Tagebuch des Magiers Rodrik Bannwäldner
01. Phex 1031 BF
Der vom Ghul gebissene stellte sich als Ergil heraus. Der
dauerdeprimierte Ex-Besessene war meinerAnsicht nach das entbehrlichste
Mitglied der Reisegruppe. Die Chance, dass er sich genügend
Ghulengift eingefangen hatte, um sich in einen Ghul zu verwandeln, war
zwar gering, aber vielleicht hatte ich ja Glück. Auch Raun war
schon Feuer und Flamme von der Vorstellung eine Verwandlung direkt
miterleben zu dürfen. Die Wandlung der Säfte in einem
lebenden Körper.
Während ich noch beim Frühstück war,
ertönte plötzlich ein lautes Brüllen im
Lager. Ohne mich umzudrehen oder aufzustehen, beruhigte ich die um mich
herum aufstehenden Pilger: „Keine Panik. Das ist nur
Murthakh. So klingt er immer wenn er hungrig aufwacht.“
Er holte sich ein großes Stück Schinken, schlang es
herunter, spülte mit einer unserer letzten Flaschen mit Bier
nach und stampfte dann in den Fluss. Das eiskalte Wasser,
störte einen Trollzacker natürlich kaum.
Endlich war unser Krieger wieder kampfbereit. Als ich die frohe Kunde
meinen Kameraden mitteilen wollte, für den Fall das sie es
noch nicht mitbekommen hatten, fand ich Helmbrecht und Raun mit
schweißnasser Stirn unter ihren Decken. Jetzt hatte es die
beiden erwischt. Verdammtes Wildermarkfieber. Sicher eine Folge der
dämonischen Verseuchung der Gegend.
Unterwegs gab es gleich wieder eine unangenehme Nachricht. Die
Später hatten einen Trupp Orks auf der Straße
entdeckt. Mit zwei scheren Ochsenkarren.
Die Orks stellten sich zu unserer Überraschung aber als reine
Händler heraus. Vierzehn bis auf die Zähne bewaffnete
Orkkrieger und ein edel gekleideter Ork-Händler. Eine seltsame
Truppe. Sie handelten mit Waffen und Alchemika. Bevor ich mir letztere
allerdings genauer ansehen konnte, entdeckten sie Murthakh und
forderten ihn zum rituellen Zweikampf mit ihrem besten Krieger heraus.
Dem Gewinner würde die Ehre zuteilwerden, für
Gruumsh-Sein-Kriegsherr zu kämpfen. Die vorsichtige Frage, was
denn geschehen würde falls der Gewinner nicht kämpfen
wollte, stieß auf völliges Unverständnis.
Dir Orks konnten sich diese Möglichkeit nicht vorstellen.
Murthakh nahm die Herausforderung natürlich sofort an. Er
bekam Dolche, Kampfstäbe und Schlagringe zur Auswahl. Er
wählte die Schlagringe.
Die Orks trieben einen großen Pflock in den Boden, an dem
beide Kämpfer gefesselt werden sollten.
Der Ork-Champion und unser Trollzacker entblößten
die Oberkörper und wurden anschließend ausgiebig mit
Öl eingerieben. Ich nutzte, wie viele andere, die Gelegenheit
auf den Ausgang des Kampfes zu wetten. Natürlich ging ich
davon aus, dass Murthakh gewann.
Rodrigo und ich hatten synchron die gleiche Idee. Wir hätten
Branje als unseren Champion aufstellen sollen. Dann hätte es
allerdings vorher noch ein Duell gegeben um zu klären wer sie
einölen durfte...
Ich massierte ihm noch die Schultern um ihn wieder fit zu machen. Er
war von seiner Krankheit noch etwas angeschlagen. Daher wirkte ich
unauffällig einen Attributo um ihn wieder auf seine volle
Stärke zu bringen.
Als der Ork-Champion seinen narbenübersäten,
muskulösen Körper entblößte,
begann ich um meinen Wetteinsatz zu bangen. Der Kerl wirkte verdammt
zuversichtlich.
Die Orks stellten Trommeln auf und dann ging der Kampf auch schon los.
Murthakh durfte als erster Zuschlagen, der Ork steckte das aber gut
weg. Dann prügelten die beiden brutal aufeinander ein. Nach
einem Schlagabtausch sprang der Ork plötzlich mit einem
Sprungtritt auf den Trollzacker zu. Dieser wich nicht nur aus, er fing
das Bein mit dem Seil, mit dem er gefesselt war. Der Ork fiel zu Boden
und befand sich nun in einer denkbar ungünstigen Lage. Zu
meiner Verwunderung löste Murthakh das Seil wieder und lies
den Ork aufstehen.
Die umstehenden Orks waren überrascht, aber auch zunehmend
beeindruckt.
Nach der folgenden Schlägerei sahen beide ziemlich
übel aus, aber der Ork brach zuerst zusammen. Unser Jubel
erschütterte den Wald. Auch die Orks feierten Murthakh als
würdigen Sieger.
Nachdem ich mir meinen Gewinn abgeholt hatte, sah ich mir die Alchemika
an.
Ich nahm einen „mächtigen Heiltrank“ und
schüttelte leicht am Glas. Weiße Flocken trieben in
der Flüssigkeit herum. Das kam normalerweise nur vor, wenn die
Zutaten sich nicht richtig verbanden. Ich zog die Augenbrauen hoch und
sah mir die anderen Flaschen an. Ich roch an einem Schlaftrunk. Der
erwartete scharfe Kamille Geruch war kaum bemerkbar. Mit zu niedriger
Temperatur eingekocht. Ich schüttelte den Kopf und informierte
den Ork-Händler, dass er nur Schund zu bieten hatte. Alles
misslungene oder gerade noch wirksame Elixiere. Er glaubte mir nicht
und zweifelte meine Qualifikationen an. Ich nahm den Heiltrank,
drückte ihn dem Orkkrieger in die Hand und
verkündete, dass ich ihn bezahlen würde, falls er
tatsächlich so wirksam war wie der Händler erwartete.
Der Ork kippte den Trank hinunter und wir sahen alle gespannt auf seine
Wunden. Ein paar Kratzer verschwanden, aber nicht einmal alle Blutungen
wurden gestillt.
Der Ork fluchte in seiner Grunzsprache. Er wollte allerdings immer noch
nicht glauben, dass auch alles andere nur Mist war. Mittlerweile hatten
wir eine ganze Menge Zuschauer angezogen. Immerhin hatte er bei dem
Alchemisten Mirakulix in Gallys über hundert Dukaten bezahlt.
Ich nahm das Brandöl, schüttete etwas in ein
Gefäß und zündete es an. Der
Ork-Händler freute sich, dass es mit sichtlich magischer
Flamme grün brannte. Er behauptete, dass nichts dieses Feuer
löschen könne. Mir war klar, dass es die falsche
Farbe war. Ich blies das Feuer kurzerhand aus.
Stille breitete sich aus und der Blick der Orks wurde nun wirklich
angsteinflößend. Der Händler
kündigte an, den Alchemisten auf dem Rückweg von
Wehrheim aufzusuchen um ihm sein Missfallen auszudrücken. Ich
wollte nicht in seinen Schuhen stecken. Dafür wurde ich zum
Freund der Orks erklärt und gefeiert.
Immerhin hätten sich die Orks in Wehrheim verdammt blamiert
wenn sie die Elixiere dort verkauft hätten. So etwas konnte
einen Händler glatt in den Ruin treiben.
Wir reisten weiter.
Vor der Abendrast liefen uns noch ein Haufen Verrückter
Flagellanten mit Peitschen und Geißeln über den Weg,
die sich selber den Rücken schlugen und irres Zeug murmelten.
Anhänger von Balduin dem Ketzer, einem Praiosgeweihten der
noch durchgeknallter war als seine sowieso schon für
Sonnenstich und sabbernden Irrsinn bekannten Kollegen.
Da ihnen kalt war, wollten sie unsere Magiekundigen haben um ein
fröhliches Feuer anzuzünden. Unser Peraine Geweihter
erklärte, dass wir schon kontrolliert worden seien und unser
einziger Magiediletant bereits auf schwarze Magie negativ
geprüft worden sei. Vermutlich benutzte er zu viele
Wörter mit mehr als zwei Silben, denn die Praioten verstanden
ihn nicht und wollten den armen Kerl trotzdem haben.
Ich, Raun und Rodrigo versteckten uns derweil auf unserem Wagen. Niam
sprach einen Widerwille Cantus, um den ganzen Wagen zu verbergen. Es
klappte hervorragend.
Letztendlich verlor sogar unser friedfertiger Führer die
Geduld und drohte kurzerhand die Bande über den Haufen fahren
zu lassen wenn sie nicht endlich Land gewannen.
Wenig später fiel den anderen auf, dass einer der Wagen
fehlte. Nun sah Niam plötzlich völlig
uncharakteristisch betrübt aus der Wäsche. Es stellte
sich heraus, dass der Zauber mehrere Wochen wirkt, sie aber nicht die
Technik gelernt hatte um ihn vorzeitig zu beenden. Ich musste zugeben,
dass ich dies auch noch nicht getan hatte. Allerdings vor allem, weil
ich keinen einzigen Zauber beherrschte, bei dem das Sinnvoll gewesen
wäre.
Ich stieg ab und beruhigte die anderen, das alles in Ordnung war.
Natürlich schob ich den Tarnzauber auf Raun, wies aber darauf
hin, dass er so anstrengend war, dass er den Druiden für Tage
außer Gefecht setzte.
Niam versuchte unterwegs den Zauber mit dem Illusion Aufheben Cantus
aufzuheben. Allerdings vergeblich. Dafür war ihr der
Widerwille zu gut gelungen.
02. Phex 1031 BF
Nun stießen wir auf die Soldaten, vor denen uns der
Händler schon gewarnt hatte. Ich richtete Helmbrecht in eine
sitzende Haltung auf und wir sahen uns das Ganze in Ruhe an. Er war
sich schnell sicher, dass wir hier eindeutig echte kaiserliche Soldaten
vor uns hatten. Eine komplette Einheit mit bis zu 40 Mann plus Tross.
Angeführt von Oberst Fen Weitenberg von Drolenhorst. Dem
Vertreter des Marschalls der Wildermark, Ludolf von Wertlingen.
Der Wegzoll hier war eindeutig illegal, aber hier in der Gegend gab es
keine Möglichkeit sich zu beschweren.
Ich rannte vor und stellte mich brav an. Die Händler vor mir
wurden mit 12 bzw. 15 Dukaten ziemlich hart besteuert. Ich legte mir
schon die korrekten rechtlichen Argumente zurecht um auf die
Unzulässigkeit der Besteuerung hinzuweisen, aber das stellte
sich als unnötig heraus.
Ich wurde direkt zum Oberst gebracht. Dieser erklärte dann
sofort, dass ein Pilgerzug natürlich nicht besteuert wurde.
Stattdessen spendete er noble 50 Dukaten für unsere gute
Sache. Unsere Geweihten wurden ebenfalls hinzu geholt und freundlich
bewirtet. Der einzige, der mich unfreundlich ansah, war der Diener des
Obersts, als ich anfing den Tee zu servieren. Dann zuckte er aber auch
die Achseln und ging.
Die alte Methode funktioniert immer. Niemand beachtet einen Diener. Das
ist besser als jeder Unsichtbarkeitszauber. Außer Sicht
analysierte ich die Anwesenden auf Magie. Der Oberst trug einen Ring
und ein Amulett, vermutlich Schutzartefakte. Beides meiner Ansicht nach
Angemessen. Keine Anzeichen für Paktierer oder Magier in der
Gruppe. Die Geldschatulle war ebenfalls magisch gesichert, aber etwas
anderes hätte mich auch gewundert.
Draußen gab es einen kurzen Zwischenfall, als einer der
Soldaten unseren unsichtbaren Wagen erkennen konnte und
darüber mit den anderen diskutierte. Bevor er auf den
Kutschbock klettern konnte, gelang es Niam allerdings den Zauber doch
noch mit einem Gegenzauber aufzuheben.