Tagebuch des Magiers Rodrik Bannwäldner

5. Tag der Herrschaft des Barons von Eigenen Gnaden, Helmbrecht von Rosshagen
Stadt Zweimühlen, Wildermark

Mit dem Morgengrauen kam Bewegung in das Lager unserer Belagerer. Trompeten schallten, Essen wurde ausgegeben… und nach einigem misstrauischen Herumstochern gegessen. Die Truppen traten an.
Nur der Magier fehlte.

Nach einiger Zeit rannte ein Bote in das Zelt des Magiers und kehrte laut rufend zum Hasentobel zurück. Wir sahen von der Burgmauer amüsiert zu, wie ein stocksteifer Magier aus dem Zelt getragen wurde. Sie stellten ihn wie eine Statue hin. Er hielt die Hände abwehrend vor sich, die Hände in einer Abwehrgeste ausgestreckt. Er hatte sich offensichtlich selbst mit dem Paraly versteinert um nicht mitkämpfen zu müssen, ließ es aber so aussehen, als wäre er angegriffen worden.

Der Kriegsherr tobte und prügelte auf die Statue sogar mit einem Schwert ein. Natürlich ohne jeden Erfolg. Dann kamen ein paar zögerliche Gestalten zu ihm, die mit gebeugtem Kopf etwas berichteten. Sofort brüllte er wieder los und rannte zum Standort des Onagers, wo außer einer verwirrten Geschützmannschaft nichts zu sehen war.  

Hasentobel ließ das Verhandlungs-Zelt aufbauen und mit der Tsa Flagge winken. Wir zogen wieder zur hinaus.
Er forderte Gold, der Baron seinen Abzug. Keiner gab nach.
Der Kriegsherr gratulierte mir zähneknirschend dazu das „Duell der Magier“ gewonnen zu haben. Ich nahm dies dankend an. Dann schlug er doch tatsächlich vor, für die kommende Schlacht auf Magie zu verzichten. Ich flehte den Baron theatralisch an, endlich richtig zaubern zu dürfen, da ich mich ja jetzt so lange hatte zurückhalten müssen. Er winkte nur beruhigend in meine Richtung, dann informierte er den Kriegsherren, dass selbstverständlich alle Waffen nutzen würden. Wenn er seine schon vor der Schlacht verlegte, war das allein sein Problem.
Der Kriegsherr schäumte.
Der Baron drohte ihm ein letztes Mal mit einem schnellen Ende, sollte er sich mit Helm und Schild zur Schlacht rüsten. Alle die von dem präparierten Helm wussten, schafften es mit Mühe ein Lachen zu unterdrücken. Das gepresste Grinsen wirkte vermutlich in dem Zusammenhang ziemlich blutrünstig.
Es hätte nun sicher die Gelegenheit gegeben eine Vereinbarung zu treffen, in der beide Seiten ihr Gesicht behalten hätten, aber das hätte mittelfristig weitere Angreifer angelockt. Der Baron bestand daher darauf, dass er mit eingekniffenem Schwanz abzog, was der Kriegsherr wiederum nicht akzeptieren konnte. Wütend versprach er uns Tod, durch Feuer und Schwert. Wir zogen uns in die Stadt zurück und erwarteten seinen Angriff.

Rodrigo hatte schon während der Verhandlungen seine nagelneue Hornisse auf der Stadtmauer aufgebaut, allerdings so, dass man sie von außen noch nicht sehen konnte. Erst beim Angriff wollte er sie auf das Gestell heben und losfeuern. Während er in anderen Kämpfen eher eine wenig kampfkräftige Figur gemacht hatte, hatte er hier ganze Arbeit geleistet. In nur drei Tagen hatte er nicht nur eine Hornisse, sondern auch eine leichte Balliste gezimmert. Kein Wunder, dass wir ihn in der Zeit kaum gesehen hatten. Seit er direkt nach der Eroberung der Stadt drei Trichtermagazinene und Munition neben einer völlig zerstörten Hornisse gefunden hatte, war er nicht mehr aus der Werkstatt zu bekommen. Die Balliste zielte im Moment auf das Stadttor. Der Erste, der hier durchbrechen wollte, würde eine sehr kurze, aber schmerzhafte Überraschung erleben.

Ich begab mich zu ihm auf die Stadtmauer. Neben uns stellte sich die Schützengilde auf. Die Hälfte davon hatten Helfer mit Ersatzarmbrüsten mitgebracht, die ihnen das Spannen abnehmen würden.

Der Kriegsherr ließ seine Truppen aufmarschieren. Sie formierten sich zu zwei Gruppen, vermutlich um zeitgleich zwei Schwachstellen der Stadtmauer angehen zu können. Dazu setzte sich ein mit großen Tragschilden gedeckter Trupp mit einem Rammbock in Bewegung.

Als erstes jagte der Kriegsherr seine Goblins nach vorne. Jeder hielt eine Tonkugel mit brennender Lunte in der Hand. Ich pfiff durch die Zähne. Hylailer Feuerkugeln. Das machte die kleinen Fellträger tatsächlich zu einer ernsthaften Gefahr. Falls sie die Stadtmauer erreicht hätten. Die Armbrustschützen und die Hornisse eröffneten das Feuer und machten kurzen Prozess mit ihnen. Rodrigo zeigte hier eine mörderische Trefferquote. Verletzte fielen und rafften sich nur auf, um sofort umzudrehen und zu fliehen. Nur einer kam in Wurfweite und entzündete einen Teil der Steinmauer, was uns jedoch nicht schadete. Der erste Helfer schüttete trotz Niams lauten Warnungen einen Eimer Wasser darauf, was das Feuer in die Gegend spritzen ließ, es jedoch natürlich nicht löschte. Erst danach wurde es mit Sand gelöscht.
Die Goblins die sich zur Flucht gewandt hatten, ließen wir laufen. Unsere Bürgerwehr wäre auch nicht abgebrüht genug gewesen, um Gegnern in den Rücken zu schießen. Einer der jüngeren Schützen musste sich beim Anblick der verletzten Goblins übergeben und von der Mauer gebracht werden.

Kurz bevor der Rammbock das Stadttor erreichte, wirkte ich ein Motorikus Fesselfeld auf den Bereich davor. Der Rammbock wurde dadurch sanft abgebremst und klopfte nur kläglich gegen das eisenbeschlagene Holz. Der Zauber war lange nicht stark genug die Kämpfer aufzuhalten, nahm ihnen aber jede Chance den notwendigen Schwung in den Rammbock zu bekommen.

Nun konnte sich der Kriegsherr nicht mehr halten. Von Hasentobel bestieg sein Pferd, schnallte den Schild um und ließ sich seinen Helm reichen, während seine Leutnants sich um ihn aufstellten um ihn zu begleiten.

Nun war es Zeit. Raun wollte nicht als Druide bekannt werden, Niam blieb lieber anonym im Hintergrund und unser Fobosch hatte sich außer im Zusammenhang mit der automatisierten Schmiede ebenfalls noch nicht offen als Magier zu erkennen gegeben. Dazu weigerte er sich vernünftige Magierkleidung zu tragen. Der Baron wünschte jedoch, dass wir ein deutliches Zeichen setzten, dass weitere Angreifer von Angriffen auf Zweimühlen abhielt. Nun, dann musste ich wohl den ganzen Ruhm für fremde Taten einheimsen. Nicht dass mir das etwas ausmachte.
In weißer Robe und mit meiner besten Augenklappe, stand ich hoch aufgerichtet auf der Burgmauer. Die feindlichen Langbogenschützen waren noch außer Reichweite, aber ich behielt sie trotzdem vorsichtshalber im Auge. In der Hand hielt ich den Golem-Schlangenstab hoch erhoben, die andere hielt ich in strenger Pose hinter dem Rücken, wo sie unauffällig unter dem Umhang meinen echten Magierstab in seiner Rückenhalterung umfassen konnte. Im Stabspeicher lauerte der vorbereitete Zauber. Jetzt kam es auf genaues Timing an.

In dem Moment, in dem von Hasentobel den Helm auf den Kopf setzte, zeigte ich mit dem Stab auf ihn und wirkte einen gerichteten Flim-Flam Lichtblitz in grüner Farbe, zusammen mit einem lauten: „Eradikation!“
Etwas Besseres als das bosparanische Wort für Auslöschung war mir nicht eingefallen. Schließlich konnte ich schlecht eine existierende Formel oder Zaubersprüche wie das „Avada Kadavera“ des Nasenlosen Nekromanten aus dem Bornischen Kindermärchen benutzen.

Zeitgleich mit dem Lichtblitz, explodierte der Archossphaero von Foboschs Artefakt, das Niam in der Nacht im Helm angebracht hatte. Der Kriegsherr und sein Pferd wurden von Metallschrappnell buchstäblich zerfetzt. Auch seine Begleiter wurden schwer verletzt oder direkt getötet, ihre Pferde fielen blutschäumend zu Boden. Ich hatte fast schon ein schlechtes Gewissen mir den ganzen Ruhm für diese Aktion einzuheimsen, aber natürlich genoss ich die entgeisterten Blicke der unwissenden Zuschauer. Immer noch den Stab auf die Explosionsstelle gerichtet, hielt ich die Pose, bis ich sicher war, dass es alle gesehen hatten. Dann hob ich die Hand und ließ einen variablen Flim-Flam im selben Grünton darüber erschienen. Ganz langsam und bedrohlich ließ ich ihn immer heller werden.

Unter mir öffnete sich das Stadttor und unsere Truppen, angeführt vom wild brüllenden Murthakh, stürmten heraus. Die Angreifer vor dem Tor ließen Rammbock und Waffen fallen und stieben in alle Richtungen davon. Die restlichen nun führungslosen Belagerer warfen ihre Waffen nach einer sehr kurzen Diskussion ebenfalls davon und ergaben sich eiligst. Nur einer stellte sich stur oder in Panik zum Kampf, woraufhin ihn Murthak mit seiner Axt glatt längs in zwei Stücke spaltete. Danach fielen auch die letzten Waffen zu Boden.

Niam sicherte die Kriegskasse des Kriegsherrn und etwas später wurde der immer noch paralysierte Magier samt seinem Zelt und seiner gesamten Habe in die Burg gebracht. Auch Zelt und Einrichtung des Kriegsherrn holten wir herein. Das würde die magere Einrichtung der Grafenburg gut ergänzen.

Der Baron hielt eine Ansprache darüber, dass kein Angreifer der Stadt schaden würde, solange er an der Macht sei. Die Rede wurde von der Bevölkerung mit wildem Jubel begrüßt.

Nun ging es an die Aufräumarbeiten. Die Pferde wurden eingefangen und beschlagnahmt. Ebenso Waffen und Rüstungen der Soldaten. Die Zugtiere des Onagers kamen uns besonders gelegen, da sich die Kaltblüter hervorragend auch für das ziehen von Pflügen eigneten. Etwas das wir Streitrössern kaum zumuten konnten.

Die Pferde würden wir wohl oder übel verkaufen müssen. Wir hatten nicht genug Futter und schon gar keine Reiter, die mit trainierten Schlachtrössern umgehen konnten.

Niam schaffte es, die Hälfte der Geschützmannschaft des Onagers zu überreden, für uns zu arbeiten. Auch wenn wir nicht ansatzweise ihren alten Lohn zahlen konnten. Dafür bekamen sie freie Unterkunft in einigen der freistehenden Häuser. Ihrem Anführer Praioslob Okdarn, einem erfahrenen Richtschützen, Zimmermann und Geschützmeister, gewährte Niam aus ihren eigenen Vorräten ein Darlehen von zwanzig Dukaten zu fairen Konditionen, damit er eine Marketenderin heiraten und sich mit ihr hier niederlassen konnte. Seine Fähigkeiten würden beim Wiederaufbau der Stadt sehr hilfreich sein.

Der Baron bestand darauf, dass der Tross unbehelligt blieb, was die Köche, Handwerker und Marketenderinnen sehr erstaunte und erfreute. Hier in der Wildermark war man anderes gewohnt.
Niam öffnete die Kriegskasse unter unseren neugierigen Blicken und entnahm ihr Beutel mit etwa 350 Dukaten. Einiges davon wurde sofort als Bonus an die Verteidiger ausgezahlt. Jeder Bürger, der bewaffnet auf der Mauer gestanden hatte, erhielt einen Dukaten. Die Mitglieder der Schützengilde sogar zwei. Das würde die Motivation bei der nächsten Verteidigung der Stadt voraussichtlich deutlich erhöhen und zu noch mehr Freiwilligen führen.
Einige Bürger zogen nun gleich zu dem Tross hinüber um ihr gerade verdientes Gold gleich auszugeben. Im Nu entstand so ein kleiner und unerwartet fröhlicher Jahrmarkt.

Acht der Soldaten siedelten sich ebenfalls in der Stadt an, was unsere Schlagkraft weiter erhöhte.

Fobosch holte mit seinem Erz-Elementar den Onager unauffällig in die Stadt. Was wir mit dem Ding tun sollten war mir nicht ganz klar. Da er bei jedem Schuss wie der gleichnamige Esel ausschlug und hochbockte, konnte er auf der Mauer nicht verwendet werden. Und von innen hinüber nach außen zu schießen kam mir etwas riskant vor, aber das würden Rodrigo und der Geschützmeister sich überlegen müssen.

Im Burgkerker wollten wir gerade dem Magier eine Magierschelle anlegen, als er seine Versteinerung auflöste und erschrocken zurücktrat. Ich hatte mir schon gedacht, dass wir damit eine Reaktion bekommen würden. Wir informierten ihn darüber, dass er nun ohne einen Arbeitgeber dastand, was ihn nicht überraschte. Er hatte bereits mehrfach versucht seinen Herrn zum Abzug zu überreden, da er deutlich bemerkt hatte, dass wir ihm in magischer Hinsicht überlegen waren. Wir konnten ihm kein angemessenes Gehalt bieten, daher verabschiedete er sich höflich. Ich gab mir Mühe ihn im Guten gehen zu lassen. Man wusste nie, wann man einen zweiten Bannmagier brauchen konnte. Dazu hatte ich nicht gelogen als ich ihm schrieb, dass die Bevölkerung der Wildermark seine Fähigkeiten benötigte. Hier trieben sich einfach zu viele unverantwortliche Magier herum. Wir ließen ihm seine gesamte Habe. Nur einen Karren musste er selber bei den Trossleuten mieten.

Die nächsten Tage verliefen etwas ruhiger, aber auch voller Arbeit. Saatgut wurde mit dem erbeuteten Gold eingekauft, die Reparaturen an der Stadtmauer wurden weitergeführt und Häuser für die neuen Bewohner hergerichtet. Übergangsweise konnten sie in ihren Zelten wohnen, aber bald würden wir noch mindestens zwei der verlassenen Bruchbuden wieder herrichten müssen.

Zusammen mit dem Saatgut kam ein fröhlicher zyklopäischer Peraine Geweihter in die Stadt. Pyglaion vom Orden der Drei Schwestern erklärte sich bereit den leerstehenden Tempel der Peraine zu übernehmen und unsere Felder zu segnen. Damit stand einer guten Ernte nichts mehr im Weg.

Während ich dafür zu beschäftigt war, wurden der Baron und einige Stadtbewohner von Hieronimus Wortschmied, einem reisenden Reporter einer der wenigen Zeitungen der Wildermark interviewt. Er war kurz vor der Belagerung angereist, um unsere örtliche Braumeisterin über die Neuauflage des Mühlenbräu auszufragen. Ich war gespannt, wie wir in dem Bericht abschneiden würden. Vor allem da ich gehört hatte, dass der „Wildermark Gourmet Bote“ sich normalerweise überwiegend für Kochrezepte interessierte. Hier sah man wohl die Gelegenheit die Auflage zu erhöhen, indem man mit einem exklusiven Bericht neue Leser anzog. Ich war gespannt.