Aus dem Tagebuch des Magus Supreme, Lord-Oberdämonologe, Thargunatus Primus Conjuratus Optimus Rodrik Bannmeister…

Ne… Also wirklich. Wenn ich jemals auf die Idee komme mir so ein irres Konstrukt als Namen zuzulegen, soll mich doch jemand mit einem nassen Waschlappen verprügeln bis ich wieder zu Verstand komme. Was manche Magier sich für Namen geben ist wirklich peinlich. Ein weiteres Zeichen dafür, dass Paktierer als erstes ihren gesunden Menschenverstand und erst dann ihre Seele verlieren.
Aber ich greife der Geschichte vor.


24. Phex 103X BF
Zweimühlen

Mein Thalon hatte es problemlos geschafft der Spur des Gitterwagens zu folgen. Sie führte nach einigen Umwegen, vermutlich dazu gedacht Verfolger zu täuschen, direkt auf eine der größeren örtlichen Städte zu. Zweimühlen. Eine durchaus beachtliche Palisade verbarg den Blick auf die Stadt bis auf eine Art Schloss und die beiden namensgebenden Mühlen von denen sich aber nur bei einer die bunten Mühlräder fröhlich im Wind drehten.

Wir schlichen zu einer Hügelkuppe und spähten von den Büschen am Waldrand verborgen zur Stadt.

Die Bewohner der Stadt waren fleißig bei der Aussaat, wie nicht anders zu erwarten. Es herrschte reger Verkehr durch die drei Stadttore, der aber durch Soldaten kontrolliert wurde. Nach einem nicht erkennbaren Muster wurden Passanten aufgehalten und befragt.

Über der Stadt wehte ein Banner mit einem golden gekrönten Totenschädel auf rotem Grund. Nicht gerade das Zeichen für einen zwölfgöttergläubigen Herrscher. Wenn hier so jemand herrschte, dann war es sicher ein Schwarzmagier.

Wir diskutierten das weitere Vorgehen. Ich war dafür, vorsichtig in die Stadt zu gehen und dort nach den Gefangenen zu suchen.
Niam plädierte wortstark und sehr stur dafür, dass ich einfach den Dämon losschicken sollte, um den genauen Ort auskundschaften zu lassen, an dem die Gefangengen eingesperrt waren. Sie wollte sofort und genau wissen wo diese sich befanden.
Ich war dagegen sicher, dass sich die Gefangenen in dem großen schlossartigen Gebäude befinden würden. Der Schwarzmagier, der hier herrschte, schien nichts von Subtilität zu halten und würde die Gefangenen für sein Blutritual sicher dicht bei sich haben wollen. Und wenn man ein Schloss hat, warum sollte man dann irgend etwas Wichtiges woanders aufbewahren?

Niam wollte das dagegen nicht wahrhaben, sie hoffte, dass sich die Gefangenen irgendwo in der Stadt versteckt befanden. Wo wir sie ohne eine Armee befreien konnten. Letztendlich ließ ich mich gegen besseres Wissen breitschlagen. Ich sandte den Dämon mit einem „Spioniere und berichte“ Auftrag los. Dann warteten wir gespannt. Nach wenigen Minuten fühlte ich die Verbindung zum Dämon zerbersten. Er war zweifellos vernichtet worden. Verdammt. Man hatte ihn erwischt. Und jemand der einen Dämon so einfach wegputzt, ist entweder selbst ein fähiger Beschwörer oder Antimagier. Ich stand auf und informierte die anderen. Helmbrecht beschloss den Standort zu wechseln.

Mein Einwand, dass uns das gegen einen Dämon mit Suchauftrag nichts bringen würde, war vergeblich. Zumindest fast, denn Raun brachte er auf die Idee, uns mit einem Hellsicht-Trüben Cantus zu tarnen. Das würde uns zumindest eine Chance geben unentdeckt zu bleiben. Wenig später zuckte Niam nervös zusammen und auch mich ergriff ein mulmiges Gefühl. Ich wirkte einen Gardianum Dämonenschild und wir rückten eng zusammen.

Ich versuchte den Dämon durch die Augen meines Golemkäfers zu sehen, aber Rauns Zone aus Antimagie blendete auch diesen. Ich kam mir ein bisschen dumm vor, aber zum Glück hatte das niemand bemerkt.
Da entdeckten wir „es“. Etwas Unsichtbares stapfte, tiefe Spuren hinterlassend, durch das Gras. Gras das unter seinen lautlosen Schritten gefror und leise knisternd zerbarst. Ich musste das typische Schnüffeln und Hecheln des Dämons gar nicht erst hören um zu wissen, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Karmanath handeln musste. Der klassische Killerdämon aus Nagrachs Domäne.

Atemlos verfolgten wir wie die Bestie hin und her wanderte. Niam hatte plötzlich Dolche in der Hand. Abgelenkt von dem Dämon, hatte ich nicht einmal mitbekommen wie sie diese gezogen hatte.

Dann heulte der Dämon genervt auf und trabte davon. Er hatte uns nicht entdeckt!

Jetzt würde sein Beschwörer sicher etwas verwirrt sein. War der Thalon einer der hier vorkommenden freien Dämonen? War sein Beschwörer mächtig genug den Karmanath zu täuschen? Oder war er schon außer Reichweite geflohen? Sicher gab es in Zweimühlen gerade ein heftiges Fluchen und Schimpfen. Vermutlich hatte der hiesige Herrscher auch genug Feinde die er jetzt verdächtigen konnte.

Wir wanderten zur nächsten Straße, die in Richtung Wehrheim führte und hielten den nächsten Wagenzug der aus der Stadt kam an. Betont friedlich und freundlich grüßten wir die Händlerin und fragten nach der Lage in der Stadt. Murthakh versagte wie immer völlig bei dem Versuch nicht den Eindruck zu vermitteln, dass er die Reisenden töten und essen wollte. In Anbetracht der häufigen Besitzwechsel in dieser Gegend ein völlig normales Verhalten. Es handelte sich um die 30jährige Erlgard Munter und ihre fünf Leibwächter. Vier davon waren gerüstet und schwer bewaffnet, der fünfte zwang mich dazu ein Grinsen zu unterdrücken. Er trug schon praktisch die Parodie einer Magierkleidung. Hoher Spitzhut, Umhang mit goldenen Monden und Sternen und ein Stab von beeindruckenden Dimensionen mit einem Wurzelgeflecht am Ende. Es schrie geradezu: Tötet mich zuerst!
Kein geistig normaler Magier würde so herumlaufen. Nicht einmal als Untoter. Also war er entweder ein Scharlatan oder ein Ablenkungsmanöver. Ein Blick durch die Augen des Golemkäfers enthüllte die Wahrheit. Er hatte so viel magisches Potential wie Murthakh oder ein Stück Lehm. Dafür trug er ein magisches Amulett. Der Kerl daneben, ein unscheinbarer Kerl in Lederrüstung mit einem Langschwert an der Seite, barst dafür geradezu vor magischer Energie. Eindeutig ein voll ausgebildeter Magier. Und so wie er sich hielt, vermutlich aus einer der Kampf-Akademien.

Wir erzählten ihr von der Strecke nach Talf und den Überfällen von Menschenjägern. Sie dagegen berichtete uns wie es in Zweimühlen gerade stand. Der derzeitige Herrscher war ein Schwarzmagier. Er hatte den vorherigen Stadtherren in einem dramatischen Machtbeweis auf dem Marktplatz von einem unsichtbaren Dämon zerreißen lassen. Der Beschreibung nach ein gewöhnlicher Zant. Nicht wirklich beeindruckend. So einen könnte ich auch beschwören. Vorausgesetzt die Kollateralschäden waren mir egal oder es befand sich niemand in der Nähe, dessen Tod mir nichts ausmachen würde. Einen Zant dazu zu bringen jemanden umzubringen ist einfach. Das Problem ist, ihn dazu zu bringen aufzuhören.

Der Schwarzmagier nannte sich: „Mogul Nekrorius“. Seither herrschte er mit harter, aber nicht unvernünftig harter Hand. Für die meisten Bürger war kein großer Unterschied erkennbar. Die Not hielt sich in Grenzen. Allerdings beunruhigte die Bevölkerung Gerüchte, nach denen der Mogul nie schlief. Außerdem schloss er sich oft tagelang im Keller ein. Und nachts verließen alle Wächter das Schloss, die Diener schlossen sich in ihren Kammern ein und Untote wanderten durch die Gänge und Hallen.

Wir verabschiedeten uns freundschaftlich und ich hoffte ehrlich, diese nette Truppe noch einmal wiederzusehen. Vor allem die Truppe von Leibwächtern gefiel mir. Fünf völlig unterschiedliche Gefährten, einer davon ein Magier. Wie die Heldengruppen in allen Legenden und Geschichten.

Sie empfahlen uns als Unterkunft noch die Herberge: „Name des aktuellen Machthabers hier einfügen“. Nun, genau genommen hieß sie aktuell „Mogul Nekrorius“, aber während der Herrschaft der letzten drei Kriegsherren, hatte der Besitzer sie jedes Mal entsprechend umbenannt.

Wir wanderten als angebliche Söldner auf Arbeitssuche einfach durch das Stadttor. Dort wies man uns an, uns bei Hauptmann Neb in der Gaststätte „Blutgrube“ zu melden.

Drei Straßen weiter stieß mich Raun unauffällig an. Er erinnerte mich leise, dass „Neb“ uns von Zeugen auch als Name des Anführers der Menschenfänger genannt worden war. Das hatte ich komplett vergessen…

Wir mieteten in der Herberge drei Doppelzimmer und Standplätze für unsere Pferde. Niam feilschte wie ein Pferdekutscher um den Preis. Dann bestellt sie ein Bad. Erst für sich und dann, nachdem sie demonstrativ an Murthakh geschnuppert hatte, auch für uns alle.

Wir verbrachten drei Tage damit die Stadt zu erkunden. Unseren ursprünglichen Plan, die Menschenfänger zu überraschen und die Gefangenen durch einen schnellen unerwarteten Angriff zu befreien, mussten wir schnell aufgegeben. Branje und die anderen Opfer waren direkt in das Grafenschloss gebracht worden. Zeugen hatten das Ganze beobachtet und einer hatte sogar Branje beschrieben.

Wir mussten genau auskundschaften was der Mogul an Sicherheitsvorkehrungen angelegt hatte. Er hatte eine feste Basis, umfangreiche finanzielle und personelle Mittel und ein halbes Jahr Zeit. Mir fielen zahllose Möglichkeiten ein, wie er sein Schloss gesichert haben könnte. Magische Fallen, dauerhaft gebundene Dämonen und diverse Untote waren nur die naheliegendsten Möglichkeiten. Dazu hatte er eine Halbbanner Söldner zur Verfügung.

Niam schlug vor einen Aufstand gegen den bösen Schwarzmagier anzuzetteln. Das war um Größenordnungen komplexer als unsere übliche Vorgehensweise. Wir mussten jetzt erstmal die Lage erkunden.

Mein Golemkäfer hatte unauffällig das Grafenschloss umschwirrt, durch die Fenster aber nur normale Zimmer und Ereignisse beobachtet. Von den Gefangenen keine Spur. Allerdings traute ich mich nicht ihn hineinfliegen zu lassen.
Magische Rückstände oder aktive Magie war nirgends zu erkennen.

Nachdem der Mogul die Macht an sich gerissen hatte, waren die Söldner des alten Herrschers zu ihm übergelaufen. Allerdings erst, nachdem dieser Neb seinen Hauptmann, den Fetten Ron verraten und beseitigt hatte. Denn der Fette Ron war bekannt dafür, dass er gerne gutes Gold für seine Dienste nahm, aber gleichzeitig auch sein Seelenheil im Augenmerk hatte – und der Schwarzmagier hatte ihm als Dienstherr nicht gefallen wollen. Schon in seiner Zeit als Räuberhauptmann hatte er Pilger und Tempel verschont oder gar beschenkt. Sein Nachfolger, Hauptmann Neb sah das eher etwas gelassener.

Niam gabelte den alten Feldkoch der Todesfänger, Radulf Bergdorf, durch einen reinen Zufall schon am ersten Abend in Blutgrube auf. Zwei Tage später fraß er ihr schon aus der Hand und erzählte ihr alles was man über die Stadt wissen wollte. Die Todesfänger hatten schon drei Kriegsherren vor dem Mogul gedient. Und immer die Seite gewechselt bevor ihre Seite verlor. Schon mal ein guter Ansatzpunkt.

Einige Mitglieder der Bande waren mit diesem moralischen Verfall nicht einverstanden. Der Fette Ron war verschwunden. Tot, gefangen oder Untot. Radulf hegte natürlich die Hoffnung, dass er noch immer im Kerker des Moguls gefangen war.

Die Besatzer der Stadt hatten immer wieder Ärger mit einer Gruppe von Freischärlern, die von einer gewissen Marlene Ochsenbrecher angeführt wurden und sich hier irgendwo im Umland verbargen. Kurioserweise waren die meisten dieser Freischärler ehemalige Stadtgardisten, die unter der letzten legitimen Gräfin Svantje auf dem Mythraelsfeld gekämpft hatten. Dort war die Gräfin erbenlos gefallen – und als Maline und die Reste ihrer Truppe nach Zweimühlen zurückgekommen waren, hatten sie die Stadt bereits in der Hand eines Heptarchen-Günstlings vorgefunden. Da sie nicht kampfkräftig genug gewesen waren, hatten sie sich für ein Leben als Gesetzlose entschieden.

Der aktuelle Verwalter der Stadt, Zordan von Elenvina war mit 66 Jahren schon unter mindestens dem dritten Herrscher im Amt. Und einer der vorherigen hatte ihm wegen einem misslungenen Putschversuch die Hand abhacken lassen. Er musste verdammt gut sein. Normalerweise werden Anführer eines Aufstandes aufgehängt.

An weiteren potentiellen Verbündeten gab es noch eine Travia Geweihte in der Stadt. Wir korrigierten unsere Erwartungen allerdings stark nach unten nachdem wir erfuhren, dass Erlgunde Ganslieb schon fast 75 Jahre alt war und von niemandem mehr als Bedrohung gesehen wurde. Im Gegenteil, sie predigte absolute Unterwerfung vor dem jeweiligen Stadtherren.

Was wir hier vorhatten war schon mehr ein Aufstand als eine Befreiungsaktion. Mit entsprechend langer Vorbereitungszeit. Besorgt hatte ich schon in der ersten Nacht die Sterne überprüft. Aktuell herrschte keine Sternkonstellation die Beschwörungen oder Großrituale behinderte, aber es war auch in den nächsten Tagen nicht mit einer günstigeren zu rechnen. Weiter in die Zukunft konnte ich ohne eine Kopie von Nyobaras Sterntafeln keine Vorhersagen treffen.

Das war nun ein Problem. Wenn der Mogul die Gefangenen nur für die Auffrischung von irgendwelchen Dämonenbindungen benötigte, konnte er damit jederzeit anfangen. Wenn er ein Großritual mit Blutopfern plante, dann hatten wir einerseits noch ein paar Tage Zeit, wussten aber nicht was er damit an zusätzlicher Macht erreichte.

Helmbrecht hörte die längste Zeit in unserer Besprechung nur zu. Dann erklärte er uns, dass es nicht reichen würde den Mogul zu vernichten. Das würde nur zu einem Machtvakuum führen. Und damit zu einem Bandenkrieg, der voraussichtlich weit mehr Opfer fordern würde als die Menschenfänger.
Außerdem bestand seiner Erfahrung nach keine Chance Zivilisten zur Mitarbeit zu überreden, wenn man ihnen keinen alternativen Herrscher anbieten konnte.

Während wir das noch geistig verarbeiteten, schlug Niam vor einfach Helmbrecht als Herrscher einzusetzen. Das würde uns eine bequeme Machtbasis in der Wildermark bescheren. Gegenüber Mutter Gans konnten wir dann immer noch behaupten, dass wir die einmalige Gelegenheit genutzt hatten, einen weiteren Stützpunkt für die Wiedereroberung durch das Mittelreich vorbereitet zu haben. Mit dem Nahrungsmittelhandel in der Hand des Dreischwesternordens, brauchten wir eigentlich nur noch den Handelsplatz von Gallys und die Söldnereinheiten von Wehrheim auf unsere Seite bringen. Der Rest würde fallen wie eine Reihe von kleinen flachen Bauklötzen die man in einer Reihe auf der Kante aufgestellt hatte.

Den Rest des Abends verbrachte ich damit, meinen Kollegen eine vage Vorstellung zu vermitteln, was ein Beschwörer, in diesem Falle ich, zu dem Ganzen beitragen konnte. Das hing allerdings sehr stark von der zur Verfügung stehenden Zeit und damit auch Astralenergie ab.