Aus dem Tagebuch des Magiers Rodrik Bannwäldner
29. Tsa 1031 BF
Unsere Geweihten diskutierten endlos darüber, was wir mit den
beiden schollenflüchtigen Turteltauben anstellen sollten. Ich
machte immer wieder Vorschläge, vermied aber denjenigen, den
Helmbrecht dann gleich rausposaunen musste. Er schlug vor, dass
Traviafred mit den beiden die Ehe vollziehen sollte. Er sah sich
erstaunt um, als überall Gelächter ausbrach und der
Geweihte schamrot anlief.
Niam informierte ihn, dass er sicher „die Ehe
schließen“ gemeint hatte.
Sie machte dann den Vorschlag, der letztendlich angenommen wurde. Sie
verkleidete und schminkte die beiden, bis ihre eigenen Eltern sie nicht
mehr wiedererkannt hätten. Als wir bemerkten, dass Thallian,
auch durch Walnussöl dunkel gefärbt, noch immer
unverkennbar war, ließ er sich von Helmbrecht die Nase
brechen. Stillzustehen, während Helmbrecht mit der Faust
ausholte und in Ruhe maß nahm, dazu gehörte schon
einiges an Mumm. Ich verkniff mir daher seine Nase mit einem Balsam
schief wieder anheilen zu lassen. Wenn er Glück hatte, waren
wir schnell genug außer Reichweite des Junkers, dass seine
Nase noch nicht verwachsen war. Wenn doch, würde man sie
wieder brechen müssen.
Mit dem verbundenen Gesicht würde ihn keiner erkennen.
Elida wurde von Niam auf alt geschminkt und in Kleider gesteckt, die
sie möglichst unansehnlich machten. Raun verabreichte ihr
Beeren, die ihr andauernde Bauchschmerzen verursachten und so zu einem
gebückten und gebrechlich wirkenden Gang führten. Ich
hatte Niam eigentlich bestochen, ihr die Haare Feuerrot zu
färben, nicht grau mit einem Rotschimmer. Aber davon
abgesehen, dass sie jetzt deutlich weniger attraktiv wirkte, war die
Tarnung tatsächlich so viel wirksamer.
Ein paar Stunden später, wurden wir dann von einem Trupp mit
Bannerträger eingeholt: Der Junker mit seinen Mannen. Nach
Helmbrechts Analyse waren es zwei Veteranen mit Kettenhemd, vier
Schläger und ein zwölfjähriger
Bannerträger. Alle mit Schwert und Schild, sowie jeweils einem
Wurfspeer bewaffnet.
Der Junker war ein recht schmucker Kerl, mit einer verwegenen Narbe. Er
hätte sympathisch sein können, wenn er nicht eine so
extrem affektierte und gekünstelte Sprache benutzt
hätte.
„Was ist euer Behufe?“
Wer redet denn heute noch so?
Ich schnorrte ihm für unseren Pilgerzug gleich drei Dukaten
Spende ab. Dann ließ er seine Schergen noch den Zug auf der
Suche nach schollenflüchtigen Bauern durchsuchen. Sie fanden
wie erhofft nichts und zogen ab.
Ein paar Stunden später stießen wir auf den
Schauplatz eines wahren Massakers. Ein Wagenzug war überfallen
worden. Tote wild verteilt. Frauen und Kinder.
Raun schätzte die Tatzeit auf den heutigen Vormittag. Wir
konnten die Spuren der Angreifer leider nicht verfolgen und zogen dann
äußerst aufmerksam mit gezogenen Waffen weiter.
Abends erreichten wir dann Berner, ein Dorf mit einem Schutzwall und
einem Tempel des Phex. Der Gasthof wurde von gottesfürchtigen
Menschen geführt, die uns kostenlos Unterkunft und Verpflegung
spendeten. Auch wenn es nur eine Brotsuppe war, eine noble Geste. Und
die Suppe war überraschend nahrhaft.
Während wir noch Bericht über den Überfall
erstatten wollten, ritt der Junker mit seinen Mannen ein. Einige davon
verletzt, aber keiner schwer. Sie verkündeten, die
Räuber bereits gestellt und bis auf vier Gefangene
niedergemacht zu haben.
Ich konnte das erst nicht glauben. Ich schlich mich, als angeblicher
Geweihter getarnt, im Gefängnis ein, um den Gefangenen die
Beichte abzunehmen. Ich hätte schwören
können, dass der Junker das ganze irgendwie
vorgetäuscht hatte.
Leider stellte sich heraus, dass der Kerl tatsächlich gute
Arbeit geleistet hatte. Die Banditen waren schuldig und gestanden. Der
Junker hatte sie geschickt verfolgt und dann mitten in ihrer Feier
überfallen. Eine Salve Wurfspeere und eine Armbrust waren, der
Beschreibung der Gefangenen nach, wesentlich effektiver als ich
erwartet hätte.
Ich nahm den Verbrechern dann noch die Beichte ab und versprach ihnen,
dass sie das bekommen würden, was sie verdienten.
Mögen die Zwölfe ihre Seelen zu sich nehmen... ich
erzählte ihnen allerdings nicht welche Zwölfe.
Die Dorfbewohner feierten den Junker und seine Mannen wie Helden. Und
der Junker ließ sich auch nicht lumpen den Gastwirt
für Speis und Trank zu bezahlen und ein paar Runden aus zu
geben. Ich fing an den Kerl zu mögen. Vielleicht konnten wir
so hier einen Verbündeten gewinnen. Wenn er nicht gerade bei
den Dorfmädels freie Auswahl gehabt hätte,
wäre es das Sinnvollste gewesen ihm die frisch abgeschminkte,
gewaschene - und am besten stockbetrunkene - Elida ins Bett zu legen.
Ich merkte mir die Idee für später vor.
Raun schlug vor sich mit mir das Zimmer im Gasthaus zu teilen, damit
wir unsere astralen Kräfte besser auffrischen konnten. Wie
sich herausstellte, hätte ich besser im Stall mit den anderen
übernachten sollen.
Nachts wachte ich von leisen, feucht schmatzenden Geräuschen
auf. Eine Gestalt saß rittlings auf Raun. Wurde er gerade
gemeuchelt? Ich hatte den Dolch unter meinem Kopfkissen schon fester
gepackt, als ich in dem dämmrigen Mondlicht, das durch die
zahlreichen Ritzen in den alten Fensterläden fiel, eine junge,
leicht bekleidete Frau erkannte. Unsere kleine Rebecca hatte den
Druiden doch noch erwischt. Nun, dann hatte wenigstens einer von uns
etwas Spaß. Ich legte mich zurück und versuchte die
Geräusche der beiden zu ignorieren. Schlaf bekam ich erst
spät in der Nacht, als die beiden endlich fertig waren.
30. Tsa 1031 BF
Unterwegs hörten wir schon von weitem Schlachtenlärm.
Unsere Späher berichteten von mindestens 50 Beteiligten bei
einer Belagerung einer primitiven Motte.
Wir beschlossen einen Umweg von vermutlich einer Tagesreise in Kauf zu
nehmen.
Es war ein Konflikt zwischen Baron Timshal von Königsweber und
die Belagerer war Varena von Mersingen, die Drachenmeisterin. Angeblich
beherrschte sie einen Höhlendrachen. Oder war mit ihm
verbündet. Den Drachen sah allerdings keiner unserer
Späher.
Die Motte wechselte laut den Einheimischen recht oft den Besitzer.
Unterwegs trafen wir einen Kesselflicker dessen Waren wir
ansahen. Auch er erzählte uns, als spannendste
Geschichte die er über die Gegend kannte, vom
Schlächter von Wutzenwald, dem Baron Aldoran von Wutzenwald.
In seiner Version hatte dieser aber versehentlich eine Gruppe von
schwarz berobten Boron Geweihten für Schwarzmagier gehalten.
Das machte ihn in meinen Augen natürlich kein Stück
sympathischer.
Irgendwelche Soldaten hatten von ihm, mitten auf der Straße,
eine Sondersteuer eingezogen. Glatter Straßenraub.
Während der Nacht, wurden in der Gegend Ghule gesichtet. Einer
schlich sich ins Lager und fiel einen der Pilger an. Nachdem wir die
Wachen verstärkten, wagten sie sich aber nicht mehr an uns
heran.