Aus dem Tagebuch des Magiers Rodrik Bannwäldner
27. Tsa 1031 BF
Östlich von Wehrheim
Wir hatten das Mythraelsfeld hinter uns gelassen und uns dann eiligen
Schrittes von dem unheilvollen Schlachtfeld entfernt. Zumindest so
eilig, wie es unsere elend langsamen Fuhrwerke zuließen.
Bei der ersten Rast, suchte ich mir eine abgelegene Stelle und
vertiefte mich, hinter einem Baum von den Augen der Wachposten
verborgen, in die Analyse des Steines, den ich gefunden hatte. Er
verfügte nicht über eine klar strukturierte
Repräsentation. Es war kein echtes Artefakt, nur
Astralenergie, die durch die chaotischen Entladungen des Weltenbrandes
in dem Stein verankert wurde. Es brauchte einiges an Analyse, dann fand
ich einen Weg die Astralenergie in mich aufzunehmen. In dieser Hinsicht
entsprach der Stein einem der berühmten Kraftspeicher, nur
dass ich ihn nicht wieder würde aufladen können. Doch
immerhin. Eine kleine Notreserve astraler Energie konnte man immer
brauchen. Dies würde reichen fast meinen halben Maximalvorrat
wieder zu erneuern. Und die Chance, dass der Stein dabei explodierte,
lag bei höchstens zehn Prozent.
Mit der Analyse von Rodrigos gefundenem Robbentöter, wartete
ich bis zum Abendlager. Hinter unserem Wagen, sahen mich weder unsere
Wachen, noch die fast alle tief schlafenden Pilger. Durch den
Lebenssinn des immer noch beschädigten
Golemkäfers, konnte ich ein lebendes Wesen lautlos durch den
Schatten der Bäume schleichen sehen, aber das war nur Niam,
die neugierig ausspähte, was ich nun wieder anstellte. Mich im
Schneidersitz mit einer Waffe im Schoss sitzen zu sehen, muss
allerdings reichlich langweilig gewesen sein, denn nach einer Weile
verschwand sie wieder.
Die Analyse dauerte erheblich länger als erwartet. Das Ding
war geistverwirrend komplex. Ein Klang von Wind, der über
Eiszapfen pfeift. Darunter ein Chor zweistimmiger Gesänge. Der
Geruch von tauendem Schnee. Ein Muster, mehr wie eine Melodie, als wie
eine vernünftige Struktur gildenmagischer Magie. Elfisch.
Eindeutig elfisch. Vermutlich Firnelfisch. Und der Menge astraler Kraft
nach, war hier eine ganze Sippe im Salasandra tätig gewesen.
Niemals hätte ein einzelner Magier oder Elf dies hier schaffen
können. Geschätzt fast einhundert Astrale Einheiten!
Ein Semi-permanenter Spruchspeicher für zwei zu einer Einheit
verbundene Sprüche. Eine Anwendung pro Monat. Der erste Spruch
war ein gewöhnlicher Balsam, das war einfach zu erkennen, da
ich den Spruch selber gut kannte.
Der zweite Spruch, war mir nicht bekannt. Hier brauchte es einige Zeit,
seine Wirkung zu erforschen. Ein Zauber mit dem Merkmal Eigenschaften,
der die Sinne des Ziels trübte und schwächte.
Seltsam... Ein Fluch? Eine Falle? Erst heilen, dann blenden? Nein,
nicht die Sicht. Es war nicht ganz der Tastsinn... Mehr... Die
Schmerzwahrnehmung? Das ergab mehr Sinn. Dazu stärkte es den
Körper gegen Schaden.
Der Auslöser, war eine einfache Geste. Man hielt der Schwert
in der horasischen En’Garde Stellung, an die Stirn.
Ich sah zu den Sternen hoch und erkannte, dass mir nicht viel von der
Nacht mehr übrig blieb. Und mein astraler Speicher war
erschöpft. Ich verstaute die Klinge und legte mich auf mein
Lager.
28. Tsa 1031 BF
Am nächsten Morgen, nahm ich Rodrigo nach dem
Frühstück unauffällig zur Seite und gab ihm
die Klinge zurück. Ich erzählte ihm, von der
mächtigen Magie, die der aufwendig verzierten Klinge aus
Meteoreisen inne wohnte. Ich gratulierte ihm noch einmal zu seinem
einmaligen Fund. Einer Waffe, mit dem Wert einer kleinen Baronie.
Dann jedoch „gestand“ ich ihm, dass es mir nicht
gelungen war, den Auslöser zu entschlüsseln.
„Ich habe meine letzte Kraft geopfert und schon angefangen
aus den Ohren zu bluten, bis ich aufgab. Meine analytischen
Fähigkeiten haben ihre Grenze erreicht. Mehr kann ich nicht
tun. Ich sehe nur noch eine Möglichkeit, die Verschleierung
der Elfen zu durchbrechen und den Auslöser zu
entschlüsseln. Das Tantrisch Magische Ritual des entfesselten
Geistes durch den doppelten Fluss von Magie und Körper, nach
Erzmagus Thomeg Atherion. Doch das erfordert eine spezielle
Vorbereitung. Es kann nur nach einer speziellen Meditationstechnik
ausgeführt werden, die ausschließlich direkt nach
wildem und völlig befriedigendem Liebesspiel mit einer Frau
durchgeführt werden kann. Nur so, können die astralen
Bahnen des Magus frei genug gemacht werden. Ich fürchte daher,
es wird noch einige Zeit dauern, bis ich dazu wieder Gelegenheit habe.
Aber... immerhin ist das Ding auch so ziemlich scharf und
spitzig.“
Meinen bedeutungsschwangeren Seitenblick, in Richtung der am Lagerfeuer
sitzenden Branje, übersah der Almadanische Schönling
jedoch höchst absichtlich und versuchte mir stattdessen seine
Theorie aufzuschwatzen, nach der gutes Rahjaspiel nicht vom Aussehen
der Frau, sondern von der gegenseitigen Einstimmung abhing. Er konnte
mich jedoch nicht überzeugen und zog daher etwas frustriert
ab.
Kurz darauf brach der Pilgerzug auf.
Noch vor der Mittagspause, mussten wir schon wieder anhalten, da ein
Baumstamm quer über die Straße lag. Und dahinter ein
Dutzend schmutziger und halb betrunkener Söldner.
Angeführt von einer Hauptfrau in einer alten Reichs-Uniform.
Im Hintergrund sahen wir ein aufgeschlagenes Brandweinfass, das wohl
der Zoll der letzten Händlergruppe war.
Sie begrüßte unseren Travia Geweihten als
„Gänse-Schinder“ und forderte ihn auf, als
Tribut eine Gans zu schänden. Und als sie feststellte, dass
ihre Bande von Abschaum die letzte Gans schon gegessen hatte,
verkündete sie sich großzügig auch mit der
Begattung eines Schweines zufrieden zu geben. Ich musste mir ein
Grinsen verkneifen. Unser sonst so friedfertiger Herdfried, war kurz
davor, sein Schwert zu ziehen und sich auf die Überzahl zu
stürzen. Niam verschwand im Gebüsch, Rodrigo spannte
hinter einem Wagen unauffällig seine Armbrust und etliche
Pilger holten weniger subtil ihre Waffen heraus. Ich hatte zwar keinen
Zweifel, wer einen Kampf gewinnen würde, aber es
würde kaum ohne Verwundete oder Tote ausgehen.
Und ich hatte wirklich keine Lust, einen Haufen Kriegsversehrte durch
die Wildermark zu schleppen...
Mein Versuch Murthakh zu wecken scheiterte. Das Fieber, an dem er seit
Tagen litt, war noch zu hoch. Und unser Peraine Geweihter war ja der
Meinung, es müsse sich von alleine ausbrennen um die Krankheit
dauerhaft zu besiegen.
Währenddessen trat Helmbrecht vor und verpasste der Hauptfrau
und ihrer Schar ein militärisches Donnerwetter, das sich
gewaschen hatte. Mit Seife und Wurzelbürste. Einige der
Söldner zuckten betroffen zusammen und bei der Anschuldigung
gottlose Frevler zu sein, die sogar einen Zug von Geweihten angriffen,
zogen sich zwei der Kerle beschämt zurück.
Besser, aber noch nicht gut genug. Unser Travia Geweihter versuchte
ebenfalls sein Glück, war aber dadurch gehandicapt, dass er
durch die unverzeihlichen Beleidigungen in Rage geraten war und damit
sichtlich schlecht zurechtkam.
Dann trat Raun wieder vor und versuchte magischen Zweifel in der
Anführerin zu wecken. Seine Rede zeigte aber bei der
stockbesoffenen Söldnerin keine Wirkung.
Dann hob er seine Hand und rief: „Tanz!“
Sofort begann die überraschte Betrunkene wild auf der Stelle
zu tanzen. Gemurmel und sogar Furchtschreie kam aus unserer Gruppe,
ebenso wie von den Söldnern auf: „Ein
Hexer!“
Wie kann man nur so unfähig in Subtilität sein. Es
war kein Wunder, dass der Vampir von Gareth so schnell erwischt wurde.
Vermutlich, war man einfach der Blutspur bis zu seinem Haus gefolgt.
Einer der Pilger griff nach der Armbrust. Und da er dabei auf Raun
starrte und nicht auf die Söldner, machte mich das sehr
nervös. Ich machte schon das Blasrohr bereit. Helmbrecht kam
mir allerdings zuvor und fauchte ihn an. Dann brachte er die
demoralisierten Söldner noch dazu die Straßensperre
aus dem Weg zu räumen.
Wir reisten weiter. Unterwegs gab es ein pausenloses Geflüster
und Getuschel um unseren „Hexer“.
Bei der nächsten Rast marschierten Travinor, Herdfried und
Pyglaion sehr direkt auf Raun zu und nahmen ihn zur Seite. Helmbrecht
trat ebenfalls dazu und es kam zu einer heftigen, wenn auch
geflüstert geführten Diskussion.
Hinterher erzählte uns unser glorreicher Anführer,
dass er unsere Tarnung vollends aufgegeben hatte. Er hatte den
Zugführern gegenüber zugegeben, dass wir Agenten der
KGIA waren. Meine Frage, ob wir nun endlich das offizielle KGIA Banner
hissen durften, ignorierte er geflissentlich.
Er hatte behauptet, dass wir den Zug im Auftrag des Reiches begleiten
und beschützen sollten, dann aber eine weitere geheime Mission
in der Wildermark planten.
Wenig später rief unser Späher nach hinten, dass
weiter vorne ein namenloses Dorf in Sicht kam. Die Formulierung
führte zu einiger Unruhe als Rufe wie: „Nieder mit
dem Namenlosen!“ und „Verbrennt das
Dorf!“ laut wurden. Als die vier ärmlichen
Bauernkaten aber in Sicht kamen, beruhigte sich alles wieder. Nicht
einmal Anhänger des Namenlosen, würden so
heruntergekommen herumlaufen, wie die zwanzig verhungerten Gestalten
die sich hier versammelten. Männer, Frauen und Kinder
drängten sich heran und begannen Travia zu preisen, als sie
unseren Geweihten an seiner Robe erkannten.
Das war’s dann wohl für den Pilgerzug. Hier
würden unsere Vorräte enden. Niemand, nicht einmal
ich, konnte diesen armen Kerlen, denen ihrer glaubhaften
Erzählung nach, ihre Vorräte von Banditen geraubt
worden waren, Nahrung abschlagen. Nun, niemand außer Niam,
die sehr aktiv auf Travinor einredete und ihn an seine Mission
erinnerte. Aber es half nichts. Spätestens als die Bauern
anfingen einen Lobgesang auf Mutter Travia anzustimmen, war es vorbei.
In den Tempeln oder in der Akademie im wöchentlichen
Gottesdienst, war mir das Gesinge immer albern und gekünstelt
vorgekommen. Diesen Menschen hier jedoch war anzusehen, dass sie jedes
Wort ernst meinten. Sie waren am Verhungern gewesen und sahen nun ein
Licht am Horizont. Ungewohnt ergriffen, stimmte ich in den Choral ein.
Travinor improvisierte mitten auf der Straße einen
Gottesdienst und ließ ein Viertel unserer Vorräte
verteilen. Das bedeutete halbe Rationen für den Rest der
Strecke. Aber damit konnten wir leben. Mehr konnten wir nicht
entbehren. Ein Blick auf die zwanzig Gestalten zeigte aber, dass es
nicht reichen würde. Dann begann Travinor ein Brot zu
zerbrechen und es unter den Anwesenden zu verteilen. Herdfried machte
dasselbe mit einem Apfel von dem er Viertel schnitt und Branje wurde
ein Stück Käse in die Hand gedrückt, den sie
verteilte. Ein Apfel. Ein Laib Brot und ein kleines Stück
Käse für zwanzig ausgehungerte Menschen. Ich lockerte
meinen Dolch und visierte einen der Ochsen an. Das Fleisch konnten wir
essen und das Skelett würde immer noch reichen um den Wagen zu
ziehen. Und wenn sie dagegen waren, konnten wir immer noch die beiden
Geweihten vor den Wagen spannen. Wenn keiner eine bessere Idee hatte...
Dann stutzte ich. Die drei waren immer noch dabei Essen zu verteilen.
Und es wurde nicht weniger. Bestimmt zehn Kinder rannten mit
Apfelschnitzen in den Händen herum und der Apfel schien mir
nicht kleiner geworden zu sein. Ebenso wenig das Brot und der
Käse.
Essen aus dem Nichts. So gerne ich auch über Geweihte
lästerte, aber damit konnte ich mit Magie nicht dienen. Ich
stimmte in den Choral der Hungernden ein und sank gemeinsam mit den
anderen Pilgern auf die Knie.
Das Ergebnis war ein sattes und zufriedenes Dorf, das genug
Vorräte für die nächsten Wochen hatte. Niam
drückte dem Dorfvorsteher unauffällig noch einen
Beutel in die Hand. Ich hielt es für unsere Reisekasse,
stellte später aber fest, dass diese noch da war. Niam musste
ihr Privatvermögen geopfert haben. Vielleicht war sie ja doch
nicht so abgebrüht wie sie sich immer gab.
29. Tsa 1031 BF
Raun erzählte uns unterwegs, dass ihn ein paar der Pilger
Abends um Rat wegen kleinerer Wehwehchen und Krankheiten zu fragen
wagten, nachdem unsere Anführer ja verkündet hatten,
dass er ein guter und rechtschaffender magiekundiger Druide war, von
dem keine Gefahr drohte.
Die knapp 16jährige Pilgerin Rebecca hatte ihn um ein Mittel
gegen ihre Unterleibsschmerzen gebeten, die sie seit längerer
Zeit immer wieder plagten. Natürlich hatte er sich schon
gleich denken können, worum es sich handelte. Ein Leiden, das
pünktlich einmal im Monat für 2 bis 3 Tage auftrat.
Schmerzen verbunden mit leichten Blutungen. Wir mussten herzhaft
lachen, als er erzählte, was für einen Unfug ihre
Muhme der jungen Frau alles erzählt hatte. Und vor allem, was
sie ihr alles nicht erzählt hatte. Raun bat Niam darum, ihr
alles Notwendige zu erklären. Letztendlich übernahm
die mütterliche Ladwinja Krasnakoff die Aufgabe und nahm
Rebecca zur Seite. Die Farbveränderungen von blass zu hochrot
und das abwechselnd schockierte Keuchen und nervöse Kichern
von Rebecca, während die Alte ihr mit großer Freude
und zahlreichen praktischen Ratschlägen alles
erzählte, was ihre Muhme bisher versäumt hatte,
dauerte den kompletten Tag an und zog sich auch durch alle Pausen
durch. Anschließend versuchte sie laufend in Rauns
Nähe zu kommen, während dieser sich stets
unauffällig davon machte.
Unsere Geweihten schwankten immer noch wie unter Drogen vor sich hin,
eine bekannte Nachwirkung größerer Liturgien. Der
Rest der Gruppe war ebenfalls noch recht aufgedreht von dem Wunder des
letzten Tages. Ich dagegen begann mich zu wundern, wieso es
überhaupt noch Hungersnöte gab. Wieso wurde so etwas
nicht öfter gemacht? Warum waren die Götter und ihre
Diener so grausam?
Und wozu brauchten wir eigentlich Praios Geweihte? Das einzige was die
konnten, war Dämonen zu bekämpfen und Magier zu
belästigen. Und in beidem waren Magier viel besser!
Nein, eigentlich sollten wir nur noch Peraine und Travia Geweihte
ausbilden. Die Peraine geweihten segnen die Felder gegen Ungeziefer und
sind einmalig gut darin Krankheiten und Seuchen zu bekämpfen.
Ich fragte mich, welche der anderen Zwölfe wir
überhaupt brauchten. Hesinde Geweihte waren zwar nett, konnten
aber genauso gut durch Magier und Gelehrte ersetzt werden. Ein guter
Analyse und Anti-Magier konnte alles tun, was die mit ihren Liturgien
konnten, genauso gut.
Phex Geweihte fanden selbst die anderen Kirchen nutzlos. Efferd...
vielleicht in Seestädten.
Tsa... hatte irgendwas mit Geburt zu tun. Ich hatte nur eine vage
Vorstellung, was genau. Aber, da Tsa den Legenden nach auch
für die Erschaffung der lästigen Kobolde
zuständig war, konnte man die sicher getrost durch Hebammen
ersetzen.
Rondra Geweihte gab es sowieso nur noch wenige, die werden sicher bald
von alleine aussterben.
Boron Geweihte sind gut gegen Untote, aber das galt auch für
Magier oder jeden, der eine stumpfe Hiebwaffe heben konnte.
Außerdem nervten die einfach, wenn es um völlig
harmlose Experimente der Nekromantie ging. Da die eh nie was sagten,
würden sie sich nicht beschweren wenn man sie in Ruhestand
schickte. Wird auch keiner merken, wenn die fehlten.
Firun war Patron der Jäger... aber brauchen tat den und seine
Geweihten niemand.
Dasselbe galt für Ingerimm. Handwerker waren
nützlich, aber Ingerimm Geweihte konnten nichts, dass ein paar
gute Handwerker nicht genauso gut konnten.
Blieb noch Rahja... Nun, von der sollten wir auch weiterhin Geweihte
haben. Die waren gut für... die allgemeine Moral der
Bevölkerung.
Meine philosophischen Gedanken wurden jäh unterbrochen, als
ein Pärchen durch das Gebüsch aus dem Wald rannte.
Ein junger nichtsnutziger Bauer und eine überaus attraktive
Frau im gleichen Alter.
Sie stürzten sich sofort freudig auf unsere Geweihten und
baten um Schutz. Thallian, benannt nach dem Dritten Gezeichneten und
Elida waren auf der Flucht vor ihrem Junker, dem finsteren Dartan von
Hohenfeld. Sie erzählten, dass der Junker Elida schon mehrfach
in sein Schloss, oder besserer seine Bruchbude, eingeladen hatte. Sie
hatte abgelehnt und um die Erlaubnis gebeten, ihren Geliebten Thallian
zu heiraten. Diese Erlaubnis hatte der Junker verweigert und laut
Thallian „irgendeine bosparanische Sauerei“ von
Elida gefordert. Bevor unsere naiven Geweihten irgendeinen Unsinn
anstellen konnten, klärte ich mit den beiden kurz die
rechtliche Lage. Es handelte sich um schollengebundene Bauern.
Leibeigene. Damit war der Junker völlig im Recht
darüber zu entscheiden ob die beiden heiraten durften. Und die
beiden befanden sich aktuell auf unerlaubter Schollenflucht.
Bei der „bosparanischen Sauerei“ handelte es sich
um „Primae Noctis“, das Recht der Gutsherren, die
erste Nacht vor der Hochzeit mit der Braut zu verbringen. In manchen
Gegenden konnte er stattdessen auch einen Geldersatz, den sogenannten
„Stechgroschen“ verlangen. Das Thema war nicht gut
für den Blutdruck unseres Travia Geweihten. Ich konnte das
allerdings gut verstehen. Die Travia Kirche bekämpft diesen
Brauch schon immer vehement. Eine Rechtsgrundlage für diese
Forderung gab es auch noch nie. Was natürlich den in
Rechtskunde völlig ungebildeten Bauern in den abgelegeneren
Baronien wenig half.
Dass ich diese Sitte, wäre ich ein entsprechender Gutsherr, in
meinem Gebiet auf jeden Fall einführen würde,
erwähnte ich diplomatischerweise nicht.
Jeden Versuch, mich an attraktive Elida heran zu machen, sparte ich mir
von Anfang an. Der völlig geistlose Blick mit dem sie ihren
Thallian anschmachtete, sagte schon alles. Da müsste diesem
Kerl schon irgendein Unglück passieren bevor sie einen anderen
Mann auch nur ansah. Ein fatales Unglück. Was in so einer
gefährlichen Gegend nicht unwahrscheinlich war. Und dann
musste die arme Braut natürlich jemand trösten...
Travinor gewährte den beiden fürs erste Kirchenasyl,
auch nachdem ich darauf hinwies, dass das rechtlich sehr grenzwertig
war, solange er sich nicht in einem Tempel befand. Einen Pilgerzug
konnte man eventuell als mobile Kultstätte definieren, aber
das Oberste-Tempel-Verwaltungsgericht in Gareth sah das,
außer natürlich bei der Aves Kirche, in mehreren
bekannten Gerichtsurteilen anders. Nur gut, das wir hier weit von jeder
organisierten Gerichtsbarkeit weg waren.
Der Junker verfügte laut dem Pärchen über
eine Armee aus immerhin acht Berufsschlägern. Selbst mit
Murthakh immer noch vom Fieber niedergestreckt, würden wir
damit notfalls zurechtkommen.
Man konnte über diese Pilgerreise sagen was man wollte.
Langweilig wurde es uns wirklich nie.