Liebe Mamma,
weißt Du noch wie Stolz Papa und ich waren, wie sehr Du geweint hast, als wir Jungens aus dem Dorf mit den Werbern mitgegangen? Hast Du noch die Briefe, in denen ich Dir voller Begeisterung von unserer Ausbildung und der unglaublichen Größe unseres unschlagbaren Heeres erzählt habe?

Nun bin ich es der immer wieder weinen muss. Von dem unüberwindlich großen, stolzen Heer ist nicht mehr so viel geblieben. Viele von den Jungs werden nicht mehr ins Dorf zurückkehren. Ich traue mich nicht zu schlafen – weil dann die Träume kommen! Und oft wache ich auf – mit blutverschmierten Händen, oder weil meine Kameraden mich festhalten. Denn ich muss raus, raus auf das Schlachtfeld! Ich darf nicht zulassen, dass sie wieder aufstehen, die Gefallenen, sich wieder erheben und in die Reihen unserer Gegner treten. Das tun sie hier nämlich! Dein Kamerad neben Dir fällt tot um, von einem Pfeil getroffen, oder von einem Dämonen den Wanst aufgerissen. Dann liegt er tot auf dem Schlachtfeld – und spätestens wenn es Nacht wird, oder die drüben es mitten am Tage wieder Dunkel werden lassen unter unnatürlichen Wolken – steht er wieder von den Toten auf! Von Dämonen beseelt zu unnatürlichem Leben. Und dann kommen er und die anderen lebenden Toten um dich zu sich zu holen! Denn sie sind neidisch! Neidisch darauf, dass du bisher überlebt hast und sie unter großen Schmerzen sterben mussten. Und wütend und rachsüchtig, weil sie unter noch größeren Qualen wiedererstehen müssen! Weil es dieser schwarze, zerfledderte Drache, oder ein anderer dieser Zauberer so will. Und dann wollen sie, dass auch du dich ihnen anschließt.

Das kann ich nicht zulassen! Und deshalb muss ich raus und meine Kameraden retten. Ich schleiche mich dann raus und schneide ihnen die Köpfe ab! Die lege ich ihnen dann zu ihren Füßen. Dort können sie sie nämlich nicht finden und bleiben liegen und können dann zu Boron eingehen!
Das habe ich auf der Mauer gelernt. Die große Mauer, Ogermauer wurde sie früher genannt, nun wird sie hier „Der Wall des Todes“ genannt. Und das ist sie auch, ein Wall des Todes. Hier sind nämlich Tausende Kameraden gestorben und wir waren auch da oben. Sind irgendwie hoch gekommen auf unseren Leitern. Trotz Pfeilen und heißem Pech, Dämonenklauen und –mäulern in der Wand die nach uns schnappten. Hoch sind wir und haben gekämpft! Und wie wir gekämpft haben! Bis es plötzlich still um uns rum war und wir gemerkt haben, dass wir die Letzten hier oben waren! Dann kamen sie wieder. Die Berserker und schwarzen Söldner und Dämonen.

Da haben wir sechs uns erst zu einem Wehrturm gerettet und dann weiter zu einer Geschützstellung. Wir, das waren außer mir: Helmbrecht Welzelin, der Sohn des Müllers, Parinor Aldebruck, der Sohn unseres Praios-Geweihten, Rukus Grabensalb, der Sohn des Medicus, Stipen Steinhauer, der Sohn eines Tagelöhners und Tillkel Garje, der jüngere Sohn des Wirts. Tillkels dicker, älterer Bruder Bosper hatte es nicht mal bis auf die Mauer geschafft. Der hat schon einige Schritt vor der Mauer ‘nen Bolzen in den Bauch gekriegt und ist jämmerlich krepiert, ohne dass wir etwas dagegen tun konnten.

Da haben wir die Toten wieder niedergemacht und wieder und wieder. Dabei hat es dann auch den guten Stipen erwischt, obwohl er so stark war. In dem Augenblick hab‘ ich erkannt, was ich zu tun hatte, und ihm den Kopf abgeschnitten! Danach habe ich dann allen den Kopf abgeschnitten. Allen, allen! Dann haben wir die Leiber zu einem Wall aufgeschichtet und uns dahinter und unter ihnen versteckt. Da konnten uns die Kämpfer dieses Borbarads nicht entdecken. Und ihre Dämonen konnten uns nicht sehen oder riechen.

Wir, das heißt Helmbrecht, hat versucht, das Geschütz wieder in Gang zu bekommen. Das hat aber nicht geklappt. Wir wollten damit auf die Feinde auf der Mauer schießen, wenn unsere Leute wieder stürmten. Ging nicht, schade. Aber einem konnten wir noch helfen. Einem Magus. Der war auch irgendwie hier oben alleine übrig geblieben. Der war ganz verängstigt und erschöpft. Und gezittert hat er am ganzen Leib! Da habe ich gemerkt dass ich auch zittere – obwohl es gar nicht kalt war unter all den kopflosen Leibern.

Da haben wir gewartet. Bestimmt vier Stunden hat’s gedauert – und dann sind wieder die unseren auf die Mauer gekommen! Jawohl! Gekämpft haben sie bis die Mauer soweit frei war. Bis zu uns haben sie sich durch gekämpft. Weil, wir haben unser Fähnlein von unserem Haufen auf unserer Seite von der Mauer rausgehalten und geschwenkt. Da haben die gewusst, dass da oben noch ein paar von ihren Leuten sind!

Und als die dann auf der Mauer waren und in unserer Nähe, da haben wir nochmal alles an Kraft und Glauben zusammen genommen. Und der Parinor, Du weißt ja, der hochnäsige Sohn von seiner Gnaden Aldebruck, hat laut zu Praios gebetet und wir alle mit. Und dann haben wir uns unseren Leuten entgegen gekämpft! Und immer weiter.
Irgendwann kamen wir dann an ein kleines Feldlazarett das die Therbûniten hier aufgebaut hatten. Die haben uns dann zusammengeflickt. Und bittere Tees zu trinken gegeben.

Und als wir dann alle verbunden waren und wieder stehen konnten, da hat Parinor die dann gefragt, ob sie uns sagen könnten, wo denn der Rest unserer Einheit wäre. Weil wir ja wieder zu denen müssten und weiterkämpfen mit denen zusammen. Da hat der eine traurig den Kopf geschüttelt. Da haben wir gewusst, dass WIR die Einheit waren. Denn Rest, den gab es nicht mehr.

Der Geweihte hat dann gemeint, wir hätten heute genug getötet. Stattdessen sollten wir was für das Leben tun. Und so haben wir die Verletzten für die noch Hoffnung bestand, die Mauer runter gebracht und zum großen Feldlazarett getragen.
Die die nicht mehr zu retten waren haben Tee bekommen. Aber der war süß, mit viel Honig. Und eine stumme Boronsdienerin ist herum gegangen und hat allen die eingeschlafen waren ein zerbrochenes Rad auf die Stirn gemalt. Dann braucht man denen nämlich nicht den Kopf abschneiden! Dann bleiben die auch so tot.

Ich weiß gar nicht mehr wie oft wir zur Mauer und wieder zurück zum großen Lazarett gelaufen sind. Zwischendurch mussten wir immer mal wieder gegen irgendwen kämpfen, weil die durch oder fliegend über die Mauer gekommen sind und uns die Verletzten wegnehmen wollten.

Irgendwer hat mir dann im Lazarett ein Stückchen Brot und ‘nen Becher mit saurem, dünnen Wein in die Hände gedrückt. Das habe ich dann einem der Verletzten gegeben. Erst als der Feldscher mir das fünfte oder sechste Mal was gegeben hat und mich auf den Boden gedrückt hat, hab ich gemerkt, dass ich das Essen sollte. Meine Kameraden waren auch da. Die haben mich ganz komisch angeguckt und waren mit ihrem Esen schon fertig.
Ich hab aber nix runter bekommen. Hat alles nach Blut geschmeckt.

Da hab ich’s dann doch wieder einem von den anderen gegeben. Da waren so viele von da! Und so viele haben ganz, ganz schlimme Verletzungen gehabt. Einem konnte ich nichts geben – dem sind nämlich die Eingeweide aus dem Bauch gekommen.
Anderen musste ich helfen beim Essen. Weil vielen haben Hände oder Arme gefehlt. Oder Beine. Einfach abgeschlagen, oder weggebrannt durch dämonische Säure oder Feuer.
Bei einem musste ich festhalten helfen. Der hat immer wieder versucht seinen Kopf auf einen Stein zu schlagen. Der hatte gar keine Arme und Beine mehr. Das heißt doch er hatte noch welche. Abe die waren ganz klein und krumm und verschrumpelt. Wie wenn im Herbst die Stängel an den Büschen verwelken. Der hat dann auch den süßen Tee bekommen.
Ein paar von den Leuten die hier Süßtee bekommen haben, haben gefragt ob sie den tot bleiben dürfen. Denen habe ich versprochen, dass ich dafür sorgen werde, dass sie beim Boron bleiben dürfen. Das hat zwar dann viel Arbeit gemacht weil ich das heimlich tun musste, aber die dürfen alle friedlich im Grab bleiben und müssen nicht mehr kämpfen.

Zwischendurch waren auch die sieben Leute da, die Schuld waren an dem ganzen Gesterbe hier. Die berühmten Gezeichneten! Die haben dann Reden gehalten und gebetet und so. Die Frau hat dabei sogar viele Leute wieder geheilt damit sie gleich weiterkämpfen konnten.
Der Heerführer der Rondrakirche hat auch ein Wunder gemacht! Die haben nämlich diese Frau reingebracht, die vor der Schlacht so toll geredet hat. Ayla, das Schwerterschwert oder so. Der ging’s ganz schön mies. War schon fast tot. Hab mir schon überlegt wie ich wohl an die ran komme. Weil die arme Frau sollte nicht tot weiterkämpfen müssen. Aber da hat erst eine von den Magierinnen gemeint, dass die Ayla zu wertvoll wäre. Wertvoller als sie selbst und dass sie die Erhabene Ayla wieder ganz heile machen würde – auch wenn sie dafür ihr eigenes Leben geben müsst.
Aber da hat dann dieser Eiriliôn gesagt, dass das nicht in Frage kommt und dass die Herrin Rondra ihren Heldinnen und Helden beistehen wird. Und dann hat er zur Rondra gebetet. Und plötzlich ging es der Schwertschwerterin wieder richtig gut!
Und die zwei Zauberer haben was Tolles gemacht! Die sind in eins der Lazarettzelte und haben sich dort einen Tisch sauber machen lassen. Weißt Du, so einen wo wir die Leute drauf gelegt haben und dann wurden denen Arme oder Beine abgesägt, die nicht mehr heile zu machen waren.
So ganz sauber habe ich den Tisch aber nicht mehr gekriegt. Blut und so geht ziemlich schwer aus den Rissen, Schnitten und Kratzspuren im Holz wieder raus.
Dann haben die zwei was gezaubert und der mit dem starren Gesicht und der schönen weißen Kappe auf hat dann dem Oberarzt gesagt: „Damit übergeben wir Euch den Tisch der ewigen Heilung!“
Dann mussten Rukus und ich einen von den weniger schwer Verwundeten drauflegen. Und glaubst Du’s oder nicht? Dem haben sofort angefangen die Wunden zu heilen! Und aufgehört zu bluten und zu stöhnen hat er. Und als der dann einigermaßen wiederhergestellt war, kam der nächste drauf. Und so weiter. Alle paar Minuten ein neuer. Das ging viel schneller, als wenn man die verbinden oder ihnen was wegschneiden musste. Sogar die, die von Dämonen erwischt worden waren, konnten darauf geheilt werden! Nur was nachwachsen lassen kann der Tisch nicht. Und auch nix wieder dran machen oder wiederbeleben. Schade eigentlich.
Aber war auch so schon ganz toll. Da konnten ziemlich viele schnell wieder kämpfen gehen. Einen habe ich da mindestens dreimal am dem Tag drauf gelegt!

Später hab‘ ich dann festgestellt, dass die im Lager weiter hinten, wo sie die ganze schweren Fälle hingebracht haben, was Ähnliches haben. Da ist‘s aber ein Ring den sie den Leuten aufstecken und wieder abnehmen wenn sie wieder heil genug zum Kämpfen sind. Anscheinend hatten sie den von diesem komischen kleinen Dieb mit dem silbernen Handschuh bekommen.
Ich hab dann noch mitbekommen wie eine von den Borongeweihten zu diesem erstarrten Magus mit der tollen weißen Kappe – so eine würd mir auch gefallen – gegangen ist. Uns stell Dir vor Mama,sie hat mit ihm geredet! Ja, die können nämlich schon sprechen wenn sie wollen.
Die hat dann diesen DeLinth gefragt: „Was soll ich den Leuten sagen, wenn sie fragen ob sie sterben und dann tot bleiben dürfen? Herr, Ihr müsst IHN aufhalten!“
Da hat es dann ganz kurz über das Gesicht des Magiers gezuckt. So als ob er die ganze Zeit ganz toll Zahnweh oder andere Schmerzen hätte. Und mit seiner ernsten Mine hat er gesagt: „Ja, das werden wir! Wir werden Borbarad ein für allemal aufhalten. Er wird Dere nie wieder heimsuchen!“
Und dann hat die Borongeweihte den Magier nochmal ganz traurig und wissend angeguckt und ist wieder los, Tote segnen damit sie nicht weiterkämpfen müssen.

Dann sind die Gezeichneten wieder zurück zum Feldherrenhügel. Waren alle ganz still und haben betreten geguckt. Die Frau musste sich ‘nen Moment an dem Turbanträger mit dem unheimlichen roten Auge festhalten, weil sie geweint hat. Wobei der eigentlich selbst so aussah, als würde er am liebsten weinen wie die anderen alle auch.
Außer der mit der weißen Kappe. Der hat nur ganz ausdruckslos in die Gegend geguckt. Aber ich hab‘ gesehen, wie seine Kiefer ganz fest aufeinander gepresst waren und er mit den Zähnen gemahlen hat. Ich glaube der war sehr, sehr wütend. Ich glaube ich würde nicht dabei sein mögen wenn der jemanden findet wo er seine Wut dran raus lassen kann. Die Leute haben erzählt, dass er ein ganz mächtiger Zauberer sei und schon ganz viele böse Leute vom Borbarad erledigt hätte – nur in dem er sie angeguckt hat! Und Dämonen soll der beim Frühstück verspeisen. Kann ich mir aber nicht vorstellen. Die Dämonen sehen alle so schrecklich und grausam aus und stinken so entsetzlich. Die kann man bestimmt nicht essen!

Parinor, Tillkel und Helmbrecht waren die ganze Zeit ganz grün im Gesicht. Die mussten nämlich die Toten auf Holzhaufen legen und anzünden. Da waren bestimmt noch 30 oder 50 mehr Jungs und Mädels am helfen. Die waren entweder wie wir zu verletzt zum Kämpfen oder zu jung dazu. Die haben dann die Körperteile und Leichen verbrannt. Das ging wie wenn neu gerodet worden ist und das tote Zeugs und Gebüsch verbrannt wird. Immer drauf schmeißen bis alles weg ist. Hat ganz schön gestunken. Aber das ist wie beim Frühlingsfest, wenn die Gesellen vom Mezger zu besoffen sind und der Festochs auf einer Seite anbrennt – nur ´n bisschen schlimmer. Hat aber zwischendurch wie frischer Schweinebraten gerochen. Da hab ich mir dann doch noch ein Stück Brot und Wasser geholt, weil mir hat der Magen so geknurrt.
Jedenfalls sind die gar nicht hinterhergekommen mit Verbrennen. War einfach zu viel. Wenn ein Wagen leer war von Leichen, standen schon ein Dutzend neue da.

Wir mussten uns auch noch kurz auf den Tisch legen, Helmbrecht, Rukus, Parinor und Tillkel und ich. Wir müssen nämlich jetzt wieder raus und weiterkämpfen. Nur den Rukus, Du weißt schon, der Sohn vom Heiler, den haben sie behalten, weil der sich richtig nützlich machen kann. Der kann besser ganz machen als töten.

Haben dann gegen ganz viele Kämpfer und Dämonen und Oger und Rotpelze und was weiß ich gekämpft. Ging bis zum Morgen so. Da war´s dann plötzlich mehr oder weniger vorbei. Auf dem großen Hügel wo der Borbarad gezaubert hat, hat man unsere Banner gesehen. Und ganz viele von den berühmten Leuten – naja, von denen die überlebt haben.
Die haben da was eingesammelt und hinter die Mauer gebracht. Weiß nicht ob das ein Triumph- oder Trauerzug war.

Jedenfalls sind jetzt wohl auch Borbarad und die Gezeichneten nicht mehr da.

Wir lagern jetzt schon die dritte Nacht an der Mauer. Müssen immer mal wieder gegen irgendwelche kleinere Trupps kämpfen. Aber das ist nicht so schlimm wie das endlose Gehaue und Gesteche von vorgestern damit die sieben Herrschaften da auf den Hügel kommen.

Wir werden wohl noch ein bisschen hier bleiben müssen. Ich weiß nicht wie lange.

Wenn ich fertig bin mit töten schreib ich Dir wieder!

Tschüss Mama,
Dein Answin