Geheime Reise-Erinnerungen des Ardo Askirson von Zolipantessa


11. Tsa, 1034 BF

Nach der bescheuerten, anstrengenden Holzhackerei vom Vortag hatte ich mir für diesen Tag einen Plan zurechtgelegt, wie ich um diese Plackerei elegant herumkommen konnte und überdies noch weitere, wertvolle Informationen erlangen konnte.

Ich überzeugte Shafir nach dem Frühstück, dass er mir die heilige Maske aushändigte. Er sträubte sich ziemlich, hielt sich für den Einzigen unter uns, dem es gelingen würde, die Maske aus eigener Kraft wieder abzusetzen. Nun, da konnte ich nur schmunzeln. Er hatte das Wesen dieses heiligsten Artefakts meines Herrn noch nicht einmal ansatzweise durchschaut. Ich beließ ihn jedoch in seiner Unkenntnis. Er musste das Wesen der Maske für sich selbst erkennen, wenn er denn wirklich würdig sein wollte, sie selbst zu tragen.

Zwar schloss ich mich offiziell wieder den Holzfällern an, doch da diese Tagediebe selbst viel zu faul zum echten Arbeiten waren, machte keiner ein Aufhebens davon, als ich mich bereits nach einer halben Stunde in den Urwald davon stahl. Ich überzeugte mich, dass ich allein war, zog die ledrige Maske aus der Tasche, wickelte meinen Schleier ab und setzte sie auf.
Wenige Augenblicke später hatte sich mein gesamter Körper in den schlanken Leib eines Achaz verwandelt – und auch meine Gedanken, mein Wesen änderte sich mit ihm. Ich schaute an mir herab und das erste was mir auffiel, war dass ich eine andere Körperfärbung hatte wie Hesindian. Ich wusste, dass ich zur den Chash’r, der Oberschicht der Achaz gehörte und nur noch den Anführern Rechenschaft schuldig war. Meine menschlichen Erinnerungen, ja sogar mein Glaube an Phex und das Wesen des Feuers waren in meinem Innersten unendlich weit entfernt. Nur mit äußerster Konzentration gelang es mir, auf meine elementare Kraft zuzugreifen und eine kleine Flamme in meiner Hand zu erzeugen. Ich überlegte, ob ein Hellsichtszauber überhaupt noch meine magische Aura anzeigen würde.
Die Verwandlung schien vollständig. Sogar meine Kleidung, die Lederrüstung, der Dolch waren verschwunden! Dies würde insbesondere wertvoll sein, um Rüstung und Waffen zu den Achaz einzuschmuggeln! Oh, groß ist Deine Macht, Herrscher der Sterne!

Sobald ich mich nicht mehr auf mein menschliches Wesen konzentrierte, übernahm der Intellekt eines Achaz mein Bewusstsein. Ich machte einige Schritte durch den Dschungel und fand sofort Gefallen an der eleganten Fortbewegung der Achaz. Wie hatte ich nur je ohne Schwanz zu Recht kommen können?

Ich machte mich nun auf den Weg zu dem Dorf der Achaz. Nun, mit der formidablen Sicht der Geschuppten ausgestattet, konnte ich im grünlichen Halbdunkel des Urwalds auch etliche verborgene Wächter ausmachen, die sich in den Kronen der Bäume und an anderen, schattigen Stellen verbargen.
Ich lief erhobenen Hauptes und mir meiner Kastenzugehörigkeit voll bewusst an den offenen Wächtern vorbei ohne sie eines Blickes zu würdigen. Allein meine Erscheinung und Aura flößte ihnen derart Respekt ein, dass sie sich unterwürfig wegduckten.

Ich erkannte den Häuptling des Dorfes sogleich. Ein einfacher Achaz, der V’Zhlaah, der Verwalterkaste zugehörig. Als Achaz konnte ich die anderen Achaz auch ganz problemlos unterscheiden und wusste instinktiv um ihre Stellung in der Gesellschaft, wie ich überrascht feststellte. Ich schritt auf ihn zu und gab mich als Bote der „überlebenden Achaz aus dem Süden“ aus. Diese Geschichte kaufte er mir auch prompt ab. Immerhin konnte ich sie mit einigen Begebenheiten untermauern, die ich auf der Reise mit meinem Vater in Selem gesehen und erlebt hatte. Seltsam. In diesen Augenblicken war es sehr einfach auf meine menschlichen Erfahrungen zurück zu greifen.
Ich fragte ihn aus, nach dem Portal nach Zzeh Tha und wann es sich öffnen würde, wie die Sache mit den Stelen funktionierte und so weiter. Er antwortete umfassend und ohne jedes Misstrauen: In fünf Tagen wäre die Sternkonstellation wieder so weit, als dass der Übergang sich öffnen würde. Er hoffte, dass die Stelen alsbald so mächtig seien, dass sie den Durchgang dauerhaft stabilisieren würden! Ich unterdrückte ein Schaudern. Er und die übrigen Achaz hier kamen alle aus Zzeh Tha. Wie es sonst um „unsere Sache“ stand, wusste er nicht. Ich erfuhr noch, dass die Pforte, wie er den Durchgang nannte, in der Nähe der verdrehten Bäume, die mir bereits am Vortrag aufgefallen waren, sei.
Er lud mich ein in seinem Haus als Gast zu bleiben, doch einer Ahnung folgend schlug ich die Einladung aus und behauptete wieder zurück zu müssen, um die übrigen Achaz zu unterrichten. Mein Instinkt sagte mir, dass es besser sei, die Maske nicht zu lange zu tragen. Es bestand die Gefahr das eigene Selbst zu verlieren.

Ich verließ das Lager so schnell wie ich es betreten hatte und nachdem ich es weit hinter mir zurück gelassen hatte, versuchte ich meine Gedanken darauf zu konzentrieren, die Maske wieder abzunehmen. Es fiel mir zuerst ungeheuer schwer, denn die Arroganz und Selbstüberzeugung des Achaz besagten, dass ich mich als die Krone der Schöpfung fühlte und es doch keinen Grund geben konnte, wieder so ein armseliger Warmblüter werden zu wollen. War ich nicht schon immer ein Achaz gewesen?

Doch ich schloss die Augen und dachte an die Dinge, die mich als Mensch ausmachten und die mir fehlen würden, sollte ich ein Achaz bleiben. Meine Gedanken wanderten zu Djermila, wie ich sie in meine Kammer gelockt hatte und sie kaum mehr genug von mir bekommen konnte. Wie ich die rothaarige, dralle Maga in Taphîrels Turm verführt hatte; ihr Name wollte mir partout nicht mehr einfallen. Wie ich Yppolita der Schwester unserer Kaiserin einen Kuss gestohlen hatte. Wie ich mich mit der Feuerdruidin Brianna in der Feuerhöhle in Drakonia der heißesten Leidenschaft auf Dere hingegeben hatte und schließlich zu Yolande, wie sie sich verärgert vor allen entblößt hatte, nur um meine Aufmerksamkeit zu erreichen, weil ich sie keines Blickes gewürdigt hatte. Wie sie halbnackt vor mir stand und mich fast verführt hatte, als der Angriff auf Agapyr erfolgte und wie wir beide die Liebes-Nacht unseres Lebens gemeinsam mit Yasinthe im Wunderschloss der wollüstigen Feuermacht verbracht hatten.

Wie sollte ein asexueller Achaz jemals diese Leidenschaft und die Befriedigung verspüren können, die in meinem Blut rauschte, wenn ich mit einer schönen Frau gemeinsam Rahja huldigte? Wenn das Feuer in meinem Inneren jegliche Kontrolle übernahm und ich mit meiner Partnerin den Gipfel der Lust erklomm?

Ich lachte belustigt auf und nahm die Maske ohne jedes Bedauern ab. Einfach so. Denn ich bin Ardo, Ritter des Feuers, Diener des Phex … und ein MANN.


Beschwingt ging ich zurück zum Lager. Ich spürte deutlich die Macht meines Herrn in mir und wie sie mich alleine durch das Tragen der Maske erfüllte. Glück durchströmte meine Adern und Verzückung, ganz so wie es war, wenn ich die Macht meines Herrn zu den mächtigen Liturgien anrief, die ich gelernt hatte.
Ich spürte, dass ER mit mir zufrieden war – doch dass ich es hätte noch besser machen können. Ich überlegte was ich vergessen hatte und dann fiel es mir ein: Ich hatte den Achaz nicht danach befragt, ob es in der Echsenglobule auch Menschen gab.

Wie sollten wir uns dort einschleichen, wenn es dort keine Zhlaa‘Vrehhg gab? Wir hatten ja nur die eine Maske. Zum Echsendorf wollte ich nicht noch einmal zurück. Schließlich hatte ich mich verabschiedet. Doch mir fiel eine Lösung ein: Ich würde am kommenden Tag die Maske noch einmal aufsetzen und dann einfach die Magierin befragen. Wenn sie sich wirklich einen Echsentick hatte, konnte sie mir sicherlich alles Wissenswerte über das Ritual und die Globule sagen. Das würde ein Spaß werden, dieser Tante alle Geheimnisse zu entlocken und sie herein zu legen. Schade nur, dass ich es wohl nicht bewerkstelligen konnte auch noch in ihrem Bett zu landen...