23. Ingerimm 1021 BF
Nun gut! Auch diese Geschichte gehört dazu! Dann hört!
Nachdem nun die gegnerische Kavallerie weitestgehend ausgeschaltet war,
dachten sich unsere Taktiker und Strategen man könne nun mit
einem konzentrierten Angriff Berittener und Fußtruppen den
Feind entweder zurückwerfen, oder zumindest seine mundanen und
daimoniden Truppen soweit dezimieren, dass die Gezeichneten freie Bahn
zum Beschwörungshügel Borbarads bekamen.
Dafür wurde es auch höchste Zeit!
Vor nicht all zu langer Zeit war nämlich ER selbst erschienen
– Borbarad! Schlagartig hatten finstere Wolken den Himmel
weiter verdunkelt. Ein Blitz hatte den Himmel gespalten – und
hervor kam Borbarad! In seinem schwarzen Himmelswagen, gezogen von
sieben widerlich anzuschauenden Dämonen, die ständig
gegeneinander schnappten und geiferten. Cordovan meinte die seien aus
sieben unterschiedlichen Domänen und wären einander
Feind, mir egal, für mich ist das alles ein zu vernichtendes
Gesocks! Er hatte eine Schleife über seinen Truppen gezogen
und sich auf seinem Beschwörungshügel niedergelassen.
Dort waren bereits 13 Beschwörungskreise mit
Opferaltären aufgebaut worden und harrten ihres unheiligen
Meisters.
Nun war es wohl für die so genannten Gezeichneten an der Zeit
sich diesem besessenen Dämonenknecht zu stellen und ihn
niederzuringen. Ich beneidete sie nicht um ihre von den
Göttern gegebene Aufgabe – hieß es doch
ihnen wäre ein furchtbares Ende geweissagt worden!
Da natürlich auch die vereinigten Heere des freien Aventurien
einen hohen Blutzoll hatten entrichten müssen, waren nun alle
gefragt. Insbesondere wir Horasier wollten nochmals zeigen, dass wir
nicht nur etwas von verfeinerter Lebensart verstehen – im
Gegensatz zum mittelreichischen Bauernvolk – sondern dass wir
auch einen ordentlichen Strauß auszufechten verstanden.
Also traten wir in den regulären Einheiten gegliedert an, um
dem Feinde das Fürchten zu lehren und ihm ein für
allemal klar zu machen, dass er sein allen Göttern widerliches
Tun mit seinem Leben zu bezahlen habe.
In Wellen rückten wir vor. Fußvolk,
Schützen, Zwerge, Elfen, schwergepanzerte Ritter und Leichte
Reiterei. Alle hatten nur ein Ziel vor Augen: den
größten Helden des Zeitalters ihr Schicksal zu
ermöglichen!
Zuerst kamen wir gut voran. Fußvolk und Reste der
gegnerischen Reiterei schienen gar nicht zu wissen was da über
sie kam. Unter dem Kommando unseres lieben Prinzen Thiolan von
Berlinghân rückten die Edlen in geschlossener
Formation vor. Unser gezieltes Feuer aus Ballestrinas und Arbaletten
verwirrte den Gegner und hielt reiche Ernte unter ihnen.
Schritt um Schritt musste er vor unserem entschlossenen
Vorrücken nachgeben. Schon hatten wir mehrere hundert Schritt
vor der Mauer eingenommen, da schien der Feind plötzlich neuen
Mut zu fassen oder mehr Angst vor seinen dämonischen
„Verbündeten“ zu bekommen als vor uns.
Jedenfalls verstärkte er seinen Widerstand und brachte unser
Heer geradezu zum Stillstand.
Dann erbebte der Boden!
Nun erwies sich die ganze hinterhältige Verschlagenheit und
Unehre der borabradtreuen Heerführer. Das verlustreiche
Grundgeben bisher war von Borbarad und Haffax geplant gewesen! Sie
hatten Hunderte, wenn nicht Tausende ihrer Soldaten geopfert, um uns an
genau diese Stelle zu bringen!
Ihr wisst noch wie der Wall des Todes früher hieß?
Ja, genau – Ogermauer. Und warum? Jawohl, weil hier der Zug
der tausend Oger aufgehalten und nahezu tausend Oger auf dieser Stelle
erschlagen wurden!
Ihr ahnt schon was nun passierte: Der verfluchte untote Drache
Rhazzazor erschien plötzlich aus einer schwarzen Gewitterwolke
über unseren Truppen und aus seinem Rachen ergossen sich
schwarze Schatten auf das Schlachtfeld und dann erhoben sich die vor
vielen Jahren vernichteten Oger zu unheiligem Leben!
Vor uns, hinter uns, ja sogar direkt unter uns wühlten sich
die Skelette der Erschlagenen aus dem Boden! Zwischen den riesenhaften
Skeletten der Oger fielen die paar menschlichen Untoten kaum auf. Die
waren auch schnell niedergemacht!
Die Oger jedoch! Teilweise waren sie vollkommen nackt. Teilweise hingen
noch krude, vergammelte Rüstungsteile an ihnen. Die einen
schwangen alte Keulen und modrige Baumstämme – die
anderen die bloßen Knochenfäuste!
Natürlich erholten wir uns schnell von unserer
Überraschung und versuchten die üblichen
Verteidigungsgruppen zu bilden, schließlich hatten wir an
diesem Tag schon soviel Unglaubliches und Wunderliches erlebt, dass uns
ein paar Skelette nicht mehr in Angst versetzen konnten, jedoch gelang
dies nur stellenweise!
So viele dieser Monstrositäten brachen aus dem Boden hervor,
dass sie unsere Formationen und Einheiten auseinander rissen und
durcheinander wirbelten. Praktisch sofort verloren Eduardo und ich den
Kontakt zu Fran, Cordovan und den anderen. Rücken an
Rücken stellten wir uns dem Gegner! So schnell wie nur irgend
möglich schossen wir unsere Ballestrinas auf die Riesenhaften
ab. Treffer um Treffer landete an den Schädeln der Kolosse
– doch ohne jede Wirkung! Sie schienen geradezu immun gegen
diese Waffen zu sein. Der Feind musste gewaltige Angst vor der
überlegenen Waffentechnik Horasiens gehabt haben, dass er sich
sogar die Mühe machte seine Skelette mit einem magischen
Schutz wider unsere Waffen zu versehen!
So blieb uns nichts weiter übrig als unsere Rapiere und
Florette tanzen zu lassen. Wie wir hieben und stachen und
tänzelten – jedoch nahezu ohne Erfolg! Diese
steinharten Knochengerüste waren praktisch unempfindlich gegen
unsere Kampfkunst!
Umblickend gewahrte ich einige Zwerge und Ritter die mit ihren
Schlegeln, Äxten und Morgensternen deutlich mehr Erfolg hatten!
Ein hünenhafter Krieger schwang sogar eine Ogerschelle
– und bewies woher diese Waffe ihren Namen hat! Unter seinen
wuchtigen Hieben brachen Rippen, Beine, Arme und Schädel der
Monster!
Und bei uns? Eduardo und ich hatten alle Hände voll zu tun,
den Hieben und Tritten der Skelette auszuweichen. Da stupste Eduardo
mich an und wies auf einen wahren Knäuel aus Kämpfern
und Skeletten – und mittendrin unser Prinz Thiolan! Wie schon
beim Angriff der Dämonenreiter, hatte es der Feind wieder
deutlich auf unsere Führungsspitze abgesehen!
So schnell wir konnten, arbeiteten Eduardo und ich uns in Richtung
unseres Prinzen vor. Verzweifelt versuchten währenddessen die
edlen Cavalliere und Esquirios Seite an Seite mit den Baronetts und
Signores unseren Prinzen zu schützen. Doch ach, es ging ihnen
auch nicht anders als uns! Mit den edlen und eleganten Waffen unserer
Art hatten sie kaum einen Erfolg zu verzeichnen!
Manch tapfere Signora oder edler Esquirio ließ für
unsere prinzliche Hoheit das Leben, weil sie sich zwischen die von
dämonischer Macht belebten Oger und ihr Ziel warfen, um die
für ihn bestimmten Hiebe und Geschosse mit dem
bloßen Leib abzufangen!
Kaum einer der Edlen konnte mit einer der plumpen, aber für
solche Ungetüme geradezu geschaffenen Waffe des Neuen Reiches
aufwarten. Ja, einige gingen sogar soweit die Skelette zu erklettern um
ihnen mit Dolch und Rapierknauf die Schädel zu
zertrümmern oder einzelne Wirbel heraus zu hebeln, auf das
diese empfindungslosen Reisen zusammenstürzen mochten!
Auch Vertreter des kleinen Volkes konnten wir erspähen die mit
typischem Ungestüm und heiliger Wut auf die Skelette
einschlugen. Ihre schweren Äxte und Keulen erwiesen sich als
tödliche Waffen.
Eine Einheit hatte irgendwo her eine drei oder vier Schritt lange Kette
ergattert. Von zweien der tapferen Zwerge an den Enden straff gehalten,
stürmten sie damit gegen einen Oger an, brachten ihn mit einem
Ruck zu fall – und ihre Kameraden fielen wie ein Schwarm
verärgerter Bienen über ihn her, jeden einzelnen
Knochen zertrümmernd.
Weiter und weiter arbeiteten wir uns durch das chaotische Gewimmel.
Immer wieder den Hieben und Schlägen der Ungetüme
ausweichend, unsere Kameraden unterstützend wo wir konnten.
Plötzlich schrie Eduardo neben mir auf! Voller Entsetzen
starrte er auf unser Ziel! Als ich dorthin blickte, konnte auch ich
einen Schrei nicht unterdrücken.
Sie hatten ihn erwischt! Unseren geliebten Prinzen! Gleich zwei der von
allen Göttern verfluchten Ogerskelette hatten unseren tapferen
Herren zu fassen bekommen! Sie schienen sich regelrecht um ihn zu
streiten. Der eine umklammerte ein Bein und einen Arm, während
der zweite den edlen Schädel unseres Prinzen in seiner
steinernen Faust hielt. Hin und her zerrend bereiteten sie dem Armen
ein furchtbares Ende. Endlich, endlich sah ich zwischen den
knöchernen Fingern des zweiten, Blut und graue Hirnmasse
laufen. Er hatte den Schädel Thiolans zerquetscht –
für ihn war es zum Glück vorbei!
Vor Schreck und Entsetzen erstarrt, sahen Eduardo und ich uns an. Das
war ein Fehler. Mit unbarmherziger Wucht fuhr eine mit
Obsidiansplittern gespickte Keule auf Eduardo herunter! Zwar brachte er
noch Linkhand und Degen zum Kreuzblock nach oben – jedoch
erwies sich die Wucht des Hiebes als zu groß. Mit
zerschmetterter Brust sank er zu Boden!
Mit einem Wutschrei und Flüchen auf den Lippen
stürzte ich mich auf den knöchernen Unhold!
Tjaja – Eure alte Tante konnte schon mal unfreundlich werden
wenn man sie geärgert hat!
Ich also drauf und diesen tumben Gesellen mit Stößen
und Hieben eingedeckt, dass jedem normalen Gegner Hören und
Sehen vergangen wäre! Hier jedoch – nichts! Kein
Zucken, kein Erzittern. Kein Schmerzensschrei, kein
Zurückweichen! Im Gegenteil!
Einen unglaublich großen Schritt machte das Riesenvieh
– und im Vorbeigehen schmetterte es mir seine Keule gegen die
Brust!
Hoch in die Luft wurde ich gewirbelt! Und mit einem
fürchterlichen Schlag kam ich genau neben Eduardo wieder auf!
Mir trieb es die Luft aus den Lungen und die brechenden
Rippen von hinten in dieselben! Hat fürchterlich wehgetan!
*Nach einem Seufzer, immer leiser werdend, und in sich zusammensinkend
erzählt die alte Dame weiter*
Da lag ich nun. Kein Glied konnte ich regen, keinen Muskel mehr
anspannen. Schmerzen überall – und Luft bekam ich
auch keine mehr. Konnte gerade noch den Kopf wenden. Da lag mein lieber
Eduardo! Leider hatten wir es irgendwie nie richtig zueinander
geschafft. Dachten wohl wir hätten ja noch später
Zeit! Ach. Da bewegte sich seine Hand langsam kriechend über
den zerstampften Boden auf mich zu und sein Kopf viel in meine
Richtung. Auch ich strengte meine letzten Kräfte an ihm noch
einmal die Hand zu reichen. Als sich unsere Hände endlich
fanden bewegten sich seine Lippen noch mal. Zu hören war
natürlich nichts. Aber ich wusste auch so was er sagte
– und ich antwortete ihm entsprechend.
Das Letzte was ich sah war sein Lächeln und das Strahlen
seiner rehbraunen Augen! Ach!
*Die Alte ist in sich zusammengesunken. Sichtlich durchlebt sie noch
einmal den alten Schmerz. Wie um ihre Gemütsverfassung zu
unterstreichen prasselt eine neue Hagelböe gegen die Scheiben.
Es ist still geworden im Raum. Selbst das prasseln des Feuers scheint
verstummt zu sein. Die wohl ein Dutzend größeren und
kleineren Zuhörer um sie herum. Sind ruhig. Es scheint als
wagten sie sich nicht zu bewegen*
Krachend fliegt die Stubentür auf! Zusammen mit den Strahlen
der Ingerimmsonne streckt sich der von einem kecken Federhut bedeckte
braune Lockenkopf eines ausnehmend gut aussehenden Schwertgesellen in
den Raum.
„Drüben an der Tafel sind ein paar neue angekommen!
Ihnen sei eine fliegende Stadt auf den Kopf gefallen oder so ein
Blödsinn. Hahaha. Die behaupten doch glatt, dass es jeder von
ihnen – verstellt die Stimme zu einem tiefen Brummen:
„mit Fünfen von Euch weibischen
Stricknadelschwingern aufnehmen kann!“
Da mussten Thiolan und ich natürlich gleich drauf wetten! Zehn
von denen und zehn von uns. Der Verlierer muss nachher an der Tafel
alle bedienen! Fran ist unterwegs und holt Albin und
Rondario!“
Mit einem wahren Panthersatz ist die „Alte“ aus
ihrem Sessel. Sich den Federhut mit der Linken auf die weizenblonden
Locken drückend, schnappt ihre Rechte das bereitstehende
Rapiergehänge. Die verblassenden Schatten ihrer
Zuhörer durchschreitend lacht sie laut auf.
„Dann auf Eduardo! Lass uns den Blechdosen mal zeigen was ein
gutes Rapier leisten kann! Hatte schon lange mal wieder Lust mit Darian
und Raidri an Rondra’s Tafel um die Wette zu
saufen!“