Tagebuch des Magiers Rodrik Bannwäldner
1. Tag der Herrschaft des Barons von Eigenen Gnaden, Helmbrecht von
Rosshagen
Stadt Zweimühlen, Wildermark
Einen Nekromanten zu besiegen scheint mir aktuell leichter zu sein als
eine Stadt in der Wildermark organisiert zu bekommen. Hier ist
überhaupt nichts sinnvoll geregelt. Keine
militärische Struktur, das Steuerrecht ist voller
völlig überzogener Abgaben, dafür wurden
essentielle Infrastrukturaufgaben wie die Wartung der Stadtmauer
völlig eingespart.
Der Baron hat alle Hände voll zu tun. Zuerst haben wir die
Steuern auf das übliche Maß reduziert. Ein Zehnt
für die Stadt und ein Zehnt, der direkt an den Tempel gezahlt
wird. Mehr könnten die Bürger realistisch auch gar
nicht leisten, ohne sich mittelfristig zu ruinieren. Das hat die
Stimmung in der Stadt deutlich gebessert.
Danach ging es daran alles zu organisieren, was bisher auf
„Der Nekromant hat befohlen“ beschränkt
war.
Murthakh wurde zum Hauptmann der Stadtwache ernannt.
Unter sich hatte er den Fetten Ron, den wir aus dem Kerker befreit
hatten, mit seinen 25 Mann der ehemaligen Todesfänger. Die
Kerle schienen ehrlich erfreut zu sein, nicht mehr in der Gegend
rumschleichen zu müssen um unschuldige für Nekrorius
Experimente zu entführen. Auch wenn das mehr daran lag, dass
sie dafür tagelang durch den Wald pirschen mussten und
öfter mit den Freischärlern zusammenstießen.
Der Baron erließ eine vollständige Amnestie,
außer für tatsächliche Morde und
Vergewaltigungen. Ein öffentliches Gerichtsverfahren
führte zu zwei Hinrichtungen.
Die Freischärler unter Marlene Ochsenbrecher waren ein Dutzend
ehemalige Gardisten der Stadtwache, die wir mit Mühe
überredeten hier in der Stadt zusammen mit den
Todesfängern zu arbeiten. Wir brauchten immerhin jeden Mann um
die Stadt sicher zu halten. Es würde eine schwere Aufgabe
für Hauptmann Murthak werden hier Streit zu vermeiden.
Kaum hatte man die letzten Blutflecken auf dem Burghof aufgewischt,
kamen schon die ersten Bittsteller. Ein Bastran Erlgau wollte sein
Elternhaus zurück. Blöderweise wurde das
Beschlagnahmt, als er sich nach dem vergeblichen Aufstand gegen den
ersten Kriegsherren der Stadt mit den Freischärlern in den
Wald zurückziehen musste.
Unser Haushofmeister bestätigte seine Identität und
seinen Anspruch. Nur, in dem Haus wohnt jetzt die ehemalige Waibelin
Lara, die es zur Gaststätte Blutgrube umgebaut hat. Die raus
zu werfen kam uns nicht wirklich fair vor, außerdem
hätte es in der Stadt sofort zu Problemen geführt.
Dazu brauchten wir eigentlich sogar noch eine weitere Unterkunft
für Marlene Ochsenbrechers Freischärler.
Wir fanden ein ähnlich großes Gebäude, das
nur von einem alten Mann bewohnt wurde. Ich verhandelte mit ihm. Zuerst
wollte er einen wöchentlichen Besuch im Bordell raushandeln,
aber er sah ein, dass wir uns das beim aktuellen Zustand der Stadtkasse
nicht leisten konnten. Dazu würde er das auch kaum ausnutzen
können. Ich versprach ihm dagegen einen Potenztrank zu brauen.
Nachdem er seinen Haushalt kaum noch selber aufrechterhalten konnte,
schlug ich ihm vor Marlenes Gruppe bei sich wohnen zu lassen. Damit
hatte er Stimmung im Haus und musste sich nicht mehr selber um alles
kümmern. Das Argument, dass Marlenes Feldkoch sicher besser
kochen würde als er selber, überzeugte ihn dann. Da
er keine Erben oder Verwandte hatte, vereinbarten wir
außerdem, dass Bastran Erlgau seine Villa erben
würde.
Bastran Erlgau erhielt die Zusicherung, dass er sein Elternhaus
zurück bekommen würde, falls die Waibelin es jemals
aufgeben sollte. Starb der Alte vorher, erbte er stattdessen dessen
Haus. Er war nicht glücklich, aber in Anbetracht der
Alternative einfach nichts zu bekommen, zufrieden. Er würde
jetzt mit den anderen Freischärlern bei dem Alten wohnen.
2. Tag der Herrschaft des Barons von Eigenen Gnaden, Helmbrecht von
Rosshagen
Wir schickten Boten los um uns mit den umliegenden Bauern zu
besprechen. Fast 60 Bauern trafen zur vereinbarten Zeit ein.
Es kam erst zu den üblichen völlig
überzogenen Forderungen, aber zusammen mit dem einarmigen
Haushofmeister und meiner Analyse des städtischen
Haushaltsplanes, konnte der Baron bald die realen Probleme
herausfiltern.
Es fehlten vor allem ca. 37 Säcke mit Saatgut, Saathelfer um
die Aussaat noch im Zeitrahmen zu schaffen und ungefähr zwei
Dutzend Hacken und sonstige Werkzeuge. Bekamen wir das nicht hin,
würde die nächste Ernte nicht groß genug
ausfallen um eine Hungersnot zu vermeiden.
Wir waren mit der Aussaat schon spät dran. Eile war geboten.
Dazu hatten wir keinen Peraine Geweihten, der die Felder segnen konnte.
Wir hatten nur die alte Travia Gans, die zur Situation
natürlich nichts nützliches beitragen konnte.
Nahrung zu importieren konnten wir uns nicht leisten und sie woanders
zu stehlen, würde dort zu einer Hungersnot führen. In
der Wildermark gab es nirgends einen ausreichenden Überfluss.
Die Händler der Stadt konnten uns auch nichts
Nützliches berichten. Der alte Sensendengler meinte er
könne Saatgut einkaufen, aber nur für mindestens 20%
über dem üblichen Marktpreis. Die Nachfrage war
einfach zu hoch. Ein Blick in die Stadtkasse zeigte allerdings, dass
das nicht realistisch zu finanzieren war.
Wir starteten eine Sammlung alter Werkzeuge und
Eisengegenstände um die Rohstoffe zu bekommen mit denen das
fehlende Werkzeug hergestellt werden sollte. Die Schmiede der Stadt
machten sich gleich an die Arbeit.
Vor der Stadt wurde uns von Kampflärm berichtet. Als wir
hineilten, fanden wir einen jungen Zwerg, der von einer kleinen Gruppe
Kopfgeldjäger verfolgt wurde. Niam erledigte die Angreifer mit
nur wenig Unterstützung.
Der Verfolgte stellte sich trotz seiner Handwerkerkleidung als Magier
heraus. Fobosch, Sohn des Aromboloschosch… Sohn eines
anderen Zwerges. Für seinen Magierstab hatte er eine
interessante Wahl getroffen. Er trug einen Magier-Zollstock bei sich,
den er für seine mechanischen Konstruktionen häufig
benötigte. Wie er berichtete, hatte er bei einem Experiment
eine größere Explosion in seiner Heimat Akademie
ausgelöst, was dort bei der Spektabilität zu
großem Missfallen gesorgt hatte. Ich war erstaunt. Selbst
strenge Akademieleiter schickten üblicherweise keine Meuchler
los. Als er dann damit herausrückte, dass er an der
„Hofzaubererschule der Dritten Capitale und vom neuen
Zeitalter zu Yol-Ghurmak“ unter Spektabilität
Balphemor von Punin studiert hatte, war das gleich logischer. Das alte
Baumgesicht mit seinen Wurzelfingern verstand seinem Ruf zufolge keinen
Spaß und war mit drakonischen Bestrafungen schnell bei der
Hand.
Sein Spezialgebiet war Golembau, was mir sofort sympathisch war.
Endlich ein Gesprächspartner, der etwas von einem meiner
Lieblingsgebiete verstand. Wie er es schaffte eine kataklysmische
Strukturüberladung hervorzurufen um eine Explosion
auszulösen, musste er mir unbedingt genauer erklären.