10. Peraine 1031 BF
Wald nördlich von Zweimühlen
Wir hatten uns etwas zurückgezogen um uns leise zu besprechen.
Durch meinen Golemkäfer hatte ich die Höhle teilweise
ausspähen können, aber die genaue Zahl und
Ausrüstung der Bewohner war weiterhin unklar.
Zwei Paare von Kindern wanderten aus der Höhle heraus. Ein
Paar ging nach links, eines nach rechts. Dann bemannten sie die
Aussichtsplatzformen.
Niam und Murthakh schlichen los und schnappten einen aus der linken
Gruppe. Niam warf sich dessen primitiven Umhang über und
wanderte damit weiter. So bemerkte sein Partner nichts.
Murthakh trug ihn über die Schulter geworfen ein
Stück, aber er wachte überraschend schnell wieder
auf. Was ihm aber nur einen weiteren Fausthieb, Fesseln und Knebel
einbrachte.
Der Kleine war nicht unterernährt, aber zäh und gut
durchtrainiert. Murthakh nickte beifällig als er seine Muskeln
prüfte.
Am Flussufer, wo das Wasser unsere Geräusche etwas
übertönte, verhörten wir ihn. Der Akzent war
grauenhaft. Kaum verständlich. Und der Junge war ungebildet.
Eine echte Schande. Selbst für jemanden der im Wald aufwuchs.
Wir brachten aus ihm heraus, dass seine Familie schon seit Generationen
in dieser Höhle lebte. Sie gingen selten mal in die
Städte zum Tauschen und Einkaufen. Ansonsten gab es keinen
Kontakt. Der Inzestuöse Haufen ernährte sich von
jagen und sammeln. Nur dass er überhaupt kein Problem hatte
Menschen als Jagdtiere zu sehen. Der Junge verstand sichtlich
überhaupt nicht wieso wir ein Problem damit hatten, dass sie
auch Menschen aßen.
Wir fanden heraus, dass die Männer mittlerweile zur Jagd
ausgezogen waren. Wie viele es waren konnten wir aus dem Jungen mangels
grundlegender mathematischer Kenntnisse nicht herausfinden. Er konnte
nicht zählen solange seine Hände gefesselt waren.
Niam kam ins Lager. Sie hatte ein weiteres Kind dabei, allerdings tot.
Mit gebrochenem Genick. Sie hatte versucht ihn vom Hochstand zu holen,
aber er war hinuntergesprungen als er sie bemerkte.
Die Jäger würden sich an einem Punkt positionieren an
dem sie die Straße über Meilen überblicken
konnten. Nachts war das Lagerfeuer der einsamen Wanderer weithin zu
sehen.
Wir kopierten diesen Plan und ich ließ meinen
Golemkäfer aufsteigen und die Straße abfliegen. Wir
fanden ein Lager und schlichen uns an. Wie erwartet, hatten sich die
Jäger rings um das Lager positioniert. Auf beiden Seiten lagen
Menschenfresser mit leichten Armbrüsten mitten auf der
Straße um die wahrscheinlichsten Fluchtwege abzudecken.
Murthakh schlich in großem Bogen herum und stellte sich
praktisch direkt hinter den liegenden und lauernden Menschenfresser.
Ich schlich mit Niam an den Schützen auf der anderen
Straßenseite heran und erledigte ihn mit einem perfekten
Schuss in den Nacken. Wie sich später herausstellte,
hätte ich mir das Schlafgift sparen können. Der
Schuss in das Nackenloch war sofort tödlich. Ich war durchaus
erstaunt als ich das später bemerkte.
Als die restlichen Menschenfresser die beiden schlafenden Wanderer
angriffen, schlugen wir zu. Armbrüste feuerten und Murthakh
trat einen Schritt zu und halbierte seinen völlig
überraschten Gegner. Während die völlig
überraschten Wanderer noch panisch versuchten ins
Gebüsch zu kriechen, rief ich laut: „Halt im Namen
von Baron Helmbrecht von Zweimühlen! Ergebt euch,
schändliche Räuber!“. Dann machten wir
kurzen Prozess mit den Wilden.
Raun verarztete den Wanderer der sich zu Beginn einen Borndorn
eingefangen hatte den ein Wilder noch im Laufen warf bevor wir ihn
ausschalten konnten. Zwei der Kerle fingen wir lebend, zwei waren
böse zerhackstückt. Nur den, den ich mit dem Blasrohr
erledigt hatte war praktisch unversehrt.
Murthakh half mir zwar mein überraschenderweise totes
Blasrohropfer in den Wald zu schleppen, weigerte sich dann aber wie
erwartet mir zu helfen ihn zu beerdigen. Niam hatte klargestellt, dass
sie gegen jede Art von Dämonenbeschwörung oder
Nekromantie war. Aber da ich auch bisher immer darauf bestanden hatte
Leichen zu bestatten, zweifelte sie nicht an meinen guten Absichten.
Ich begann ein flaches Grab auszuheben. Als ich sicher war alleine zu
sein und auch mein Golemkäfer mit seiner Lebenssicht nichts
erkennen konnte, hörte ich auf und sprach den brabakischen
Grabsegen: „Totes Handle!“
Ich verlieh ihm die Gabe der Regeneration und versteckte ihn unter
einer dünnen Schicht Erde und Laub. Hier würde er
unbegrenzt lange halten. Waldtiere vergreifen sich nicht an Untoten und
alles andere würde heilen. Ich ging direkt zurück zum
Weg und brachte an einem Baum eine deutliche Markierung an. Eine die
direkt in Richtung der Menschenfresserhöhle zeigte.
Wir erklärten den Wanderern noch was für ein
Schicksal sie gerade vermieden hatten und das in Zweimühlen
nun wieder Gerechtigkeit herrschte. Dann zogen wir zurück um
die Höhle zu befrieden.
Der Plan war zumindest die Kinder zu verschonen und gefangen zu nehmen.
Bisher waren wir wie erfahrene Waldläufer lautlos durch den
Wald geschlichen. Selbst Raun hatte nur wenige trockene Äste
gefunden. Hier jedoch stolperte ich über eine verstecke Wurzel
und fiel laut fluchend den Hang hinunter. Wie sich herausstellte, war
das aber auch schon völlig egal. Während unserer
Abwesenheit hatte ein Wachwechsel stattgefunden und die fehlenden
Wachen waren bemerkt worden. Die Hochstände waren nicht mehr
besetzt. Sie waren gewarnt.
Die Menschenfresser hatten sich in der Höhle verschanzt.
Keiner ergab sich. Sie kämpften wie in die Enge getriebene
Ratten. Ich verpasste Murthakh unauffällig einen Armatrutz und
wir nutzten ihn als Sturmramme. Die Mutter und eine der
Töchter benutzten eine krude Art von Hexenmagie.
Blitz Dich Find! Attributo, ein Hexenknoten der uns den Weg versperrte.
Nichts mit dem wir nicht fertig wurden.
Sie waren nur mit Dolchen und Steinschleudern bewaffnet. Und einer
wurmstichigen Armbrust. Es war ein Massaker. Raun warf mit Feuer und
Steinstürmen. Niam hielt sich hinten… und war damit
beschäftigt ihr Essen drin zu behalten. Sie war zwar auch eine
Veteranin, aber bisher hatte sie sich bei Schlachten eher im Hinterland
gehalten. Sie war nie mitten im Gemetzel gewesen.
Rodrigo verschoss seine Munition und begab sich dann in den blutigen
Nahkampf. Meine Schlange erwischte einige, aber dann endete sie
eingesperrt unter einem Topf, begraben unter einem umgeworfenen grob
gezimmerten Schrank.
Im hintersten Raum fanden wir eine Hexe. Gefesselt, mit
zerstörten Armen und Beinen. Weit jenseits jeder Chance auf
Heilung. Dazu Hochschwanger mit dem Bastard eines dieser Wilden. Sie
bat uns sie zu töten und Murthakh gewährte ihr diese
Gnade. Hier war die Quelle der primitiven Magie der Familie.
Nach dem Anblick gab es keine weiteren Gefangenen. Als die Sonne
längst am Himmel stand, traten wir blinzelnd aus der
Höhle. Blutüberströmt, zerschunden und
müde. Geistig und körperlich am Ende.
Wir würden ein paar Dörfler und Männer aus
Zweimühlen herschicken, damit sie die Leichen beseitigten. Und
auch die eingelegten, eingepökelten und geräucherten
Menschenteile.