Aus dem Tagebuch des Magiers Rodrik Bannwäldner
20. Tsa 1030 BF
Gareth
Nach einigen Tagen Ruhe wurden wir von Travin informiert, dass wir ihn
auf dem Platz vor dem Travia Tempel treffen sollten. Und wir sollten
uns auf eine längere Reise einstellen und alles Notwendige
mitnehmen.
Niam stahl eine vierrädrige Eselkarre und wir luden unsere
Ausrüstung auf. Vorräte, Waffen, mein Labor und was
sonst noch drauf passte. Meinen Golemstab wickelte ich in eine dicke
Decke ein und lud ihn griffbereit oben auf den Karren. Für den
Fall das ihn jemand stahl und auswickelte, bekam er die Anweisung sich
in einem unbewachten Moment davon zu machen und zu mir zurück
zu kommen.
Auf dem Tempelplatz ging es zu wie bei Störrebrands beim
Sommerschlussverkauf. Drei riesige Ochsenkarren wurden mit
Vorräten, Saatgut und Ackerbauwerkzeug beladen. Es waren auch
genügend Wachen da um zu verhindern das gleich alles von den
zahlreichen Schaulustigen gestohlen wurde. Wie üblich
untätig und nutzlos standen drei Geweihte in verschiedenen
bunten Roben herum. Das Wappen verriet sie als Mitglieder des recht
jungen Ordens der „Drei guten Schwestern von den
Feldern“. Ein Orden aus Geweihten von Travia, Peraine und
Tsa. Oder wie ich sie gerne nannte Frigide, Unkrautzüchter und
Pazifisten. Ein Laienorden, oder besser gesagt Stümperorden.
Allerdings musste man ihnen zugutehalten das sie kein Gold für
prächtige Tempel horteten sondern jeden Kreuzer für
den Wiederaufbau des von Borbarad verheerten Landes und die
Unterstützung der dortigen Landbevölkerung ausgaben.
Und zumindest die offiziellen Geschichten berichteten, dass sie sich
auch selber dabei alle die Hände schmutzig machten und im
Schweiße ihres Angesichtes mithalfen. Die drei Gestalten hier
sahen mir nicht ganz so danach aus.
Mit herum standen etliche Verdächtige, bei denen es sich nur
um Siedler und Bauern handeln konnte. Dazu einige kampffähige
Gestalten. Arme Schweine. Beim ersten Grenzscharmützel mit den
Schwarzen Landen würden sie alle draufgehen. Wenn man sie
nicht gleich an der Stadtgrenze ausraubte. Ich sah mich um und suchte
unseren Auftraggeber. Vermutlich hatte er von dem Theater nichts
gewusst als er uns hierhin bestellte... Da fand ich ihn. Verkleidet,
aber an der Haltung und Gestik klar erkennbar übergab er
gerade einen dicken Goldbeutel an einen der Geweihten.
Ich seufzte. Natürlich. Das war ja klar. Wir waren die armen
Schweine die diese Opferlämmer bis zur Schlachtbank in den
Grenzlanden treiben sollten. Wie tief war Mutter Gans gesunken, wenn er
nun solche Methoden einsetzte um die hungernde Bevölkerung zu
verringern...?
Er nahm uns kurz zur Seite und stellte uns dem Anführer der
Reisegruppe vor. Dem Travia-Geweihten Bruder Travinor, Ende
dreißig, pausbäckig und leichtgläubig. Die
Aufgabe bestand darin Saatgut und Ausrüstung sowie ein paar
Siedler nach Wutzenwald zu bringen. Schön mitten in die
Wildermark.
Die Gruppe bestand des Weiteren aus dem Gänseritter Herdfried
von Binsböckel, einem fast sechzig Jahre alten altersdementen
Gänsehüter und dem Perainegeweihten Pyglaion dyll
Garén, einem zwanzigjährigen Zyklopäer,
der sich auf ein tolles Abenteuer freute. Ich beschloss ihn dazu zu
überreden ein rotes Hemd anzuziehen, damit die Gegner das
Opfer auch gleich erkannten und nicht versehentlich einen von uns
erschossen.
Die Kämpfer führte der einäugige, vermutlich
dem Namenlosen geweihte Hasrulf von Baliho an. Für die
Reiseküche war das Soldaten-Ehepaar Alwine und Thorwulf
Guldenstetter zuständig.
Als Späherin war eine bildhübsche junge
Bogenschützin namens Branje dabei. Rodrigo fing sofort an zu
sabbern.
Dann hatten wir noch einen depressiven Rothaarigen, eine
50zigjährige bornländer Waffenmagd und ein Dutzend
Freiwillige ... Schlachtlämmer.
Kaum aus der Stadt draußen ritt uns ein halbes Dutzend
Bannstrahler entgegen und verglich unsere Gesichter mit einem Stapel
Steckbriefe. Es ist ein Armutszeugnis, dass die immer noch Rodrigos
Steckbriefe im Umlauf haben, obwohl er offiziell seit über
einem Jahr tot ist. Er konnte sich zum Glück im
Verhör beherrschen und fiel auch nicht auf den alten:
„Wir rufen dann von hinten seinen Vornamen und schauen ob er
darauf reagiert“ Trick herein. Gut gemacht.
Mutter Gans hätte vermutlich getobt wenn wir direkt vor der
Stadt Bannstrahler und danach zwei Dutzend Zeugen umgelegt
hätten.
Die Reise war überraschend kurzweilig nachdem ich
herausgefunden hatte, dass Pygmäe ein hervorragendes
Hörbuch war. Man musste ihn nur leicht anschubsen und er
erzählte stundenlang von seiner Heimat, seinen Reisen und den
Geschichten die er gehört hatte. Er hatte unterwegs davon
gehört, dass der Dreischwesterorden den Wutzenwäldern
einen „Zyklopäischen Kredit“ senden
wollte. So nennt man in der Finanzsprache einen Kredit von dem man
weder Zins noch Tilgung erwartete.
Helmbrecht zeigte seine Fähigkeiten als Anführer als
er bei der Wacheinteilung aktiv mitwirkte. Er führte ein, dass
immer ein erfahrener Kämpe mit einem Rothemd zusammen Wache
halten solle. Sobald das Rothemd starb, war das für den
Kämpfer dann das Signal Alarm zu schlagen. Zumindest hatte ich
es so verstanden.
Gleich bei der ersten Rast versuchte Rodrigo sein Glück bei
Branje. Er verpasste ihr seinen üblichen magischen Wammie und
war erstaunt, als sie sich nicht sofort die Kleider vom Leib riss,
sondern ihn nur verwirrt anlächelte. Ich muss bei Gelegenheit
mal mit ihm reden. Einfluss-Magie in dem von ihm verwendeten
Ausmaß unterscheidet sich nur unwesentlich davon eine Frau
einfach bewusstlos zu schlagen und sie gemäß dem
Trollzacker Paarungsritus an den Haaren ins Bett zu zerren. Nicht nur
war das unethisch, der Arsch hatte es bei seinem Aussehen auch nicht
mal nötig.
Nach zwei ereignislosen Tagen stürmte der dauerdeprimierte
Ergil mit verdrehten Augen ins Lager und fiel über seine
Kameraden her. Murthakh wollte ihn aufhalten, fiel dann aber nach einer
leichten Berührung an den Armen auf die Knie und starrte nur
noch vor sich hin. Mein Somnigravis versagte kläglich. Es
benötigte keine lange magische Analyse um festzustellen, dass
der Rothaarige besessen war. Und wie ich schnell herausfand, von einem
Dämon. Das war schließlich die einzige
Erklärung wieso er auf Zhayad, der Sprache der
Niederhöllen herumfluchte. Helmbrecht wollte ihn als
nächsten stellen, verfehlte ihn mit seinem geübten
Schmetterschlag aber überraschenderweise. Der Besessene
stieß einen markerschütternden Schrei aus, der
unseren Anführer zusammenbrechen ließ.
Meine Kameraden waren klug genug die Nervensäge nicht einfach
zu töten, da der Dämon dann von jemand anderem Besitz
ergriffen hätte. Wir brauchten also schwere Geschütze.
Ich eilte zu Murthakh und benutzte den Psychostabilis als Gegenzauber
um ihn aus dem Alptraum eines „Eigene
Ängste“-artigen Phänomens zu befreien.
Wütend stürmte er los und schlug Ergil mit einem Hieb
bewusstlos.
Wir fesselten ihn gerade rechtzeitig, bevor er auch schon wieder
überraschend früh aufwachte. Dann hieß es
abwarten bis endlich die zwei überraschten Geweihten angerannt
kamen. Wie vermutet waren sie aber in dieser Situation völlig
nutzlos. Keiner konnte einen Exorzismus oder eine ähnliche
Liturgie wirken. Wieso man die Kerle in das Grenzland zu den Schwarzen
Landen geschickt hatte, war mir ein Rätsel. Ich hatte aber
keine Lust mich hier als Magier zu enttarnen, obwohl ich den
Dämon mit einer Hand auf den Rücken hätte
vertreiben können. Ich überrede die
Dreischwester-Brüder es mit einem Schutzkreis und Gebeten zu
versuchen. Während sie rumsangen, stellte ich meinen Willen
gegen den Dämon und übernahm die Kontrolle. Getarnt
durch den Lärm wollte ich ihm unauffällig den Befehl
zur Rückkehr geben, aber gerade als ich laut: „Kehre
zurück in die Niederhöllen!“ befahl, sank
der Lärmpegel durch einen Strophenwechsel. Der Dämon
fuhr herum, sah mich direkt an und verschwand dann kreischend. Als mich
alle mit offenen Augen anstarrten, hob ich die Arme zum Himmel und
rief: „Gelobt sei Praios der Herr! Ein Wunder!“
Dann gratulierte ich unseren drei Geweihten
überschwänglich zu ihrem starken Glauben der den
Dämon vertrieben hatte.
Niam erzählte hinterher, dass sie einen kleinen Altar mit
Überresten eines Menschenopfers gefunden hatte. Allerdings
schon mehrere Monate alt. Nach der verwendeten Technik
Anhänger der „Wir Opfern mal einfach jemanden und
hoffen das etwas Gutes geschieht“-Schule der
Dämonenbeschwörung.