Geheime Reise-Erinnerungen des Ardo Askirson von Zolipantessa
Wie so oft konnte ich in meinem offiziellen Tagebuch nicht alle
Begebenheiten so schildern wie sie sich wirklich zutrugen. Daher hier
für Dich mein liebes Füchslein einige Korrekturen,
wie ich zum Herrn fand und was sich in Perricum damals im Jahre 1034
wirklich zugetragen hatte.
Hast Du Dich denn niemals gefragt, warum mir die Kirche des Fuchses so
bereitwillig bei meiner Revanche geholfen hat?
Nun ganz einfach, weil ich einer der ihren bin und das Mysterium der
Tontafeln des Sultan al Satrapi nichts anderes war als meine
Eignungsprüfung ob ich vom Listenreichen als würdig
befunden werde oder nicht…
26. Rondra 1034 BF
Entgegen der Darstellung in meinem offiziellen Tagebuch, war das Erste
worüber ich mit Mondschatten Lonnert sprach nicht meine
Revanche-Pläne bezüglich Thyria Matrix, sondern ich
berichtete ihm haarklein, was sich seit unserem Aufbruch in Festum
zugetragen hatte. Er kannte meinen Namen und die meiner
Gefährten bereits von Mondschatten Trondloff aus Festum. Auch
dass ich mit einem Kollegen in Khunchom gesprochen hatte, war ihm
bewusst.
Auch hier gab ich einen fast vollständigen,
wahrheitsgemäßen Bericht. Doch wie bei Markgraf
Rondrigan verschwieg ich die Sache mit dem Elementarpakt. Auch die
Diener des Fuchses müssen nicht alles wissen.
Nachdem ich mit meinem Bericht fertig und alles diesbezüglich
besprochen war, blickte er mich fragend und auffordernd an, so als
wisse er, dass ich noch nicht fertig war. Ich schaute ihm fest in die
Augen und sprach: „Ich will wie ihr ein Diener des Fuches
werden. Schon mein ganzes Leben fühle ich mich zu Phex und
seinen Idealen hingezogen. Ich war unsicher, doch Fuldigor selbst
meinte, dass meine Seele schon längst ihm gehören
würde. Nun hier bin ich. Was soll ich tun?“
„Die Frage ist, mein Freund, was Du dem Listenreichen im
Gegenzug dafür bietest, dass er Dir seine Gnade und Kraft
zuteil werden lässt.“, antwortete der
bärtige Phexgeweihte ernst. Ich überlegte kurz, hob
schmunzelnd meine dicken Wurstfinger hoch und entgegnete:
„Einen etwas anderen Phexgeweihten, einen Kämpfer
für die Elemente und gegen die Schergen des Namenlosen. Einen
Diener, der sich den Idealen des Fuchses mit ganzer Seele verschworen
hat.“
„Nun, mein Freund, dann musst Du Phex beweisen, dass Du es
wert bist sein Diener zu werden.“, entgegnete mir Thimorn und
führte mich in das Hinterzimmer. Ich entgegnete ihm, dass ich
mich ausführlich mit den Texten und dem Wesen des Fuchses in
meinem Brevier beschäftigt hatte, doch darüber
schmunzelte er nur.
„Ihr habt bewiesen, dass ihr handeln
könnt. Ihr habt bewiesen, dass ihr Geheimnisse bewahren und
Geheimnissen auf die Spur kommen könnt. Ihr habt bewiesen,
dass ihr Dinge in euren Besitz bringen könnt die euer sein
sollten. Was ihr noch nicht bewiesen habt, ist ein Verständnis
für das wahre Wesen des Mysteriums.“
Da erst berichtete ich von der Intrige in Festum und dass ich mich
dafür in Phexens Manier revanchieren wollte. Er nickte und
meinte, „Ihr habt bereits für Aufsehen in der Stadt
gesorgt. Nachdem sich überall herumgesprochen hat, dass jemand
auf der Spur zu den Schriftrollen von Sultan Nasir al Satrapi ist.
Schriftrollen die den Grund dafür enthalten sollen, warum
Rondra ihr auserwähltes Volk, die Babur Nebachosya
verstoßen und den Bosparanern die Posaunen von Nebachot
überlassen hat.“
Ich nickte und berichtete nun von meinem Vorhaben eine Schatzsuche zu
veranstalten und deren Zusammenhang ich bei einer fingierten Auktion
einen großen Reibach zu machen gedachte. Dies fand
natürlich den Beifall der anwesenden Phexgeweihten.
„Vor einigen Jahren gab es schon eine große Jagd
nach der Lanze des letzten Sultans der Nebachoten und dem Geheimnis
seines letzten Schwures. Diesmal wird jeder Wichtige in Perricum dabei
sein wollen“, mutmaßte Thimorn. Er warf einen Blick
auf die Karte, auf die ich eine Nachricht an Thyria Marix
niedergeschrieben hatte, welche sie am Ende finden sollte.
„Eure Karte...“, warf er mir einen missbilligenden
Blick zu. „Gezeichnet „Ardo“... ein
Scherz. Ein Scherz eines Schülers. Eines Geweihten des Phex
jedoch nicht würdig. Diese Karte hinterlässt keinen
Zweifel. Kein Geheimnis. Keine Inspiration nach mehr zu
forschen.“ Er seufzte gespielt auf: „Du musst noch
viel lernen, alter Grauling. Und dieses Mal nicht aus einem Buch. Ich
werde Dich unterweisen. Jeden Tag für die nächsten
Wochen. Deine Aufgabe ist es ein Mysterium zu erschaffen und dabei
ordentlich Geld heraus zu schlagen. Gelingt Dir dies, so mag Phex
entscheiden, ob Du seiner würdig bist.“
Ich nickte feierlich und schlug in seine ausgestreckte Hand ein, um den
wichtigsten Handel meines Lebens zu besiegeln!
27. Rondra – 30. Efferd 1034 BF
So verbrachte ich in den kommenden Wochen jeden Tag etliche Stunden im
Gespräch mit Mondschatten Lonnert, der mich das Wesen des
Fuchses lehrte und die gegensätzlichen Prinzipien keine
Leistung ohne Gegenleistung zu erbringen, auf der anderen Seite aber
jegliche Geheimnisse zu wahren, sei es nun die eigene
Identität oder alles andere. „Hätte ich
Euch dann nicht von den Drachenkultisten berichten
dürfen?“, fragte ich irritiert. Er grinste und
meinte: „Du musst immer abwägen, ob ein Geheimnis so
wichtig oder unwichtig ist, dass man es besser für sich
behält, oder ob man andere darin einweiht. Die Bedrohung durch
die Drachenkultisten und durch Pardona ist sehr groß. Frage
Dich selbst ob der Fuchs einen Nachteil oder einen Vorteil davon hat,
dass Du uns Bericht erstattet hast, dann erkennst Du die
Wahrheit.“
Ich nickte erleichtert, dass ich das Richtige getan hatte.
Mondschatten Lonnert überließ mir weitestgehend
jegliche Planung des „Mysteriums der Tontafeln des Sultan al
Satrapi“. Immerhin war dies meine Eignungsprüfung.
Allerdings unterstützte er mich mit allem was mir einfiel und
wonach ich verlangte. Auch die Unterstützung durch einige
geniale Fälscher organisierte er.
Da dies alles eine Heidenstange Geld kostete und es
selbstverständlich war, dass die Kirche des Fuchses mit ihrer
Investition in mein Vorhaben satten Gewinn zu erwirtschaften trachtete,
einigten wir uns nach langem Feilschen darauf, dass der Ertrag aus der
Versteigerung als mein Maßstab gelten würde, wie
erfolgreich dieses Phexensstück sein würde. Davon
stand der Kirche des Fuchses 20% zu. Da die gesamten Ausgaben der
Vorbereitung davon jedoch mitnichten gedeckt sein würden,
gestand ich den Jüngern des Fuches sämtlichen Gewinn
aus dem Umsatz aller übrigen Aktivitäten zu. Sei es
nun das verkaufen von Informationen oder weiteren gefälschten
Hinweisen. Mit Mondschatten Lonnert vereinbarte ich daher auch, dass
ich mich um diesen Teil nicht weiter kümmern würde,
sondern nur um die „Hauptaktivitäten“, wie
das Aussuchen des Fundortes, oder die Auswahl der Hinweise, das
Fabrizieren von Texten und Skizzen in enger Zusammenarbeit mit den
Sprach- und Geschichtsexperten.
Alles in allem war es eine äußerst aufregende Zeit!
Es wurde etwas komplizierter als gedacht, als Fendal plötzlich
wieder vor meiner Türe stand, aber zum Glück war er
nicht sehr misstrauisch und es gelang mir meine täglichen
Besuche im geheimen Phextempel unter dem Schleier meiner eigenen
„geheimen“ Suche nach den Tafeln zu verbergen.
Täglich übte ich unter Anleitung des Geweihten die
heiligen Liturgien zur Anrufung meines Gottes. Wiewohl ich sie schon
viele Male in meinem Brevier gelesen hatte, so war es doch etwas
anderes sie ehrfürchtig auszusprechen, zu denken oder zu
murmeln um dabei keine Aufmerksamkeit zu erregen.
Ich konzipierte auch mein eigenes Zeichen, denn auch wenn es
unwürdig wäre, das Mysterium aufzudecken, so ist es
doch nichts desto trotz phexgefällig ein Zeichen zu
hinterlassen, welches auf den Urheber des Gaunerstücks
hinweist, ohne diesen jedoch beim Namen zu nennen, sondern stattdessen
die Kreativität des Finders anzuregen und diesen dazu zu
inspirieren weiter zu suchen und weiter zu forschen. Nach einigen
Versuchen gelang es mir, den Anfangsbuchstaben meines Namens so zu
zeichnen und zu verdrehen, dass er wie eine stilisierte Fuchsschnauze
aussah. Fürwahr ein passendes Piktogramm.
Ich ließ eine abgebrochene Tonscherbe mit diesem Zeichen
anfertigen und so am Fundort des Schatzes drapieren, dass diese als
eines der wenigen Stücke übrig bleiben
würde.
01. Travia 1034 BF
Als ich am Abend nach dem Ende der Jagd auf die Tontafeln des Sultan al
Satrapi aufgeregt wie ein Schuljunge in den geheimen Phextempel kam,
erwartete mich bereits Mondschatten Lonnert. Er führte mich in
einen unauffälligen Hinterhof in der Nähe des
geheimen Tempels. Es war eine wolkenlose Nacht und die Sterne, die
Schätze des Herrn Phex standen funkelnd am Firmament, ebenso
wie das Madamal das mit seinem hellen, silbernen Licht den Hof um uns
herum erfüllte.
Um uns herum warteten schon die anderen Geweihten des Fuchses und
etliche derjenigen, die in den vergangenen Tagen dabei geholfen hatten,
dass ich meine Prüfung so erfolgreich hatte ablegen
können. Alle waren zwar unauffällig gekleidet, doch
im Licht des Madamals sah ich an jedem von ihnen eine Fuchsbrosche oder
ein Amulett funkeln. Es herrschte eine gespannte und erwartungsvolle
Atmosphäre. Ich wurde ganz aufgeregt und wagte kaum zu atmen.
Thimorn Lonnert, Hochgeweihter des Phex trat vor und warf feinen
Silberstaub über mich, der mich einhüllte und dann
wie von Geisterhand immer schneller um mich herum wirbelte und
schließlich in der Form urtulamidischer Schriftzeichen auf
meiner Kleidung haften blieb!
„Ewiger Phex,“ sprach er feierlich, „Du
gibst nichts umsonst. Dieser Sterbliche bietet seine lebenslangen
Dienste für Deine Gnade.“ Er schwieg einen Moment
und drehte sich dann zu mir um: „Nun mögest Du IHM
einen materiellen Anreiz bieten, damit er seine wertvolle Zeit opfert
um Dein Angebot zu hören und zu erwägen. Er, der in
tausend Schatten wandelt, wird nicht umsonst seine volle Aufmerksamkeit
auf einen einzigen Sterblichen vereinen.“
Er hielt mir meinen eigenen Geldbeutel hin und als ich ihn in die
Rechte nahm, erkannte ich am Gewicht unweigerlich, dass er nur noch
Goldmünzen enthielt und wusste, dass dies alles mein Gold war.
Ein guter Teil meines „Gewinns“ aus meiner
Prüfung. Zuerst wusste ich nicht genau, was er von mir
erwartete und unterdrückte mit Mühe den Impuls
einfach den gesamten Beutel in den Himmel zu schleudern.
Da signalisierte mir der Geweihte auf Atak, dass ich den Beutel zuerst
öffnen und dann hochwerfen sollte. Ich öffnete den
Beutel und nahm die Goldmünzen in beide Hände. Ich
suchte einen festen Stand und dann warf ich alle Münzen so
weit ich konnte in den Nachthimmel.
Alle Anwesenden und ich natürlich auch verfolgten die Flugbahn
der Münzen mit angehaltenem Atem. Als ob die ganze Welt
plötzlich stehen geblieben wäre flogen die
Münzen bis zum höchsten Punkt, als sie wieder nach
unten zu fallen begannen, sah ich eine der Münzen, wie sie
plötzlich einen Sternenschweif hinter sich herziehend hinauf
in die Ewigkeit des Himmels schoss!
Auch einige der anderen Münzen begannen plötzlich
wieder zu steigen, Funken stieben heraus und eine nach der anderen
gewann an Geschwindigkeit und stob hinauf zum Herrn! Mein Herz ging
auf, als ich dies sah und ich frohlockte ob der Annahme meiner Gabe!
Einige der Münzen waren weiter gefallen, doch auch die letzten
von ihnen wurden etwa anderthalb Schritt über meinem Kopf
immer langsamer, bis sie kurz inne hielten, nur um dann ebenfalls wie
umgekehrte Sternschnuppen in den Nachthimmel zu stieben!
Einzig die letzte Münze senkte sich soweit ab, dass sie fast
in meine Reichweite kam. Oh, der Herr liebte es zu spielen. Ich
schnellte in die Höhe und es gelang mir sie trotz
meiner dicken, ungelenken Finger zu schnappen! Ich sah, dass sie einen
Fuchkopf zeigte und fühlte die Kraft des Herrn der Nacht in
ihr!
Ich reckte sie ihm triumphierend entgegen und rief glücklich:
„Diese Eine, Herr, bleibt meine!“
Da fiel ein Strahl aus Mondlicht in den Hof und erleuchtete ihn
silberhell und badete mich ihn der Wärme und der Kraft des
Herrn. Ich fühlte wie sich die Präsenz des Grauen in
mich ergoss und mich bis in die letzte Pore ausfüllte. Es war
ähnlich wie im Steinkreis im Ehernen Schwert, als ich den Pakt
mit dem Elementarherren des Feuers schloss und doch ganz anders. Das
Feuer hatte mir eine urtümliche Kraft gegeben, deren Anwendung
ich erst noch lernen musste und die sowohl Gutes, wie Schlechtes mit
sich gebracht hatte. Doch als die Kraft Phexens mich
ausfüllte, gab sie mir Wärme, Heimat und die Aussicht
alle Herausforderungen, seien sie auch noch so immens, schaffen zu
können. Ich spürte eine neue Quelle der Kraft in mir,
die nur darauf wartete einem Zweck zugewiesen zu werden.
Ich war endlich vollständig.
02. Travia 1034 BF
Die erste Gelegenheit die Kraft des Fuchses einzusetzen fand sich
gleich am nächsten Tag, als ich Rutaris und
Töchter“, der besten Harnischmacherei Perricums
aufsuchte, um eine Spezialrüstung in Auftrag zu geben, die
mich zwar so formidabel wie ein Kettenhemd schützen, jedoch
die Regeneration der Kraft des Feuers nicht behindern würde.
Ich bestellte eine Krötenhaut aus doppel-lagigem Iryanleder
inklusive Arm- und Beinschienen. Die Metallnieten sollten aus dem
teuren und seltenen magischen Mindorium gefertigt werden, damit sie den
Fluss der astralen Kräfte begünstigten, statt
behinderten. Die Rüstung sollte mir derart auf den Leib
maßgefertigt werden, dass sie mich kaum behinderte und ich
wattierte Unterkleidung wie unter meinem Kettenhemd darunter tragen
konnte. Der Harnischmacher warnte mich mehrfach, dass diese Kombination
viel zu warm werden würde und ich die Rüstung
außer im Winter wohl kaum lange würde tragen wollen,
doch ich wusste ja, dass die Hitze mich nicht stören
würde.
Das Leder sollte dunkelbraun gegerbt sein, damit es einen leichten
Kontrast zu den schwarzen Mindorium-Nieten bieten würde,
welche je nach einfallendem Licht in allen Regenbogenfarben
schimmerten. Mitten auf der Brust sollte das Symbol eines brennenden
Feuers punziert sein.
Die Preisverhandlungen waren wie erwartet schwierig und zäh,
ob des seltenen und teuren Materials, doch als ich die Kraft des
Listigen anzapfte und in mein Verhandlungsgeschick einfließen
ließ, war es mir ein leichtes, einen Rabatt von nicht weniger
als 35% heraus zu handeln!
Solcherart beflügelt, begab ich mich zu Mondschatten Lonnert
um mit ihm um ein Säckchen Mondstaub zu feilschen, auf welchem
die Liturgie Sternenstaub lag, welche ich selbst noch nicht erlernt
hatte. Doch hier half mir zuerst all mein Geschick, samt der Anrufung
der karmalen Kraft nichts, doch als ich schon meinte, die horrenden 260
Dukaten zahlen zu müssen, kam ein Bote herein geplatzt, der
meinem Gegenüber eine äußerst schlechte
Nachricht brachte, die den armen Thimorn so aus der Fassung brachten,
dass er sich versprach und mir den Mondstaub für gerade mal 60
Dukaten überließ!
Schnell schlug ich ein und freute mich, meinen Ziehvater
übervorteilt zu haben. Resignierend übergab er mir
den Beutel, während ich ihm den viel zu kleinen Goldstapel
über den Tisch schob.
Ich war äußerst zufrieden mit mir selbst. Nun musste
es mir nur noch gelingen, meinen Freund Shafir zu überreden
ein stärkendes Zauberzeichen auf meine Rüstung
anzubringen und Artefaktmeister Khadil Okharim, sie noch zu verzaubern.
Mit Phexens Hilfe, dessen war ich sicher, würde es mir
gelingen, dem alten Knaben einen günstigen Preis
abzunötigen! Ich wusste, mit Phex an meiner Seite, konnte ich
alles schaffen!