Aus dem Tagebuch des Magiers Rodrik Bannwäldner
05. Tsa 1031 BF
Gareth
Wir standen verwirrt vor dem Haus des Ratsherren und Zunftoberhauptes
der Kerzenzieher-Zunft und sahen zu wie unsere Fluchtkutsche lautlos in
heilloser Geschwindigkeit davon raste. Der völlig
überrumpelte Rodrigo verlor die Zügel und wurde
schier vom Kutschbock geschleudert, konnte sich dann aber gerade so
noch halten.
Ich sah Niam verwirrt an. Diese schlug sich mit der Hand auf die Stirn,
dann machte sie die Atak Zeichen für „Flucht, Tiere,
Silentium, Gefahr“.
Mist. Die Kutschpferde waren in den Silentium geraten und in Panik
geraten. Ich verstand zwar nicht warum sie das stören sollte,
aber das war jetzt erstmal egal.
Helmbrecht raste los, der Kutsche hinterher. Dicht gefolgt von Niam.
Ich rannte hinterher, ließ mich aber etwas zurück
fallen um aus der Silentium Zone zu kommen. Sofort wurde ein
höllischer Lärm hörbar. Die klappernden
Räder der Kutsche, das Geschrei der Insassen, das panische
Wiehern der Pferde und dann auch noch das ohrenbetäubende
Quietschen der Bremse als Rodrigo versuchte eine in voller Fahrt
befindliche Kutsche zu bremsen.
In den Geschichten der Barden würde er jetzt akrobatisch auf
eines der Pferde springen, die Zügel direkt am Kopf schnappen
und die Kutsche abbremsen. Aber er hatte wohl andere Geschichten
gehört. Während die Kutsche ihren Vorsprung immer
weiter erhöhte, sah ich unter der Kutsche seine Hände
auftauchen als er sich auf den Kutschbock legte und nach den
Zügeln angelte. Allerdings vergeblich, denn aus meiner
Perspektive war klar erkennbar, dass er da deutlich längere
Arme gebraucht hätte.
Niam hielt kurz an und warf die magische Fallenkassette in einen
Brunnen. Kurz darauf ließ sie wohl endlich den Silentium
fallen, denn nun konnte man das durch das Wasser gedämpfte
„Diebe! Diebe!“ wieder hören. Dann nahm
sie wieder Geschwindigkeit auf. Die Kutsche war inzwischen aus unserer
Sicht verschwunden, war aber in der Ferne noch deutlich zu
hören. Vor allem als sie wohl eine Engstelle passierte und
lautes Krachen und Reißen durch die Gassen hallte. Helmbrecht
und Niam zögerten an einer Abbiegung. Ich orientierte mich
kurz. Die breite Straße für die Karren machte hier
eine Kurve um die alten Mietskasernen zu umgehen, das hieß
wenn wir die engen Gassen rechts nahmen...
„RECHTS!“ rief ich nach vorne und die beiden
beschleunigten wieder.
Normalerweise hätte ich locker Schritt halten können,
aber nicht mit der verdammten Geldkassette im Arm. Das Ding wurde immer
schwerer. Ich hatte keine Zeit ein gutes Versteck zu suchen, also
stopfte ich sie kurzerhand in das nächstbeste
Gebüsch. Als ich an der nächsten Kreuzung kurz
zurück sah um mir die Adresse einzuprägen, sah ich
ein paar jubelnde Bettler mit der Kassette aus dem Gebüsch
kommen. Die konnte ich wohl abschreiben.
Zwei Häuserblöcke weiter kamen wir wieder auf die
gleiche Straße die unsere Kutsche gerade passiert hatte.
Schimpfende nächtliche Passanten und ein überfahrener
Mann zeigten den Weg deutlich an.
Wir rasten weiter hinterher. An einer Kreuzung stießen wir
auf einen Trupp der Stadtgarde, die gerade sichtlich
überlegten ob sie eingreifen sollten. Helmbrecht bremste ab.
Ich überholte ihn, zog direkt an den Gardisten vorbei und rief
laut: „Helft uns! Die Pferde sind durchgegangen und seine
Frau...“ Ich zeigte auf Helmbrecht. „... ist noch
drin!“
Die Männer zeigten die bekannte und erwartete
Hilfsbereitschaft der garethischen Stadtgarde: Sie lachten schallend
und überschütteten uns im Vorbeirennen mit
Spottrufen.
Wenig später holten wir die inzwischen stehende Kutsche ein.
Sie stand zweihundert Schritt nach einem voll gegen die Wand
geschrammten Ochsenkarren, von dem uns noch das aschbleiche Gesicht des
Fuhrmannes entgegen strahlte.
Wir rieben die verschwitzten Pferde ab und fuhren dann in etwas
gemächlicherem Tempo weiter zu unserem Geheimversteck.
Rodrigo erzählte uns wie er vergeblich versucht hatte wieder
an die Zügel zu kommen. Mit immer akrobatischeren Versuchen.
Murthakh war durch die Seitentür aus der rasenden Kutsche
geklettert und hatte es nach einigen todesmutigen Fehlversuchen
geschafft an die Tiere zu kommen. Sein Plan sie zu beruhigen indem er
sie würgte schien mir etwas fragwürdig, aber was
wusste ich schon von Pferden.
Raun hatte es nach einem Fehlschlag geschafft sich in der Kutsche so zu
verkeilen, dass er einen sicheren Stand mit Blick auf die Pferde bekam.
Dann hatte er sie mit einem druidischen Einflusszauber beruhigt.
In Travins sicherem Haus brachten wir den Ratsherren in die
Folterkammer. Travin zog sich in den Hintergrund zurück. Ich
warf mir die Henkersmütze über und zog dem Ratsherren
den Sack vom Kopf. Er warf sich sofort in Position und fragte mich
empört ob ich wüsste wer er sei. Ich bejahte dies und
informierte ihn über den Grund seines Hierseins. Ich als
besorgter Bürger war überrascht und empört
über sein Abstimmungsverhalten im Rat. Vor allem die
Festsetzung neuer fairer Fleischpreise die er bei der Abstimmung letzte
Woche abgelehnt hatte, wäre ein wichtiger Schritt zur Behebung
der Hungersnot gewesen.
Ich erklärte ihm die Spielregeln. Ich stellte Fragen, er hatte
wahrheitsgemäß zu antworten. Erwischte ich ihn bei
einer Lüge, dann wurde er eine Weile gefoltert bevor er wieder
Gelegenheit bekam eine neue Antwort zu wählen.
Anschließend präsentierte ich mit inzwischen viel
Übung die Folterwerkzeuge und erläuterte deren
Handhabung. Zuletzt demonstrierte ich den „Freundlichen
Sessel“ auf dem er bereits sicher festgeschnallt
saß. Zahlreiche Kurbeln ermöglichten es ohne
Anstrengung für den Anwender Messer und Dornen in den
Körper des Befragten zu drücken. Auf die
glühenden Eisen ging ich nur kurz ein mit dem Hinweis, dass
ich sehr hoffte diese nicht einsetzen zu müssen. Denn die
waren erst dran, wenn das Vertrauen in seine Angaben irreparabel
geschädigt war und wir nicht mehr vorhatten, ihn wie geplant
leicht lädiert wieder zurück zu seiner Familie zu
bringen.
Bevor wir ihn mitnahmen, hatte ich noch mit meinem Golemkäfer
überprüft ob er unter einem aktiven Spruch stand oder
magische Fähigkeiten hatte. Dies war wie erwartet nicht der
Fall gewesen.
Während des Verhörs gaben seine Antworten schnell
keinen Sinn mehr und ich machte unauffällig die Geste
für Hellsicht in Richtung Mutter Gans. Vielleicht
würde er etwas finden, denn der Kerl schien mir trotz der
negativen Prüfung meinerseits deutlich unter einem magischen
Einflusszauber zu stehen.
Kaum hatte der zweite Hofmagus seinen einleitenden Odem beendet, da
explodierte der Ratsherr vor mir ohne jede Vorwarnung. Tentakel
wirbelten aus ihm heraus in alle Richtungen und warfen mich mit einem
schmerzhaften Treffer ans andere Ende des Raumes. Binnen weniger
Herzschläge formte sich die bekannte Form eines Shruufs, der
aus den blutigen Fetzen des Ratsherren stapfte und uns sofort angriff.
Als alle meine Gefährten ihre Waffen zogen und ohne zu
Zögern losstürmten kam doch etwas Stolz in mir auf zu
einer solchen Gruppe zu gehören. Selbst erfahrene Krieger
neigen dazu beim Kampf gegen einen derartigen Dämon die Flucht
zu ergreifen und bei einem so überraschenden Auftauchen
hätte niemand kritisiert wenn einer in Panik geraten
wäre.
Ich zog mich an die Wand zurück und zückte ein
Stück Beschwörungskreide. Mit geübten
Schwüngen zeichnete ich ein Pentagramm auf den Boden und
intonierte die bekannte Bannformel.
Raun wirkte einen Zorn der Elemente und eine Wolke aus
Metallschrappnellen fuhr in den Dämon. Allerdings ohne
nennenswerten Schaden anzurichten. Nicht unerwartet. Das ganze hier war
eine Falle für Mutter Gans. Der Dämon war in den
Körper des Ratsherren gebunden worden mit dem Auftrag
zuzuschlagen wenn er mit mächtiger Hellsichtsmagie analysiert
wurde. Ein Shruuf war ein viergehörnter Dämon aus der
Domäne des Belhalhar. Eine Resistenz gegen magische Angriffe
wies diese Art immer auf. Fünf dicke Tentakel
ermöglichten ihm mächtige Angriffe und wer von seinem
Schnabel erwischt wurde, war meist rettungslos verloren. Den musste man
nicht wesentlich aufwerten um eine mörderische Kampfmaschine
zu bekommen. Ich dachte mir noch: Wenn ich das ganze geplant
hätte, wäre er noch von einem Gotongi beobachtet
worden der eine Gruppe von mundanen Mietmördern
herbeiführte.
Der Wahre Namen der Shruufya war weithin bekannt und ich hatte ihn
bereits aus mehreren Quellen studieren können. Mit diesem
Wissen sammelte ich meinen Willen um den Bannzauber zu beenden, als
plötzlich der vor mir heldenhaft kämpfende Helmbrecht
zur Seite geschleudert wurde und dem Shruuf den Weg frei machte mich
mit einem Tentakelschlag zu erwischen der mich durch den Raum gegen die
andere Wand schleuderte. Bevor ich mich wieder aufrappeln konnte,
hörte ich Niam aufgeregt die Treppe herunter stürmen
und rufen: „Angreifer auf der Treppe! Fünf oder
mehr! Mindestens ein Magiekundiger mit Silentium. Der Zwerg ist
tot.“
Zwischen Amboss und Hammer. Na toll. Ich schwankte noch zwischen dem
Versuch den Bannzauber erneut zu wirken und einfach meinen Willen
direkt gegen den Dämon zu stellen und die Kontrolle zu
übernehmen. Aber wenn auf der anderen Seite ein Paktierer
stand, war ich mit einer Kontrollübernahme chancenlos.
Stattdessen verließ ich mich auf den altbewährten
Pentagramma.
Bevor ich den Zauber vollenden konnte, schoss erneut ein Tentakel
zwischen der Verteidigungsmauer aus Schwert- und Axtschwingern
hindurch. Diesmal erwischte er mich am Hals und zog mich zum
mächtigen Vogelschnabel des Gehörnten. Der Biss ging
tief, aber wenigstens zerteilte er mich nicht sofort. Genug Zeit
für M.G. einen Paralysis auf mich zu zaubern der mir das Leben
rettete.
Da ich das Bewusstsein verloren hatte bekam ich gar nicht mit, wie der
Dämon meinen erstarrten Körper dazu benutzte auf die
anderen Kämpfer einzuschlagen. Erst als Murthakh den Tentakel
abschlug, fiel ich wieder zu Boden.
Ich erwachte mit dem Gefühl von eiskaltem Wasser
überschüttet zu werden. Wieder. Und wieder. Und
nochmal. Ganze vier Heilzauber zuckten durch meinen Körper und
ich sah wie selbst die letzten Wunden sich schmatzend schlossen und
makellose Haut hinterließen. Dann konnte ich mich wieder
bewegen. Hinten sah ich Mutter Gans ihren Stab senken. Er musste seinen
kompletten Stabspeicher auf mich abgefeuert haben. Durch die Augen des
Golemkäfers sah ich außerdem einige Gardianum
Rüstungen um meine Gefährten herum. Zumindest nahm
ich an dass es sich darum handelte, denn der Zauber wehrte einige
Schläge des Shruuf ab bevor er verging.
Ich hätte ebenfalls einen Schutzzauber wirken sollen bevor ich
anfing zu zaubern. Aber nun war es dafür zu spät. Mit
höchster Eile ging ich durch die Formel des Pentagramma.
Wenigstens stand das Pentagramm schon.
Rodrigo warf auf Anweisung von Mutter Gans glühende Kohlen auf
den Teppich vor dem einzigen Ausgang. Überraschenderweise ging
dieser sofort in Flammen auf die sich nach oben und um die
Türe herum ausbreiteten. Der Stoff, den wir für eine
reine Schallisolierung gehalten hatten, musste mit einer
höchsten brennbaren Substanz gefüllt sein. Und ich
würde meinen Stab wetten dass sich Brandbeschleuniger durch
das ganze Haus zogen.
Die Gruppe sah schon extrem zusammengeschlagen aus, während
die magische Aura des Dämons bestenfalls noch halb so stark
war.
Dann beendete ich den Spruch mit einem lauten:
„Pentagramma!“
Mein Wille prallte gegen die Macht des Dämonen. Einen Moment
dachte ich er würde dem Zauber widerstehen, dann brach das
astrale Geflecht das ihn in der Dritten Sphäre hielt. Durch
das Pentagramm wurde er in die siebte Sphäre gesogen und dabei
gefaltet und zusammengepresst um durch die kleine Öffnung zu
passen. Es sah recht schmerzhaft aus. Recht so!
Mutter Gans zeigte uns danach einen Notausgang aus dem
Gebäude. Nachdem er den bisher einzigen Eingang in Brand hatte
stecken lassen, war mir klar gewesen, dass es noch einen anderen
Ausgang geben musste. Es wäre nicht sein Stil gewesen sich in
Sicherheit zu teleportieren und die anderen sterben zu lassen. Ich
hätte ihm natürlich folgen können.
Immer vorausgesetzt er aktivierte vorher kein zeitverzögertes
Limbus-Versiegeln Artefakt.
Der Ausgang war natürlich in der für Magier gedachten
Zelle mit der dünnen Schicht Koschbasalt. Wo sonst. Mutter
Gans wollte ja nicht in der eigenen Zelle eingesperrt werden ohne eine
Möglichkeit heraus zu kommen. Murthakh zerschlug auf seine
Anweisung einen bestimmten Ziegel. Dahinter kam eine Öffnung
zum Vorschein in der M.G. irgendeinen Mechanismus betätigte.
Das Geräusch einer Mechanik war knirschend zu hören,
dann fiel die Wand krachend nach außen um und
enthüllten einen Geheimgang. Wir folgten ihn bis zu einer
Geheimtür die in die Kanalisation führte.
Diese Tür ließ sich nur von unserer Seite aus
öffnen, von der anderen aus war nichts von einer Türe
zu sehen. Gute Arbeit. Die Kanalisation war so feucht und stinkend wie
ich erwartet hatte, aber deutlich belebter. In den umliegenden
Kanälen war an mehreren Stellen das platschen von
Füßen zu hören. Unsere Feinde lauerten also
auch hier.
Mutter Gans informierte uns flüsternd, dass wir uns nicht zu
unserem normalen Quartier begeben sollten. Wobei mir das auch klar
gewesen war. Jemand der uns eine solche Falle stellte würde
unser Quartier ausspioniert haben. Stattdessen sollten wir uns in
unserem geheimen Zweitquartier treffen. Ich nickte bevor mir auffiel,
dass er davon eigentlich nichts wissen sollte. Verdammt! Was hatte er
dort gesehen? Hatten wir seit den letzten Experimenten
aufgeräumt?
Da wir noch lebten und Mutter Gans nicht wirklich wütend
wirkte, hatte er vermutlich Rauns „Es gibt sowieso zu viele
Bettler in der Stadt“-Phase nicht mitbekommen. Ich hatte
unserem Druiden auch deutlich genug zu verstehen gegeben, dass er damit
selbst mir zu weit ging. Es hatte drei Tage gedauert die Sauerei zu
beseitigen und alle Teile unauffällig los zu werden.
Ansonsten hatten wir unsere Experimente auf die wenigen Subjekte
beschränkt die M.G. bei aller Mühe nicht dazu
erpressen, bestechen oder bedrohen konnte sich in Bezug auf das
allgemeine Wohl der Garether Bürger wie egoistische
Arschlöcher zu benehmen. Und immerhin hatten sie auch nicht
wirklich gelitten. Verbluten ist eine der deutlich angenehmeren
Todesarten die ich bisher mit ansehen musste.
Mit der letzten Experimentalreihe an Ratten war ich recht zufrieden
gewesen. Unter Skelettarius waren sie ungewöhnlich schnell
geheilt und der Geruch war, soweit ich das in unserem Labor beurteilen
konnte, akzeptabel gewesen. Endgültig
würden wir es erst nach einem Versuch mit Totes Handle wissen,
aber für die unvermeidliche permanente Impensation wollte ich
schon etwas Nützliches heraus bekommen. Wir brauchten einen
Kampfhund. Oder vielleicht einen Raben oder sowas.
Am liebsten wäre mir natürlich ein großer
Kämpferzombie als Leibwächter oder wenigstens ein
Schild-Grog. Aber das würde vermutlich M.G.s Toleranz
überfordern.
M.G. zeigte uns versteckte Symbole an den Kanalwänden die uns
durch die Kanalisation zu einem passenden Ausgang führten. Von
dort schlichen wir vorsichtig zu unserem vermeintlich geheimen
Ausweichhauptquartier.
Zu meiner Erleichterung sah alles sauber und ordentlich aus. Ich hatte
schon befürchtet das Raun wieder ohne mich mit irgendeinem
Experiment angefangen hatte. Gut, die über dem vergitterten
Abfluss zur Kanalisation im Keller an der Decken hängenden
Handfesseln wirkten schon etwas gruselig, aber aktuell hing nichts zum
Ausbluten dran. Im Grunde sah alles andere wie ein primitives
Alchemielabor aus. In einem Fass hatten wir das Ergebnis der letzten
Brauvorgänge gesammelt. Bisher hatten wir es nur mit
Skelettarius an Ratten testen können, die Ergebnisse sahen
aber recht vielversprechend aus. Eine Mischung aus Unauer Salzlake,
Alkohol, Alraunensaft, zerstoßenem Hämatit,
geruchlos machendem Talaschin und einer Mischung von
Heilkräutern. Das Ganze hatte nach zahlreichen Versuchen den
gleichen Salzgehalt wie Blut, roch leicht nach Eisen (während
alle anderen Gerüche unterdrückt wurden) und hatte
durch den Farbstoff Hämatit eine rötliche Farbe. Niam
behauptete allerdings als ich sie zu ihrer Meinung befragte es
wäre irgendwie zu bläulich. Welche Auswirkungen das
Elixier auf eine Leiche haben würde wenn wir das Blut dadurch
ersetzten, würden wir leider erst nach einer permanenten
Erhebung mit Totes Handle erkennen können. Eine Hand des
letzten Verhöropfers hielt sich schon recht lange in dem Glas
mit dem konservierenden Elixier. Ein gutes Zeichen.
Das Blut aus der Leiche heraus zu bekommen hatte sich als sehr leicht
heraus gestellt nachdem Raun die passenden Adern geöffnet und
ich den Herzschlag wieder in Gang gebracht hatte. Das Elixier in die
feinen Blutbahnen zu bekommen war dagegen weit schwieriger geworden als
erwartet. Die Applikation von selbst feinen Schläuchen,
angespitzten hohlen Planzenhalmen und andere Experimente hatten jedes
Mal eine ordentliche Sauerei hinterlassen. Erst als wir Rodrigo um
Hilfe baten kamen wir endlich vorwärts. Er hatte ein paar Tage
experimentiert und dann feines Metallblech um einen Metalldorn
gewickelt und sorgfältig mit einem heißen Metallstab
verschmolzen. Und dann das ganze vorsichtig langezogen, in einzelne
Stücke geschnitten, abgefeilt und angespitzt. Die hohlen
Kanülen eigneten sich ideal für unsere Zwecke und
passten hervorragend in die Halsschlagader.
Zum Glück waren wir so vorausschauend gewesen
genügend Verpflegung einzulagern, so dass wir nun einige Tage
hier den Kopf unten halten konnten, ohne dass wir das Haus
hätten verlassen müssen.
Doch Niam ließ sich davon natürlich nicht abhalten.
Zwar waren wir alle überaus neugierig, ob unser bisheriges
Hauptquartier ebenfalls angegriffen worden war oder nicht, doch Niam
war die einzige von uns, die es sich zutraute sich so zu verkleiden und
zu maskieren, dass wirklich niemand sie erkennen würde. Sollte
ich ihr sagen, dass sich dämonische Wächter nicht
durch Schminke und Verkleidung an der Nase herum führen lassen
würden?
Doch noch während ich darüber nachdachte, hatte sie
unseren Unterschlupf bereits verlassen. Glücklicherweise
bestätigten sich meine Befürchtungen nicht, als sie
nach etlichen Stunden spät in der Nacht wiederkehrte.
Sie berichtete, dass unser Haus in der Tat durchsucht und
verwüstet war, sowie von mehreren Spionen beobachtet wurde.
Alles was wir dort noch an Besitztümern hatten war
unweigerlich verloren. Ein Glück, dass das von mir nur ein
paar Kleidungsstücke und unwichtiger Tand war.
Nach einigen Tagen erhielten wir Besuch von Mutter Gans. Wenig
überraschend eröffnete er uns, dass er es
für angebracht hielt, wenn wir für einige Zeit die
Stadt verließen, bis er die Hintermänner des
Anschlags aufgespürt und zur Strecke gebracht hatte. Einen
kurzem Moment fragte ich mich, warum er dies ohne unsere Hilfe
bewerkstelligen wollte, aber das musste er selbst wissen. Solange wir
aus der Gefahrenzone abgezogen wurden war mir das Recht. Ein kleines,
schmuckes Landhaus in welchem ich und Raun ungestört unseren
Forschungen nachgehen konnten, das hätte doch was!
Wir sollten unseren Krempel packen und uns am nächsten Tag am
Traviatempel im Stadtteil Meilersgrund einfinden. Frohgemut machte ich
mich daran mein wertvolles, alchimistisches Labor in seine
Transportkiste zu verstauen.