Geheime Zusätze zu den Reise-Erinnerungen des Ardo Askirson
von Zolipantessa
29. Firun 1034 BF, Fortsetzung, Teil 2 (geheim)
Als ich die Gesamtheit der feqzgefälligen Herausforderung in
ihrer Perfektion und Schönheit erkannte, jubelte mein Herz und
ein Kribbeln erfasste mich. Dies war MEINE Prüfung! War dies
gar ein geheimer Tempel meines Herrn? Mein Herr und Gott stellte mich
auf die Probe, ob ich ihm ein wahrlich würdiger Diener war.
Ich ließ mir nicht anmerken, welche Aufregung mich erfasst
hatte, doch konnte mir das Schmunzeln kaum verkneifen, als Hesindian
schwebend über der Truhe feststellen musste, dass er weder
Dietriche, noch Erfahrung im Knacken von Schlössern hatte.
Doch wie fuhr mir der Schreck in die Glieder, als er zu uns
herüber rief und laut meine „Phexgeweihten
Dietriche“ verlangte. Nur mit all meinem schauspielerischen
Geschick gelang es mir, eine verblüffte und
unverfängliche Mine zu wahren. „Was? Wir kommt er
denn darauf“ heuchelte ich so glaubwürdig wie nur
möglich. Shafir meinte grinsend zu mir: „Nun wenn er
Phexgeweihte Dietriche haben will, dann gib ihm doch welche!“
… Meine Gedanken rasten. Aber… Wie konnte er dies
wissen? Hatte ich mich verraten? War ich doch zu überheblich
und unvorsichtig geworden? Wie hatte er von meinem Geheimnis nur
erfahren? „Ich habe ein gut sortiertes Dietrichset, aber es
ist nicht Phexgeweiht“, leugnete ich
wahrheitsgemäß, „ich habe nur eine
Glücksmünze“ aus dem Phextempel, log ich
dann weiter, ziemlich perplex und verdattert. Da verdrehte Shafir
entnervt die Augen und endlich verstand ich! Er hatte gemeint, ich
hätte Hesindian einfach anlügen sollen –
und behaupten, dass meine Dietriche geweiht seien! Oh bei Phex! Fast
hätte ich mich selbst enttarnt!
Ich schüttelte den Kopf. Nein, dies war meine Prüfung
und die würde ich mir von keinem versauen lassen!
Behände sprang ich über die Basaltsäulen zur
Truhe und hockte mich rittlings auf sie. Nachdem ich Hesindians Ring
aktiviert und die Geschmeidigkeit meiner Finger verbessert hatte, holte
ich dann frech meine Glücksmünze heraus und
küsste sie öffentlich. Sollte doch jeder sehen, dass
ich nun meinen Herrn um Beistand anflehte. Doch dass ich dazu wirklich
die Macht besaß, spürte nur ICH in meinem tiefsten
Innern, als ich das Mirakel intonierte, das meinen Umgang mit dem
Dietrich weit über meine gewöhnlichen
Fähigkeiten hinaus steigerte. Hatte ich deswegen ein
schlechtes Gewissen? Nein, natürlich nicht! Hilf Dir selbst,
dann hilft Dir Feqz heißt die wichtigste Lehre meines Herrn
und seine eigenen Defizite zu erkennen und wissen, wann man Hilfe
braucht und von wem, IST eine Tugend! Natürlich würde
ich dem Fuchs seine Hilfe bei der nächsten Gelegenheit
vergelten!
Glaubten meine Gefährten tatsächlich, dass ich
wurstfingeriger Strolch es „einfach so“ im ersten
Versuch schaffte ein heiliges Schloss meines Herrn zu öffnen!?
Offenbar ja, denn keiner wunderte sich auch nur ein kleines Bisschen!
Diese Narren!
Als ich mit dem Gespür des Fuchses die kleinsten Haken und
Grate im Schloss erspürte und meinen Dietrich so drehte, dass
er genau passte, fühlte ich eine Nähe zu meinem
Herrn, die mein Herz fast zerspringen ließ. Dann verschwand
es und mit ihm mein Dietrich. Meine heißblütige
Natur ließ mich einige Flüche ausstoßen,
noch bevor ich darüber nachdenken konnte. So hatte er mir also
doch gleich für seine Hilfe eine
„Bezahlung“ abgeknöpft!
Und prompt tat er dies auch bei den beiden anderen Schlössern
die daraufhin erschienen.
Der Trick bei der zweiten Gruppe von Schlössern war sie beide
gleichzeitig zu öffnen. Also platzierte ich die Dietriche im
ersten Schloss und bat Phex ein weiteres Mal um Hilfe. Normalerweise
wären sie natürlich sofort heruntergefallen oder
zumindest aus ihrer Position gerutscht. Mit füchsischem
Geschick verkeilte ich die Metallstücke aber so ineinander,
dass wie ein Schlüssel fest zusammen hielten. So konnte
Hesindian sie beide gleichzeitig herum drehen.
Nachdem wir es heil wieder hinaus geschafft hatten, überzeugte
ich die anderen davon, diesen heiligen, phexgefälligen Ort
niemandem zu verraten. Sicherlich würde sich die Kirche freuen
einen weiteren formidablen Ort zur Prüfung ihrer Diener zu
bekommen.
Doch in meinem Innern war ich enttäuscht. Eine Echsenmaske und
eine Kupferplatte, die jedoch zur Sicherung gehörte. Das war
alles gewesen, was wir errungen hatten. War dieses Ding eine derartige
Sicherung wirklich wert gewesen?
In der folgenden Nacht schlief ich nur unruhig und hatte einen
seltsamen Traum. Ich stand inmitten von Nebelschwaden, die meine Sicht
in jegliche Richtung trübten. Wie Seifenblasen im Wasser,
waberten verschiedene Szenen durch den Nebel und kamen nacheinander in
Sichtweite. Es waren die Bruchstücke von Erinnerungen, an
verschiedene Gespräche mit Geweihten während meines
kurzen Unterrichts, bevor ich die Weihe des Grauen empfangen hatte:
„Siehe die Gnade des Phex, der stets nur das nimmt was ihm
zusteht. Nicht mehr, nicht weniger. Manchmal nimmt er auch etwas ohne
einen Handel und ohne Gegenleistung. Dann jedoch gräme Dich
nicht, denn er bewahrt es am Himmel unter den Sternen für Dich
auf. Bereit es einst zurückzugeben wenn Du es am
nötigsten brauchst. Natürlich nicht ohne eine
entsprechende Gebühr für die
Aufbewahrung...“
Einen Moment lichtete sich der Nebel über Dir und der
Sternenhimmel wurde sichtbar. Das Sternbild des Phex stand
über allem. Der Himmel war voller Sterne. Phexens
Schatzkammer! Drei kleine Sternbilder blitzten kurz auf. Sternbilder
die sich sehr ähnlich sahen, die ich aber noch nie gesehen
hatte. Sie sahen ein wenig aus wie kleine Schlüssel...
Meine Dietriche! Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf und
neigte ihn anschließend in Demut. „Oh Herr betete
ich stumm. Wie konnte ich je nur an Deiner Weisheit
zweifeln!“
Eine weitere Szene erschien: „Mächtig und
vielfältig sind die Heiligtümer des Phex. Der
Mondsilberschlüssel etwa, der Dir hilft, wenn alles andere
versagt. Oder die legendären Neun Masken der
Täuschung, die es dem Träger ermöglichen
eine andere Gestalt anzunehmen. Jede von diesen verliehen ihren
Trägern auch Wissen und Fähigkeiten und nicht nur das
äußere Erscheinungsbild anderer Menschen und bei
manchen der Masken auch Wesen anderer Rassen. Sie sind wahrhaft von
göttlicher Täuschung erfüllt. Schade dass
sie alle im Nebel der Zeit verschollen sind.“
Als die Erkenntnis mich traf wie ein Faustschlag in den Magen, blieb
mir fast das Herz stehen und ich konnte kaum mehr atmen! Ich hatte eine
der legendären neun Masken erbeutet – und es nicht
einmal gemerkt! Oh ich Narr! Oh Herr, welche Gnade hast Du Deinem
unwürdigen Diener zu Teil werden lassen? Vergib, dass ich Dein
Geschenk nicht als solches erkannte!
Und ich hatte das heilige Artefakt einfach so Shafir und Hesindian
überlassen! Oh ich unwürdiger Trottel!
Sollte ich es mir zurückholen? Oder sie gar darum bitten?
Nein, das würde nur auffallen. Ich musste nun wohl oder
übel warten, bis wir das Kundschaften im verbotenen Tal hinter
uns gebracht hatten. Aber selbstverständlich würde
ich die Maske zurückfordern, wenn wir heil aus dem ganzen
Schlamassel wieder herauskommen sollten.
Und eine dritte Szene erschien: „... im Tulamidischen dagegen
gehören auch Fledermaus und Mungo zu SEINEN Heiligen Tieren.
Und dort nennt man ihn auch den Gott der Magie, der Astronomie und des
Rechenwesens und den Bekämpfer und uralten Feind der
Echsenwesen."
Nun endlich begriff ich, warum der Graue MICH erwählt hatte!
Einen Herumtreiber, notorischen Schürzenjäger, einen
Grobmotoriker mit dem Schalk im Nacken – aber mit starken
Händen, Mut, Redekunst und dem Willen die Welt vor den Echsen
zu beschützen. Endlich sah ich klar: Auch mein Herr wollte
alles daran setzen, die Wiederkehr Zze Tha’s zu verhindern
– und ich sollte sein Schwert, seine Waffe sein!
Aufgewühlt und ergriffen erwachte ich mit einem Ruck. Ich
blickte hinauf zum Madamal und kroch vorsichtig aus meinem Lager
hervor. Leise zog ich Dolofonía ekdíki?si? aus
seiner Scheide und kniete mich hin um zu beten: „Herr der
Nacht, listenreicher Fuchs, Dir seien meine Seele und mein Herz!
Fülle mich mit Deiner Schläue und Deinem Mut! Schenke
mir Stärke und Geschick! Gewähre mir Deine Gnade,
Dein Dolch in der Nacht zu sein und die Geschuppten und ihre
Anhänger in ihr finsteres Reich zurück zu
treiben!“