Aus dem Tagebuch des Rodrik Bannwäldner
23. Tsa 1031 BF
Zurück beim Pilgerzug
Wir holten den Pilgerzug ohne Probleme ein und wanderten bis zum Abend
weiter mit. Ein Bänkelsänger schloss sich unterwegs
der Gruppe an und hüpfte singend und auf seiner Laute
klimpernd um uns herum.
Am Lagerfeuer erzählte er nach dem Abendessen Geschichten aus
der Gegend. Unter anderem vom Finstermann, einem der
Heerführer des Alptraumdrachen, der nach dem Krieg
zurück blieb um die Adelsfamilie der Bregelsaums zu verfolgen.
Als er am Höhepunkt seiner grusligen Geschichte ankam, trat
Murthakh mit seinen weit über zwei Schritt
Größe von Hinten an die Pilger und rief mit
donnernder Stimme: „Buh!“
Pilger warfen sich zur Seite, schrien panisch auf und einer fiel schier
in Ohnmacht.
Unser Geweihter grummelte zwar kurz etwas von Herdfrieden, konnte sich
dabei aber ein Grinsen nicht verkneifen, so dass er sich auf einen
milde tadelnden Blick beschränkte. Vor allem da Murthakh
sichtlich nur einen gutgemeinten Spaß gemacht hatte.
Der Barde schlug ihm dann vor, sich doch mit Blutfaust, dem
Erwählten Kors zu messen.
Auf unserer weiteren Reise trafen wir immer wieder Wanderer die sich
uns für ein Stück anschlossen oder mit uns das Lager
teilten. Dabei hörten wir weitere Geschichten. Von den
schwarzen Mordbäumen, die das Land vergifteten zum Beispiel.
Damit konnten nur Arkhobelim gemeint sein. Diese baumförmigen
Dämonen waren schwer zu beschwören und noch schwerer
zu vertreiben, wenn sie buchstäblich mal an einem Ort Wurzeln
geschlagen hatten. Mir war nur schleierhaft wieso sie jemand
überall in der Gegend pflanzen sollte.
Ein Wanderer erzählte etwas wirklich Interessantes. Eine der
wichtigsten Herrscherinnen von eigenen Gnaden der Wildermark ist
Arnhild von Gallys. Ihr wichtigstes Machtmittel ist ein
mächtiger Golem, der die Stadt bewacht und jeden Widerstand im
Keim erstickte.
Am liebsten würde ich sofort losmarschieren und mir den Golem
mal ansehen. Große Golems müssten eigentlich zu
langsam sein um auf freier Fläche eine ernsthafte Gefahr zu
sein. Man konnte vor ihnen weglaufen, sie in sumpfiges Gelände
oder Fallgruben locken, sie mit Seilen umwerfen... Es gab zahllose
Möglichkeiten. Mit jemandem in der Nähe, der ihn vor
solchen taktischen Manövern warnte, war er vielleicht etwas
gefährlicher. Versehen mit einer Unverwundbarkeit gegen
mundane Waffen könnte das eine so beeindruckende Wirkung
erklären...
Wir hörten noch weitere weniger interessante Geschichten.
Irgendwas um eine Schlacht am Wutzenwald, deren Baron Reisende
überfallen hatte. Darunter einige Boron Geweihte. Nach seiner
Verurteilung wurde er von Göttern oder Magie oder seiner
Tochter oder irgendwas gerettet... Nachdem weder Dämonen noch
Golems vorkamen war ich in meiner Aufmerksamkeit etwas abgeschweift.
Ein Bauer berichtete uns allen Ernstes, dass nun alles besser werden
würde, denn Ortfried, der Tierkönig der Darpatrinder
sei wieder gesichtet worden. Das fand ich zu dem Zeitpunkt noch
witzig...
24. Tsa 1031 BF
Auf dem Weg nach Wehrheim
Unterwegs nahm Raun mich zur Seite und erzählte mir, dass wir
einen latenten Magiediletanten unter den Pilgern hatten. Und einer der
Ochsen hatte ebenfalls eine Aura. Ich brach vor Lachen schier zusammen,
dann merkte ich, dass er es ernst meinte.
Dazu hatte er einige ganz offensichtlich dämonische Beeren
gefunden und die ganze Pflanze in ein Einmachglas gelegt. Keine
schlechte Idee. Immer ein gutes Paraphernalium für
Dämonen aus Agrimoths Domäne.
Ich sah mir das Darpat-Rind ebenfalls an. Sein Name war laut dem
Karrenführer „Otto“. Nicht
ungewöhnlich oder sonderlich beeindruckend. Ich streichelte
ihm über den Rücken und sprach einen Odem.
Tatsächlich eine ungeformte Aura. Ich sprach einen Analys.
Eine knappe halbe Stunde Analyse später musste ich mich
erstmal setzen. Das Viech hatte mehr Astralenergie als ich! Eine
urtümliche natürliche Form von Magie. Kein
verwandelter Mensch wie ich anfangs gedacht hatte. Zunge, Hufe und
Gemächt zeigten Konzentrationen aktiver Magie.
Ich sah mich um und da niemand in der Nähe war schaute ich dem
Tier direkt in die überraschend klugen Augen: „Du
bist nicht wirklich ein Ochse oder? Du bist immer noch ein voll
funktionstüchtiger Stier!“
In meiner Stimme ertönte eine Antwort mit einem drohenden
Unterton: „Erzähl irgendjemand davon und Du bist
tot!“
Na toll. Bedroht von einem magischen Stier! Es brauchte nicht viel
Intelligenz um herauszufinden, dass das hier nur Ortfried, der
Tierkönig der Darpat-Rinder sein konnte.
25. Tsa 1031 BF
Der Versuch den Wahren Namen des Tierkönigs mit Blick aufs
Wesen zu entschlüsseln, scheiterte wie erwartet.
Dafür war dieses Wesen viel zu mächtig. Die
Informationen die er mir bot zeigten mal wieder wie nutzlos der Zauber
unter den meisten Umständen war. Ortfrieds mächtigste
körperliche Merkmale waren Stärke und Konstitution,
er war ungewöhnlich klug und charismatisch (für einen
Stier) und seine Huffertigkeit war kläglich
ausgeprägt. Kurz darauf spürte ich einen Zauber von
ihm ausgehend auf mich wirken. Vermutlich versuchte er auch meine Aura
zu lesen, aber damit dürfte er ebenfalls gescheitert sein.
An einem See, an dem wir vorbei kamen, fiel uns etwas auf. Die sonst
überall zugefrorene Wasserfläche war an einer Stelle
offen und dampfte leicht in der kalten Luft. Das Wasser dort musste
deutlich wärmer sein als seine Umgebung. Da es sonst nichts
Interessantes gab, legten wir eine Pause ein und ich und Raun sahen uns
das Ganze an. Vorsichtig pirschten wir durch das dichte Schilf am Ufer.
Erst wurde der zugefrorene Boden matschig, dann handwarm. Murthakh und
Helmbrecht schlossen sich uns neugierig an und stampften wie Ochsen
hinter uns her. Im Wasser fanden wir einen großen Kokon aus
Schilf. Während ich nochmals vergeblich versuchte Magie zu
orten, trat Helmbrecht mit dem Fuß dagegen. Wie er
später behauptete, „nur ganz leicht, um zu sehen, ob
das ganze stabil war“.
Es war nicht stabil. Der Kokon explodierte regelrecht und ein Schwarm
aus zwei Dutzend, je zwei Spann langen Feuerlibellen stieg auf. Diese
Plage, die von den Orks wieder ins Mittelreich gebracht worden war,
fiel über uns und die Rinder her. Mit Schwert und Dolchen
waren wir denkbar schlecht für einen Kampf gegen die kleinen
beweglichen Viecher gewappnet.
Mein erster Fulmen ging in der Eile schief, der nächste fegte
eine Welle des Schmerzes durch das Gelände, die drei der
Feuerlibellen tötete. Äußerlich unverletzt
aber tot fielen sie zu Boden. Während um mich die Schlacht
tobte, faltete ich sorgfältig die Flügel an die
Körper und verstaute sie in meiner Umhängetasche.
Vielleicht konnte man sie als Untote erheben und dabei die
Wärmeabstrahlung erhalten.
Ich sah mich um. Die Lage schien gut unter Kontrolle zu sein. Die
Pilger schlugen mit Schilden und ähnlichen
Gegenständen recht erfolgreich auf die Feuerfliegen ein. Die
Rinder hatten es schon etwas schwerer sich zu verteidigen. Der
Tierkönig schnappte sich eine mit einer überraschend
langen und flinken Zunge und zerkaute sie. Neben ihm bildete
unser thorwaler Ehepaar Rücken an Rücken ein
Kampfpaar, was offensichtlich sehr effektiv war. Daneben
kämpfte Branje mit einem Kurzschwert alleine. Ich lief rasch
zu ihr und stellte mich neben sie: „Deck mir den
Rücken!“ bat ich sie und schwang schon nach der
ersten Feuerlibelle. Ich hatte das Gefühl genau den richtigen
Ton gefunden zu haben. Ihr meine Hilfe anzubieten hätte sie
nur beleidigt. So konnte sich keines dieser Stechviecher von hinten an
uns anschleichen.
Plötzlich blieben die Insekten alle gleichzeitig mitten in der
Luft stehen und flogen dann zu einem nahen Baum. Dort ließen
sie sich nieder. Wir folgten vorsichtig und misstrauisch. Dann flogen
die Viecher unvermittelt wieder auf, bildeten eine Formation vor uns
und landeten dann zu unserer großen Überraschung, um
sich wehrlos niederknüppeln zu lassen.
Ich suchte misstrauisch nach Raun. Er stand halb hinter einem Baum
verborgen und hatte konzentriert die Augen geschlossen. Er musste die
Herrschaft über den gesamten Schwarm übernommen
haben. Beeindruckend! Insekten waren notorisch schwer mit
Herrschaftszauber zu belegen.
Auf dem Schlachtfeld konnte ich nur noch ein weiteres Insekt finden das
nicht zu sehr beschädigt war um noch nützlich zu
sein. Verdammt! Hätte ich gewusst, was Raun vorhat,
hätte ich ihm befohlen, dem Schwarm zu befehlen sich im See zu
ersäufen. Dann hätte ich nun ein ganzes Dutzend der
Viecher. Meine eigene untote Luftwaffe!