Geheime Reise-Erinnerungen des Ardo Askirson von Zolipantessa
12. Tsa, 1034 BF, der Tag der Katastrophe, Fortsetzung
Ohne groß darüber nachzudenken nahm ich die Maske
vom Gesicht und verwandelte mich wieder zurück in einen
Menschen. Da ich nun nackt und unbewaffnet war, schnappte ich mir einen
der herumliegenden Kaftane der Fanatiker. Phex sei Dank, dass da
überhaupt etwas zur Hand war.
Hinter meinen Gefährten stürmte ich nach
draußen. Von dem Mandraken, Hesindian, Shafir und dem
Erzdschinn war bis auf die breite Schneise, die sich auf ihrem Weg in
den Dschungel hinterlassen hatten, nichts mehr zu sehen.
Draußen herrschte das reinste Chaos. Ziellos durcheinander
laufende Fanatiker, laute Schreie der Angst, Wut und Panik. Fendal und
Omjaid liefen zielstrebig auf unser Zelt zu, Yolande stand etwas konfus
in der Gegend herum und sah so aus, als wisse sie nicht recht, was sie
nun tun sollte. Eine Mischung aus Angst und Panik stand ihr ins Gesicht
geschrieben. Sie blickte sich noch ein paar Mal unsicher um, dann lief
sie den anderen nach.
Die Fanatiker indes schienen allesamt überfordert und kurz vor
einer Massenpanik. Hier musste dringend für Ordnung gesorgt
und diese verblendeten Idioten in die richtige Richtung geschubst
werden. Nicht dass die auch noch die Waffen gegen uns erhoben. Aber nun
war ich ja da.
Seitdem mich Omjaids Dschinn aus dem Boden befreit hatte und mein
Innerstes von Phexens Hauch erfüllt war, fühlte ich
mich wieder Herr der Lage. Wie lustig, dass auch Hesindian auf die Idee
gekommen war, den Mandraken mit Dummheit zu schlagen, so wie ich es
schon getan hatte, während wir uns angestarrt hatten. Nur kurz
fragte ich mich jedoch, ob es überhaupt möglich war,
dass jemand zweimal von derselben Liturgie gestraft werden konnte.
Vielleicht. Immerhin hatte ich ja den Herrn der Nacht angerufen und
Hesindian die Göttin der Weisheit.
Jedenfalls hatte diese Strafe wohl doch mehr Wirkung gezeigt, als ich
zuerst vermutet hatte, denn der Mandrake hatte zum einen keinen
mächtigen Zauber gewirkt und zum anderen war er feige
geflohen. Wie dem auch sei, uns gab es die Möglichkeit uns neu
zu formieren und mir vor allem meine Waffe und meine Rüstung
zu holen… und die Fanatiker gegen die Echsen aufzuwiegeln.
Laut rief ich: „Der Achaz hat sich in ein
grässliches Echsenmonster verwandelt und Omar gefressen! Die
Echsen wollen uns alle umbringen! Holt Eure Waffen!“ So! Das
sollte für’s Erste reichen. Unglauben, noch mehr
Verwirrung, noch mehr Angst, aber auch Wut und Hass auf die Geschuppten
breitete sich unter den Fanatikern aus. Auch sie begannen Waffen zu
ziehen oder zu holen.
Ich lief Fendal und Omjaid hinterher in unser Zelt und holte dort
zuerst mein Schwert. Omjaid setzte gerade das Fässchen mit dem
Zaubertrank schon ab, mit dem er seine astralen Kräfte
erfrischt hatte. Auch Yolande, Fendal und ich tranken. „Der
Bastard hat Hesindian mitgeschleift!“ Keuchte Fendal atemlos,
während er seinen Jagdspieß schnappte.
„Dann verfolg ihn!“ antwortete ich ihm,
„ich muss zuerst meine Rüstung holen.“
„Ich helfe Dir.“ bot sich Omjaid an.
„Dann hilf Du Fendal“, wies ich Yolande an. Sie
nickte, schnappte sich ihren Zauberstab und lief Fendal nach, der schon
nach draußen verschwunden war.
Während die Fanatiker noch planlos durcheinander liefen,
rannte ich zu der nahen Lichtung, wo ich meine Rüstung und den
Kaftan samt Schleier verborgen hatte, dicht gefolgt von Omjaid. Als ich
den geborgten Kaftan abwarf und darunter nackt zum Vorschein kam,
schien er zwar kurz verblüfft, sagte aber nichts. Schnell zog
ich meine Sachen an und ließ mir von meinem
Gefährten helfen, meine Iryanleder-Krötenhaut
festzuschnallen. Zuletzt verschleierte ich mich wieder.
Wir liefen zurück zu den Hütten. Von unseren
Gefährten war nichts weiter zu sehen. Die Fanatiker waren nun
dabei, an der Hütte Verteidigungsbarrikaden zu errichten.
Verdammt, wir mussten die Gunst der Stunde nutzen, solange der Mandrake
noch dumm und die Echsen nicht kampfbereit waren. Wenn wir uns auf
einen Verteidigungskampf einlassen würden, würden sie
uns mit ihren Blasrohren und alleine aufgrund ihrer schlichten Masse
abschlachten. „Such Du die anderen“, bat ich
Omjaid, „ich wiegle die Fanatiker gegen die Echsen
auf.“ Er nickte und machte sich an die Verfolgung des
Mandraken.
Ich wandte mich zu den Fanatikern um und brüllte sie so
überzeugend wie möglich an: „Die Echsen
haben uns verraten und wollen uns alle umbringen!“
„Aber warum?“ wollte jemand wissen.
„Keine Ahnung!“ antwortete ich. „Aber sie
haben den Dschinn der Nacht umgebracht und Omar gefressen! Welche
Beweise brauchst Du noch, dass sie uns alle umbringen
werden?“ „Sie werden kommen und uns
angreifen!“ schrie einer weinerlich, panisch. „Wir
müssen uns hier verbarrikadieren!“ Zustimmendes
Genicke.
„Nein!“, rief ich, „wir müssen
handeln! Jetzt sind sie noch überrascht! Wenn wir schnell
sind, erwischen wir sie, bevor sie sich kampfbereit machen
können!“
„Und ihre Wächter? Sie werden uns mit ihren
Blasrohren erschießen, bevor wir sie überhaupt
sehen!“ rief der panische Kerl wieder.
„Wartet!“ rief ich, lief in mein Zelt und holte
meine Gandrasch und die Bolzen heraus. „Ich weiß wo
ihre Wächter in den Bäumen hocken. Ich werde sie
einfach abknallen!“
Alle Blicke waren auf die mächtige Waffe gerichtet.
„Was ist das denn? Wo hast Du das her?“ wollte
einer wissen. „Das ist eine Monster-Armbrust, um Monster zu
töten! Ich hab sie von einem der Kerle in Birscha
abgenommen.“ Ich spannte die Armbrust und legte einen Bolzen
ein. „Folgt mir!“ rief ich und lief los.
Nun, meine Gandrasch und die Zuversicht, die ich ausstrahlte gaben wohl
den Ausschlag. Denn als ich mich umwandte, sah ich, dass mir
tatsächlich alle Fanatiker folgten. Es war recht einfach der
breiten Spur aus abgerissenen Zweigen und niedergetrampeltem
Grünzeug zu folgen, die Omjaids Dschinn im Dschungel
hinterlassen hatte.
Wir kamen an zwei der seltsamen Stelen vorbei. Die Runen im Stein
leuchteten hell und die Stelen verbreiteten ein unwirkliches, seltsames
Licht. Hätte mein Blut vor lauter Aufregung nicht gekocht,
dann wäre es mir vermutlich kalt den Rücken hinab
gelaufen. So aber, zuckte ich nur mit den Achseln. Gegen die Magie der
Stelen konnten wir eh nichts ausrichten, also liefen wir weiter. Die
Spur bog nun ab in Richtung des Echsendorfs. Verdammt, der verdummte
Mandrake war wohl noch schlau genug, sich Unterstützung zu
holen.
Doch wenige Dutzend Schritt weiter sahen wir einen riesigen Frosch, der
gerade Jagd auf Omjaid machte. Der hatte sich hinter einem Baum
versteckt und hielt den Stamm immer zwischen sich und dem
Monsterfrosch. Dieser war über drei Schritt groß und
hatte eine menschenlange, ziemlich scharfe Axt in seinen Klauen. Wenn
er durch die Luft sprang, machte er Sätze von etwa 15 Schritt.
Seine Schenkel hätten ein ganzes Gasthaus satt gemacht.
Ich hielt die Faust hoch zum Zeichen, dass alle stehen bleiben sollten,
legte meine Armbrust an und schoss ihm gepflegt in den Rücken.
Auch Omjaid hatte ihn wohl schon mehrfach getroffen, denn er blutete
bereits aus mehreren tiefen Wunden. Als ihm mein Kriegsbolzen mit einem
schmatzenden Geräusch in den Rücken drang machte er
einen Satz nach vorne und floh feige mit zwei weiteren
Sprüngen in den Dschungel.
Ich nutzte die Gelegenheit und spannte sofort nach. Die Fanatiker
schwärmten aus, denn wo ein Frosch war, waren bestimmt noch
mehr Echsen. Omjaid kam grinsend heraus und meinte „Guter
Schuss! Ich hab‘ ihn auch schon ein paar Mal
erwischt.“ Er selbst hatte keinen nennenswerten Treffer
abbekommen.
Da plötzlich sah ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung in den
Büschen. Instinktiv ruckte ich herum und drückte ab.
Tatsächlich, da kam der Frosch wieder. Nun allerdings durch
irgendeinen Zauber nur noch als flimmernder Schemen wahrzunehmen.
Trotzdem traf ich hin. Dann warf ich mich zur Seite und entging nur
knapp einem Hieb der mich sonst sauber in zwei Hälften
getrennt hätte.
Doch damit war er in Omjaids Reichweite. Dieser holte zu einem
mächtigen Hammerschlag aus und schlug dem Froschmonster prompt
den Schwanz ab. Es jaulte gepeinigt auf, seltsam weißes,
wässriges Blut schoss in Strömen aus dem Stummel und
das Vieh gab Fersengeld, nun allerdings in einer Art
„Sprung-Torkeln“. Klar: Ich wusste ja durch die
Verwandlung in H’Ardozz wie wichtig so ein Schwanz
für die Balance ist. Wehe man ist das Fehlen nicht gewohnt...
„Schnell hinterher!“ rief Omjaid. Ich nickte, legte
meine Gandrasch ab und zog Dolofonía ekdíki?si?.
Das Feuer in meinem Inneren erfüllte mich und stärkte
meine Angriffskraft. Zum Zeichen der Verbindung leuchten die
Runen auf beiden Seiten der Klinge rötlich auf. Dann folgten
wir dem Bastard.
Da sprang plötzlich ein zweiter zwischen uns. Nein halt.
Dieser war der Erste... der Unsichtbare, war der Zweite gewesen. Das
war an meinem Bolzen und den Wunden zu sehen. Omjaid parierte den
mächtigen Hieb des Riesenfroschs mit seiner
übergroßen Axt. Der Frosch drehte mir den
Rücken zu. Pech für ihn. Hier waren keine
rondrianischen Ideale angebracht, es ging um das nackte
Überleben gegen übermächtige Gegner. Ich
griff in mein innerstes Feuer und ließ es in meine
Angriffskraft fließen, dann schlug ich mit dem
mächtigsten Hieb zu dem ich fähig war ins
Rückgrat des Froschs und zerschmetterte es. Im Todeskrampf
fiel er um und als er aufschlug, rollte seine lange, gespaltene Zunge
noch fast einen Schritt aus seinem reißzahn-bewehrten Maul.
„Guut Kampf“ stöhnte er auf Rssaah, dann
war es aus mit ihm. Was für ein Monster!
Mittlerweile hörte man überall um uns herum Rascheln
im Dschungel. Die Froschmonster waren wohl nur die Vorhut. Der Rest des
geschuppten Gesocks war gleich bei uns. Ich brüllte Befehle,
dass man sich Rücken an Rücken aufstellen sollte, als
schon die ersten, surrenden Blasrohrpfeile heranflogen und
überall Kampfgeräusche erschallten. Zudem stieg
plötzlich überall und unwirklich schnell Nebel auf.
Die ohnehin schon schwierige Sicht im Dschungel wurde dadurch noch mehr
behindert.
Wo waren meine übrigen Freunde? Doch mir blieb keine Zeit zum
Suchen. Schnell langte ich mit der linken Hand in den Beutel mit dem
Sternenstaub den ich in Perricum gekauft hatte und warf über
mir eine Handvoll davon in die Luft. „Funkeln der Sterne,
Licht der Nacht, schütze mich in Phexens Namen!“
rief ich meinen Herrn an und der Staub wirbelte in einem
schützenden Reigen um mich herum. HA! Nun kommt und holt mich!
Da waren sie auch schon: Zwei Achaz mit ihren charakteristischen,
dreizackigen Speeren. Ich focht gegen die zwei Echsenkrieger und
versuchte einige der neuen Manöver und Schläge, die
ich von dem Schwertmeister aus Fasar gelernt hatte.
Ich hatte sie noch nicht überwunden, als mich der zweite
Monsterfrosch wieder ansprang. Immer noch nur ein schwer
wahrzunehmender Schemen und immer noch Blut aus seinem abgeschlagenen
Schwanz verspritzend. Er hieb mit seiner Axt nach mir und als ich den
Schlag parierte, wurden mir fast die Arme taub. Wütend schlug
ich zurück und traf den Frosch hart seinerseits am Arm.
Plötzlich bebte der Boden und ein acht Schritt hoher Schlinger
tauchte in wenigen Schritt Entfernung auf. Bei Phex! Wo war der denn
hergekommen? Zwar war die Sicht schlecht, aber den hätte ich
doch sehen müssen! Er beugte sein Maul herab und packte einen
der Fanatiker warf diesen hoch in die Luft, wie eine Spielzeugpuppe und
schnappte ihn dann abermals, biss in einfach in zwei Hälften.
Da packte mich der Frosch mit einer Hand an der Gurgel, hob mich hoch
und würgte mich. Seine klebrigen Finger brannten wie
Säure auf meiner Hand. Rings um uns herum wurde es immer
surrealer. Plötzlich verschwanden Achaz und Menschen, die
mitten im Kampf waren, nur um an anderer Stelle oder auch gar nicht
wieder aufzutauchen. Ebenso Bäume, Pflanzen. Ich begriff:
Verdammt! Durch die falsch oder zu früh aktivierten Stelen
öffnete sich das Portal nicht geordnet sondern bildete
überall im Tal Risse.
Nun war die Gelegenheit den gezielten Stich auszuprobieren, den ich von
Shaikan ay Farrassas gelernt hatte. Ich nahm Maß und rammte
dann dem Riesenfrosch meine Klinge mit einem geraden Stoß
durch den weit aufgerissenen Rachen schräg nach oben bis ins
Hirn. Tot brach er zusammen. Doch die Achaz, in sechsfacher
Überzahl, zogen den Ring um uns immer weiter zusammen. Die
meisten Fanatiker waren inzwischen schon gefallen.
Über uns in den Bäumen erklang ein Alarmruf der
feindliche Echsen und Novadis ankündigte. Was für ein
Trottel war das denn?
Plötzlich lichtete sich der Nebel um uns herum und ich konnte
in etwas über 100 Schritt Entfernung Soldaten aus mit Lianen
und Tarnnetzen getarnten Zelten stürmen sehen die sich in
Windeseile in Formation aufstellten.
Sie trugen wadenlange Kettenhemden, ungewöhnlich hohe Helme
die mich an die albernen Hüte der Praios-Geweihten erinnerten
und strahlend weiße Wappenröcke mit
Schulterstreifen. Dazu Panzerhandschuhe. Bewaffnet waren sie mit
Hellebarden und trugen Streitkolben als Beiwaffe. Am linken Arm hatte
jeder einen kleinen spiegelnden Rundschild.
Alarmrufe gellten und jemand schrie: „Sie haben uns gefunden!
Verteidigungspositionen“. Erst nach einigen Augenblicken fiel
mir auf, dass die Worte in etwas altertümlich klingendem
Garethi gerufen worden waren.
Ein etwas aufwendiger gerüsteter Mann trat hinter einem Baum
hervor. Neben ihm ein Bannerträger der stolz ein Banner
hochhielt, dass eindeutig eine Sonnenscheibe zeigte, in der die
bosparanische Zahl „2“ in schwarz platziert war.
„Legionäre! Der Feind der Gegenwart hat sich mit
unseren Widersachern aus der Vergangenheit verbündet und uns
hier aufgespürt. Mag diese Schlacht vielleicht unsere letzte
Stunde bringen, so werden wir nicht weichen noch wanken sondern
untergehen wie wir gelebt haben. Aufrecht, ungebeugt und im ewigen
Dienst. FÜR PRAIOS! Für Praios und Kaiserin
Amelthona!!“
Bevor der sich wieder verdichtende Nebel die Sicht wieder
verschlechterte, hatte der Hauptmann noch Gelegenheit uns zu zusehen
wie wir uns gegen die überall auftauchenden Achaz Krieger
wehrten. Hesindian raste mit unmenschlicher Geschwindigkeit durch den
Wald. Fendal mit seiner Schuppenhaut die ihn wie einen Fischmenschen
aussehen ließ spaltete gerade einem Achaz den
Schädel. Yolande mit der Borkenhaut und Omjaid mit seiner
Felsenhaut waren gerade ohne Gegner. Ich dagegen wirkte umgeben von der
Wolke aus silbernen Staub und mit der Klinge mit glühenden
Runen in der Hand sicher deutlich vertrauenerweckender. Nur Shafir sah
normal aus, abgesehen von den Haaren die wild in alle Richtungen wie
eine Wolke abstanden und leise knisterten.
Das letzte was ich noch hörte bevor ich mich wieder den
nächsten Gegnern zuwenden musste war: „Es sind
Paktierer unter ihnen!“
Na wunderbar. Nun hatten wir auch noch eine Kompanie
Sonnenlegionäre aus der Priesterkaiserzeit gegen uns! Wir
verstanden uns wahrlich darauf neue Freundschaften zu
schließen.