Aus dem Tagebuch des Magiers Rodrik Bannwäldner
02. Phex, 1031 BF, Talf
Talf hatte einen abgebrannten Tempel der Rondra und einen Haufen
Imkereien, wofür das Dorf auch bekannt war.
Während die anderen ein wenig Honig einkauften, schlich ich
unauffällig in den Rondra Tempel. Offensichtlich hatte hier
niemand aufgeräumt, seit der Tempel geschändet und
niedergebrannt wurde. Ich nahm mir ein paar Stücke von dem
angesengten Holz-Altar. Dann fand ich noch die zerbrochene Statue der
Rondra. Sie war zu groß um alles mit zu nehmen, aber die Hand
die früher das Schwert gehalten hatte, würde einen
wundervollen Kerzenhalter abgeben.
Auf dem weiteren Weg auf der Landstraße von Talf nach Norden
Richtung Wutzenwald, stießen wir mal wieder auf einen
Räuberüberfall. Vier Leichen lagen im Graben,
übersäht mit Pfeilen. Die Räuber standen
gerade um den letzten Überlebenden. Einen in
Unterwäsche herumhüpfenden Adeligen, den sie gerade
mit Weidengerten zum Spaß herum jagten.
Helmbrecht zog den Helm herunter, griff seine Waffe und ließ
uns zum Sturmangriff formieren. Ich nahm die für diese
Situation angemessene Magierhaltung ein, um den passenden Zauber zu
sprechen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust zum
Transversalis. Den Zwölfen sei Dank, schenkte Hesinde ihm dann
doch genügend Hirn um zu erkennen, dass er gegen
zwölf schwer bewaffnete Räuber, von denen die meisten
Bögen griffbereit hatten und offensichtlich damit umgehen
konnten, keine Chance hatte.
Zwei Unterhändler, eine Frau und ein nervöser
Räuber, kamen gelassen zu uns um zu verhandeln. Sie schlugen
vor, dass sie mit ihrer Beute, dem Junker Stanislav von Freiberg,
abziehen durften, dafür würden sie uns auch nicht
behelligen.
Die Räuber gehörten zur Bande der alten Gissa, einer
über 60-jährigen Räuberin. Die junge
Unterhändlerin war für eine Wegelagerin
überraschend höflich und wie wir auch schon
über Gerüchte gehört hatten,
überfiel die Bande, der sie angehörte aus Prinzip
keine Pilger oder Geweihte.
Als wir gehen wollten, schlug sie sogar noch vor, nein, sie forderte
sogar, dass wir die toten Wachen des Junkers begraben und einen
Grabsegen sprechen sollten. Unser Travia-Geweihter verschluckte beinahe
seine Zunge. Aber natürlich holten wir unsere Schaufeln und
begruben die armen Kerle. Dann sprachen unsere Geweihten den Segen des
Boron.
Nachmittags war Raun endlich wieder fit. Dieses Fieber ist wirklich
unberechenbar. Als erstes fragte er mich, wie es Ergil ging. Bei der
Gelegenheit fiel mir auf, dass ich den vom Ghul gebissenen
völlig vergessen hatte. Die Wunde hatte sich nicht
grün verfärbt, danach war er für mich
uninteressant gewesen. Zum Glück stellte sich heraus, dass
jemand anders daran gedacht hatte ihn zu füttern.
Wir untersuchten ihn und fanden ihn in einem späten Stadion
der Ghul-Metamorphose. Soviel zur grünlichen
Wundfärbung als eindeutiges Symptom. Ich würde bei
Gelegenheit einen geharnischten Brief an den Autor dieses Lehrbuches
über Ghule schreiben.
Raun zapfte Blut, Speichel und weitere
Körperflüssigkeiten ab. Den restlichen Nachmittag
beobachteten wir ihn im Planwagen. Meine magische Analyse zeigte, dass
sich die magische Aura der Metamorphose bereits aufzubauen begann. Wir
brauchten nur noch eine Nacht abwarten, dann hatten wir unseren eigenen
Ghul. Leider würde er einen Mordshunger haben. Und wir hatten
beim besten Willen nicht genug Fleisch übrig. Und ein Ghul
würde sich im Planwagen auch nicht verbergen lassen. Ein
einziger Schrei, ein einziger neugieriger Blick unter die Plane und man
würde ihn finden. Und dann würden wir ihn nicht
weiter untersuchen oder beobachten können. Schade. Wir konnten
die dauerdepressive Nervensäge natürlich einfach
sterben lassen oder nach der Verwandlung umbringen. Aber ich stellte,
wie so oft, fest, dass ich ein viel zu gutes Herz habe. Ich nutzte die
Gelegenheit um mit Raun wenigstens den Unitatio zu üben. Er
hatte die Übung auch bitter nötig. Dann heilte ich
ihn mit einem Klarum Purum. Sobald sich das Ghulgift in seiner Blutbahn
auflöste, zerfiel die magische Aura Transformatica.
03. Phex 1031 BF
Am nächsten Morgen war Ergil wieder auf den Beinen. Wir
stellten fest, dass es besser gewesen wäre ihn nicht mit rohem
Fleisch zu füttern. Sein entghulter Magen reagierte nicht gut
auf die darin enthaltenen Speisereste.
Unterwegs kamen wir an den Leichen mehrerer Orks und Menschen vorbei,
die an die Bäume genagelt waren.
Ich verfluchte zum wiederholten Mal die nervigen Pilger und Geweihten.
Hier gab es so viel Material, dass einfach so herumlag und ich konnte
nicht damit experimentieren. Und wieder holten wir die Schaufeln
heraus, begruben alle und hielten eine Begräbniszeremonie ab.
Wir begruben auch die Orks. Weniger wegen ihres Seelenfriedens wegen,
als aus Seuchenschutz.
04. Phex 1031 BF
Nach kurzer Reise kamen wir an eine Zollstation an einem kleinen Fluss.
Eine kümmerliche Steinbrücke mit einer Hütte
und einem Schlagbaum. Hier hätte man viel einfacher eine Furt
anlegen können, das Wasser war niedrig, die Ufer flach. Aber
eine Furt kann man nicht besteuern, eine Brücke schon.
Ich rannte vor um über den Zoll zu verhandeln. Bei zehn
Dukaten pro Wagen und einem Silber pro Bein blieb mir aber fast die
Spucke weg. Das war schlimmer als Wegelagerer. Als ich vorschlug
einfach durch den Fluss zu gehen, drohte man mir einen Strafzoll mit
der Hälfte an. Und als ich das Ufer ansah, entdeckte ich
unzählige Steine, die man hier platziert hatte um eine
Überquerung zu erschweren.
Ich fand noch heraus, dass der Zoll deswegen so hoch war, weil der
Baron Gold sammeln musste um seinen Sohn frei zu kaufen. Den Junker
Stanislav von Freiberg.
Ich ging zurück und besprach mich mit unserem Travia
Geweihten. Er hielt die Besteuerung von Pilgern für illegal
und sah aufgrund dieser völlig überzogenen Forderung
auch kein Problem damit, die drei Zöllner einfach aus dem Weg
zu schuppsen. Aber andererseits hatte er immer noch ein schlechtes
Gewissen, dass wir den Junker nicht gerettet hatten. Und er fand die
grundsätzliche Sammlung von Gold für diesen Zweck
für durchaus nachvollziehbar. Er spendete nach einer
deutlichen Ermahnung der Zöllner zehn Dukaten für
diesen guten Zweck.
Im nächsten Dorf warnte man uns vor Untoten, die in dieser
Gegend häufig vorkommen sollten.
Abends kamen wir an einen kleinen Bauernhof und fragten nach
Unterkunft. Mit herumlungernden Untoten, Räubern und Orks in
der Gegend, wollten wir sehr ungern auf der Straße lagern.
Die nette kleine, sehr traviagläubige Familie Erpeldinge
empfing uns. Die fast 60-jährigen Eltern Hanno und Katla, samt
ihren erwachsenen Söhnen Wulfert und Argolf.
Wir wurden herzlich eingeladen. Raun versuchte dafür der alten
Mutter mit ihrer Gicht zu helfen und kramte an Tees und Salben hervor,
was er an passendem in unserem Karren finden konnte.
Beim Essen erfuhren wir einiges über die Gegend und die
Familie. Die Söhne hatten vor einiger Zeit ihre Familien
verloren.
Wulfert versuchte etwas linkisch mit Niam anzubandeln. Zu meiner
völligen Überraschung mit großem Erfolg.
Sie fand ihn offensichtlich irgendwie niedlich. Die beiden verschwanden
später unauffällig nach oben in seinem Zimmer.
Als ich weiteres Essen aus der Küche holte, fand ich Branje
und Argolf, dicht beieinander sitzend, vor dem Kamin vor. Die beiden
unterhielten sich für meinen Geschmack etwas zu intensiv.
Eilig ging ich zu unseren Vorräten und holte ein paar Zutaten.
Baumwürgerrinde, Belmartaufguss, Katzenblüte. Ich
brühte eine Tasse mit leckerem Tee auf und eine mit den
zusätzlichen Zutaten. Letzterer war für Argolf. Die
grässlichen Flatulenzen, die diese Mischung hervorrief,
würden romantische Aktivitäten unterbinden. Es war
sehr unwahrscheinlich, dass ihn die Nebenwirkungen umbringen
würden.
Als ich fröhlich pfeifend mit den Tees zurückkam,
unterhielt sich Branje immer noch immer mit diesem Jungspund. Bevor ich
den Tee verteilen konnte, fiel mir ihr zufriedener Gesichtsausdruck
auf. Sie war kaum wieder zu erkennen. Ich hatte sie noch nie so
glücklich gesehen. Genau genommen, hatte ich sie
überhaupt noch nie glücklich gesehen. Ich kippte den
Gifttee aus dem Fenster und trank den anderen selber. Es fiel mir nicht
schwer, mich unauffällig davon zu machen, die beiden
hätten Momentan nicht einmal eine angreifende Ogerhorde
bemerkt. Die restlichen Pilger im Raum, schienen sie auch nicht
wahrzunehmen. Rodrigo kam mir entgegen und ließ seinen
Raubtierblick über den überfüllten Raum
schweifen. Als er Branje bemerkte, setzte er sein charismatischstes
Lächeln auf und wollte schon losgehen. Dann blieb er irritiert
stehen. Er sah mich an. Ich bestätigte seine stumme Frage:
„Ja, sie lächelt wirklich.“
Wir einigten uns darauf Argolf nicht umzubringen. Vorerst.
05. Phex 1031 BF
Am nächsten Morgen fanden wir die beiden aneinander gelehnt
schlafend vor dem Kamin vor. Ich leugnete Rodrigo gegenüber
natürlich, dass ich es gewesen war, der eine Decke
über das schlafende Paar gelegt hatte.
Raun und Rebecca kamen am Morgen aus der oberen Kammer geschlichen.
Irgendwie hatte ich nicht mehr das Gefühl, dass sie ihn noch
lange jagen musste. Kurz danach gefolgt von Niam und Wulfert. Ich ging
hinauf und sah mich um. Da oben gab es nur zwei Räume. Der
eine enthielt das ältere Ehepaar, der andere zwei Betten.
Vermutlich die Kammer der beiden Söhne. Den
Geräuschen während der Nacht nach, hatten die zwei
Pärchen dort wohl eine Menge Spaß gehabt.
Murthakh hatte während seiner Wache tatsächlich einen
Untoten erwischt. Allerdings nur einen und dieser hatte sich geweigert
sich vernünftig zu wehren.
Der Bauernhof lag nur einen Tagesmarsch von Wutzenwald entfernt. Wenn
Branje dort blieb, würde sie keine Probleme haben ihren
Liebsten wieder zu besuchen.