstärke gehabt um zumindest alle in diesem Hause zu wecken.
Das hatte auch Herr Helmbrecht erkannt und blitzartig reagiert. Raun mit sich ziehend stürmte er zurück auf den Flur. Rodrik und ich mit der Kassette blieben unter der Bürotür stehen. Murthakh war nirgends zu sehen. Entweder war es ihm langweilige geworden und er war schon im Wagen, oder er hatte beim ersten Laut folgerichtig reagiert und sich aus dem Staub gemacht.
Als erstes öffnete sich die Tür zum Kinderzimmer. Ein etwa 10-Jähriger trat mit großen erstaunten Augen in den Gang. Als er die beiden fremden Gestalten sah, blieb er wie angewurzelt stehen. Doch Raun reagierte schon. Aber wie reagierte er? Auf typische Raunart! Mit hoch erhobenen Armen ging er auf den Knaben zu, starrte ihm in die Augen und intonierte mit hohler Stimme „FURCHT!“ Das Resultat – der Bursche riss die Augen noch weiter auf, begann mit sich überschlagender Stimme zu brüllen, nässte sich ein und verschwand in seinem Zimmer und schlug die Tür krachend hinter sich zu. Hören konnte ich das alles natürlich nicht. Der Rest des Hauses aber ganz bestimmt.

Währenddessen hatte sich Helmbrecht an der letzten Tür aufgestellt, den Dolch zum Betäubungsschlag erhoben. Natürlich wurde nun auch diese Tür aufgerissen. Heraus stürmte eine Dame in mittlerem Alter. Sofort brach sie wie vom Blitz gerührt zusammen. Der Hieb Helmbrechts war schnell und effektiv gekommen.
Der Magus und ich kümmerten uns wieder um den Schreibtisch. Die Kassette war offensichtlich eine Attrappe. Sie besaß keinerlei Öffnungen oder Angeln und wog praktisch nichts. Eine saubere, einfache Falle – und ich Profi war darauf hereingefallen! Vielleicht sollte ich zurück nach Rommilys und meine Ausbildung von vorne beginnen!

In der letzten Schublade fand sich eine weitere Kassette. Als ich diese herauszog spürte ich einen sanften Stich. Verdammt! Echt jetzt? Was war nur heute mit mir los?
Ein schneller Blick zeigte mir jedoch, dass nichts Größeres passiert war. Niemand hatte sich um die Falle gekümmert. So konnte die Nadel nicht ganz ausfahren, da sie im eingetrockneten Gift feststeckte.
Diese Kassette war schwer und hatte sich bewegende Teile im inneren. Rodrik nahm diese Kassette auf – und ließ sie prompt wieder fallen, als er von einem Kerzenständer in den Rücken getroffen wurde. Raun hatte ihn geworfen um unsere Aufmerksamkeit zu erlangen. Er winkte hektisch und verschwand die Treppe runter.

Helmbrecht, Rodrik und ich folgten. An der Haustür blieb ich kurz stehen und schloss wieder ab. Schließlich gehörte das zum Standardvorgehen und wenigstens irgendwas musste ich heute doch richtig machen.

Dann marschierte ich zur Kutsche. Plötzlich stiegen die Pferde, und gingen durch! Ich sah noch wie Rodrigo auf dem Kutschbock nach hinten geworfen wurde, sich aber festhalten konnte. Raun, der eben am Einsteigen war, klammerte sich geistesgegenwärtig fest und wurde dann von einer Hand hineingezogen.

Helmbrecht, Rodrik und ich schauten erst der Kutsche hinterher und uns dann verblüfft an.

Was war denn da geschehen?

Plötzlich machte Helmbrecht Zeichen. Natürlich! Ich war zu nahe an den Pferden vorbei gegangen und so waren sie in den von mir wegen der Alarmkassette aufrecht erhaltenen Silentium geraten. Plötzlich ertaubt erschraken sie – und taten das was Pferde als Fluchttiere immer tun wenn sie erschrecken: Abhauen!